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Pour une autre politique de développement!

Beitrag vom 12.07.2013

missio

Kritik an Entwicklungspolitik

Botschafter a. D. Volker Seitz: Abtprimas Notker Wolf trifft "den Nagel auf den Kopf"

Der frühere deutsche Botschafter in Benin und Kamerun, Volker Seitz, unterstützt die von Abtprimas Notker Wolf in einem Interview mit dem missio magazin geäußerte Kritik an der staatlichen Entwicklungspolitik.

"Abtprimas Wolf trifft - auch nach meinen Erfahrungen in 17 Jahren Tätigkeit in Afrika - den Nagel auf den Kopf. Dafür spricht auch die säuerliche Reaktion von Bundesminister Niebel. So klar habe ich das aus Kirchenkreisen selten gehört", sagte Volker Seitz im Gespräch mit dem missio magazin. Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) hatte Wolfs Vorwürfe in einem Schreiben entschieden zurückgewiesen und dem Abtprimas vorgeworfen, er beschreibe die "Entwicklungshilfe der Vergangenheit".

"Leider beschreibt Bundesminister Niebel eine Wunschvorstellung", betonte Seitz. "Herr Niebel nimmt 'African Ownership' (Eigenverantwortung) als gegebene Tatsache, aber es ist noch ein langer Weg zu diesem wünschenswerten Ergebnis. Wenn es dieses Ownership bereits geben würde, dann würde Entwicklungshilfe bald überflüssig." Seitz verwies zugleich darauf, dass "fast alle mit staatlicher ausländischer oder privater Hilfe errichteten Projekte nicht mehr weitergeführt werden, wenn ausländische Subventionen versiegen." Planung und Realisierung von Projekten würden im Grunde von ausländischen Institutionen durchgeführt. Der lokale Partner übe nur formell die Trägerrolle aus.

Entwicklungshilfe, so Seitz, schaffe Abhängigkeiten und lasse die Afrikaner Eigenverantwortung - die angeblich durch Entwicklungshilfe gestärkt werden soll - und eigene Anstrengungen verlernen. Das werde sich nicht ändern, solange Hundertausende ausländische Helfer ihre berufliche Existenz auf ihre Hilfstätigkeit gründen könnten, erklärte der Diplomat. Die übliche ständige Fremdhilfe an die "Nehmerländer" zum Zudecken der fehlenden "good governance" verschärfe nur die Misere.

Seitz kritisierte zudem die fehlende unabhängige Wirkungskontrolle der Entwicklungshilfe. Es müsse gefragt werden, ob die eigenen Potenziale der Länder nicht genügend gefordert worden seien, denn die Schlüsselrolle gegen die Armut müssten die afrikanischen Regierungen selber übernehmen. Noch immer finanziere die Entwicklungshilfe südlich der Sahara Aufgaben der jeweiligen Regierung.

Seitz lobte indessen das Engagement der Kirchen in den Bereichen Bildung, Gesundheitsfürsorge und Sozialfürsorge. "Christliche Schulen und Universitäten zählen überall zu den besten des Landes. Da die Kirchen weniger Mittel zur Verfügung haben, überprüfen sie - u. a. nach Untersuchungen der Universität Saarbrücken - ihre Arbeit intensiv und erfolgreich. Da es aus meiner Sicht kein Problem in Afrika gibt, das nicht mit Bildungsarmut zusammen hängt, ist Bildungshilfe immer richtig. Welche Art Hilfe ein Land darüber hinaus weiterbringt, muss man in jedem Einzelfall abwägen", betonte Seitz. In Simbabwe hätten ohne den großartigen Einsatz der Kirchen mit Nothilfe viele Menschen nicht überlebt.

Volker Seitz, geb. 1943, lebte und arbeitete insgesamt 17 Jahre lang als Diplomat in Afrika. Er war deutscher Botschafter in Benin (1996 - 1999) und in Kamerun (2004 bis 2008). In seinem Buch "Afrika wird armregiert" (dtv 2012) beschreibt er, wie und warum die Entwicklungspolitik der vergangenen 50 Jahre versagt hat. Das Buch ist inzwischen in der 6. Auflage erschienen.