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Pour une autre politique de développement!

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dim, 23 Nov 2008 - 15:29

Dr. Helmut Danner, Nairobi, Kenia
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Nach 19 Jahren Tätigkeit als Auslandsmitarbeiter der Hanns-Seidel-Stiftung in Ägpyten und in Kenia und nun seit 12 Jahren in Nairobi lebend, beschäftigen mich Afrika, das Verhältnis zwischen Afrika und dem ‚Norden' und die Frage der ‚Entwicklung' intensiv. Darum auch begrüße ich den Anstoß des ‚Bonner Aufrufs' zur Diskussion dieser Bereiche. Allerdings stimme ich mit dessen Thesen und Forderungen nur teilweise überein. Ohne ausführlich zu wiederholen, was andere Beiträge zu dieser Diskussion bereits anführen, skizziere ich zunächst meine Position:

1. EZ darf nicht provinziell auf Deutschland allein bezogen werden - es gab bzw. gibt die europäischen Organisationen, die amerikanischen, die Japaner, etc. Kritik an der Entwicklungspolitik der vergangenen Jahrzehnte betrifft alle. Darum ist es nicht ganz verständlich, wenn BMZ, SPD und Grüne meinen, sich gegen den ‚Bonner Aufruf' verteidigen zu müssen. (Ich vermisse Beiträge von CDU/CSU.) Zudem besteht Übereinkunft darüber, dass Afrika trotz Entwicklungshilfe sich nicht ‚entwickelt' hat. Es wäre auch wünschenswert, wenn die angeregte Diskussion über Deutschland hinausginge und nicht zuletzt Afrikaner einbeziehen würde.

2. Ich bin gegen die pauschale Forderung, die berühmten 0,7% des BSP für Entwicklungshilfe zu erreichen und auszugeben. Nicht die Menge des Geldes macht die QUALITÄT der EZ aus. Begrenzte Mittel können eine kreative Herausforderung sein. Zudem müssen die politischen und administrativen Rahmenbedingungen für die Verwendung von Geldern günstig sein. Schließlich ist die Vermittlung von Know-how im Prinzip nachhaltiger als der Transfer von Finanzen. Insgesamt sollte es um die QUALITÄT der EZ gehen.

3. So richtig und wichtig ARMUTSBEKÄMPFUNG ist, so einseitig ist die entwicklungspolitische Konzentration auf sie. Vor allem darf Armutsbekämpfung nicht auf materielle Besserung reduziert werden. Diese tendiert gerade dazu, nicht nachhaltig zu sein. Es geht auch und im Letzten um Mitsprache, um politische Mündigkeit der Armen und der Bevölkerung als ganzer. Armutsbekämpfung wird erst fruchtbar und nachhaltig, wenn die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Strukturen dies zulassen. Kleinkredite helfen den Kleinbauern erst dann, wenn die Infrastruktur sie gleichzeitig unterstützen und sie ihre Produkte transportieren und vermarkten können. Passierbare Straßen, Wasser und Strom muss die staatliche bzw. städtische Verwaltung bereitstellen.

4. Darum wäre die Abkehr von einer Zusammenarbeit mit Regierungen als pauschale Forderung falsch. Hier muss differenziert werden. EZ mit zivilen Gruppen und mit der Regierung muss Hand in Hand gehen.

