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Thu, 1 May 2014 - 14:35

Kurt Gerhardt, Köln
Mitinitiator des Bonner Aufrufs
Posting

zu: Köhler-Rede "Von der Unmöglichkeit, über Afrika zu sprechen"; siehe unter "Neues" vom 18.3.

Eine geradezu leidenschaftliche Zuneigung gegenüber Afrika zeigt der ehemalige Bundes- und IWF-Präsident Horst Köhler seit langem, auch in dieser Rede. Seine sympathische Grundhaltung ist gekennzeichnet von unserer Pflicht zur Selbstkritik und von einer Warnung vor Selbstüberschätzung, andererseits von großem Respekt vor Afrika und seinen Menschen.

Umso irritierender sind einzelne Äußerungen zum Thema "Afrika", nicht erst in dieser Rede. Als er über die Schuld spricht, die deutsche Kolonisatoren auf sich geladen hätten, und darüber, dass Afrika während des Kalten Krieges zum "Spielball der großen Mächte" geworden sei, sagt er, nach dem Ende des Kalten Krieges sei Afrika "brutal fallengelassen worden".

Nach Angaben der OECD haben deren Mitgliedsstaaten ihre Entwicklungshilfe für Afrika in der Zeit zwischen 1988 und 1992 von jährlich knapp 12 auf über 16 Milliarden US-Dollar erhöht. Und auch in der weiteren Außenpolitik nach 1990 gibt es keine Anzeichen einer "brutalen" Abkehr. Was meint Köhler also?

An einer anderen Stelle spricht er davon, dass Afrika ein "Kontinent der rastlosen Bewegung, der permanenten Veränderung" sei. Im Kontext der Rede kann diese Bewegung nur als eine für die Entwicklung des Kontinents nützliche verstanden werden. Wo aber ist sie, wo ist diese "permanente Veränderung" zum Nutzen der Völker?

Köhler erwähnt zu Recht die Bedeutung der Wirtschaft und des Privatsektors in den Entwicklungsländern. Andererseits propagiert er einen "neuen Entwicklungsbegriff", der auch zu der Frage führen müsse: "Was kann Europa von den Afrikanern lernen?" Meint der Redner diese Frage ernst, etwa auf dem entscheidenden Felde der wirtschaftlichen Entwicklung? Was in der katastrophalen Misswirtschaft des Kontinents kann uns Beispiel sein?

Köhler bemüht auch die in der Dritte-Welt-Szene inzwischen ritualisierte, aber unzutreffende Kritik, unsere Agrarpolitik hindere die Afrikaner daran, "selbstständig für Ernährungssicherheit zu sorgen". Und er mahnt ein "faires internationales Handelssystem" an - als sei das jetzige unfair; was es nicht ist.

Völlig rätselhaft wird der ehemalige Bundespräsident bei seiner Bemerkung, Afrika sei "nicht mehr bereit, politisch veralbert zu werden". Wenn es Veralbernde gibt, dann sind es die führenden Akteure des Kontinents, die zu Lasten ihrer Völker vor allem eigene finanzielle Interessen verfolgen.

Und schließlich die unsinnige Feststellung, afrikanische Eigenverantwortung bedeute "vor allem Selbstverpflichtung unsererseits". Das Gegenteil ist richtig.

Was kann dabei herauskommen, wenn jemand mit solchen Ansichten international auf höchster Ebene, etwa im Post-2015-Prozess, als Berater wirkt?