Darüber hinaus möchte ich auf einige grundlegende Zusammenhänge aufmerksam machen, die mir in der Diskussion fehlen:
5. Herrn Pingers Ansicht, es könne "nicht die Aufgabe eines Staates sein…, ein Land zu entwickeln", ist mir unverständlich. Wozu sonst ist - unter anderem - ein Staatsgebilde da, wenn nicht dazu, politische, wirtschaftliche und soziale Rahmenbedingungen zu schaffen, zu schützen und permanent zu reformieren, damit Entwicklung möglich ist? Ich vermute, dass Herr Pinger einen ENTWICKLUNGSBEGRIFF verwendet, der speziell im Kontext von Entwicklungs-Land, -Politik, -Hilfe, etc. verwendet wird und der dem Gegenstand dieser Entwicklung UNTERENTWICKLUNG unterstellt.
Ich bin zunehmend der Meinung, dass die Entwicklungs-Idee und die Abstempelung als 'Entwicklungs'-Land ein falscher Ansatz ist und zum Misserfolg der EZ beigetragen hat. Beispielsweise hat sich das Land Bayern nach dem Zweiten Weltkrieg von einem Agrarland zu einem Technologie-Zentrum entwickelt, einhergehend mit der Verbesserung der Lebensbedingungen für die Bevölkerung. Aber niemand redet in diesem Zusammenhang von 'Entwicklung' in jenem Sinne einer ‚Entwicklungs'-Hilfe. Bayern oder Deutschland oder andere europäische Länder waren nie ein 'Entwicklungs'-Land im Sinne von Entwicklungshilfe, obwohl sie sich in den vergangenen Jahrzehnten und Jahrhunderten fortlaufend entwickelt haben. Wenn wir in unserer Wahrnehmung in der Lage wären, einem ‚Entwicklungs'-Land einen gleichberechtigten Status zuzugestehen, dann müssten wir unsere 'Entwicklungs'-Politik und die ‚Entwicklungs'-Hilfe im Sinne von Unterentwicklung zurücknehmen und könnten eher etwa von staatlichen und sozialen Reformen reden. Reformen sind überall und permanent erforderlich, in jedem Land der Welt. 'Reform' wäre ein ideologisch weniger belasteter Begriff. In diesem Sinne müsste in Kenia und in Afrika vieles reformiert werden. Aber man dürfte Begriffe nicht einfach austauschen - Entwicklung mit Reformen -, man dürfte nicht mit einem Reform-Koffer nach Afrika reisen und sagen: So, jetzt macht mal; hier ist die Anleitung, wie es geht. Denn das haben wir großenteils mit ‚Entwicklungs'-Hilfe zu lange getan. Es ginge also um eine Abkehr von der ideologisch belasteten ‚Entwicklungs'-Politik und ‚Entwicklungs'-Hilfe, nämlich von einer Entwicklung als Überwindung von Unterentwicklung zu einer völlig normalen, reformorientierten Entwicklung, oder anders ausgedrückt: es ginge um ein Ernstnehmen der Afrikaner.

6. Neben dieser zentralen Frage, wie wir Entwicklung überhaupt verstehen wollen oder müssen, steht die nicht weniger fundamentale Frage, WER denn die reformorientierte Entwicklung eines Landes BESTIMMEN soll. Der ‚Bonner Aufruf' sagt am Anfang, dieses sei eine falsche Annahme: "Der ‚Norden' könne Afrika entwickeln". Richtig. Die nachfolgenden Forderungen des Aufrufs sprechen dann aber genau wieder davon, wie WIR die EZ organisieren sollen. Es sieht so aus, als käme kaum jemand aus diesem zirkularen Denken heraus. Denn die Argumentation der Initiatoren des Aufrufs sowie vieler Diskutanten denkt im Grunde nur von UNS aus, nämlich wie WIR Entwicklungshilfe und Entwicklungspolitik gestalten sollen. Dazu nur ein Beispiel aus der SPD-Erwiderung vom 13. 11. 2008: "Trotzdem liegt mit Blick auf die UN-Millenniums-Entwicklungsziele noch einiges an Arbeit vor uns"… Es geht lediglich um eine Diskussion der INSTRUMENTE; es geht um die Frage über mehr oder weniger Gelder, über Regierung oder Zivilgesellschaft als Partner, usw, aber es geht nicht darum, VON WEM ENTWICKLUNG AUSZUGEHEN HAT. Es wäre wirklich schrecklich, wenn die Afrikaner uns erklärten, sie brauchen uns nicht - siehe Shikwati…

7. Fortschritte machen afrikanische Länder dort, wo ihre POLITISCHE ELITE politischen Willen zu Reformen hat. Dies ist meistens nicht der Fall, weil Politiker keine Staats-DIENER sind. Sie sind Pseudo-Elders, weil sie zwischen Tradition und Moderne, zwischen patrimonialistischen Strukturen und unverdauten Ideologie-Importen, zwischen ‚Dorf' und ‚Stadt' (als Chiffren verstanden) existieren. Die politische Kaste versteht sich der oberen Schicht der Gesellschaft zugehörig, jener Schicht, die bedient wird, aber nicht selbst bereit ist zu dienen, nur sich zu bedienen. Im Übrigen dürfen wir nicht vergessen, dass jene afrikanischen Ideologie-Importe - Demokratie, Good Governance, Rechtsstaatlichkeit usw. - Ergebnis eines fünf hundert Jahre dauernden Aufklärungs- und Emanzipationsprozesses in Europa sind.
Der erforderliche Wandel von Pseudo-Elders zu Staats-Dienern mit Interesse und Engagement am Gemeinwohl kann nicht von außen, nicht von uns gemacht werden. Dieser Wandel bedarf eines langwierigen, tiefgehenden Aufklärungsprozesses, den Afrika selbst leisten muss. Eine Diskussion um Entwicklungspolitik und -hilfe muss aber diese Zusammenhänge im Auge haben, wenn sie sich aus dem Irrweg des Eurozentrismus befreien will.

Dr. Helmut Danner, Nairobi