94 Minister
Kenia
Spiegel Online
Kenias Mammutkabinett treibt das Land in den Ruin
Von Thilo Thielke
Es ist ein Irrsinns-Projekt: Fast jeder zweite Einwohner hungert - doch Kenias Große Koalition gönnt sich 94 Minister und Hilfsminister. Die Kosten dafür werden auf rund 5,5 Milliarden Dollar im Jahr geschätzt. Gespart werden soll ausgerechnet an der Armutsbekämpfung.
Nairobi - Kenias Finanzminister Amos Kimunya ist ein armer Tropf. Kaum hat sich das Land halbwegs von den blutigen Unruhen erholt, kaum haben sich die politischen Streithähne, die sich gerade noch gegenseitig an die Gurgel gegangen waren, auf eine gemeinsame Regierung geeinigt – da ist der ganze Laden auch schon pleite. Und Kimunya soll irgendwie die Rechnung bezahlen. Natürlich geht das nicht, und irgendwann wird wohl irgendeine rothaarige Entwicklungshilfeministerin einspringen. Wie das so ist in Afrika. Fragt noch jemand nach dem Sinn?
Kenias Große Koalition ist ein Projekt des Irrsinns. 42 Minister sollen das Land, das sie vor kurzem noch in Brand gesetzt haben, jetzt regieren. 52 Hilfsminister werden ihnen dabei assistieren. Insgesamt verfügt Kenia (Bruttoinlandsprodukt: gerade einmal 19,4 Milliarden Euro) damit über ein Kabinett, dem mehr als 90 Abgeordnete angehören – fast jeder zweite Parlamentarier also.
Es gibt ein Kinderministerium und eins für Jugendliche, eins für medizinische Versorgung und eins für Gesundheit, eins für "Nordkenia und andere Trockengebiete", für "Planung und die Vision 2030", für die "Entwicklung der Metropole Nairobi" und noch viele andere, die nur den schäbigen Zweck erfüllen, einer überwiegend faulen und korrupten Elite zu Macht und Geld zu verhelfen.
Mehr als die Hälfte der Kenianer lebt in Armut
Jeder der laufen kann, habe nun einen Posten, höhnte ein westlicher Diplomat in der "Frankfurter Allgemeinen". Als "Mwai Kibaki und die 40 Räuber" wird die Truppe in Kenia verspottet.
Viele Kenianer hungern. Wichtige Grundnahrungsmittel sind bei den rasant gestiegenen Preisen für viele Kenianer unerschwinglich geworden. Felder werden nicht mehr bebaut. Derzeit beträgt die Inflation des ostafrikanischen Staats rund 20 Prozent, weite Teile der Wirtschaft wurden lahmgelegt, noch immer befinden sich 140.000 Menschen in provisorischen Flüchtlingslagern.
Die bürgerkriegsähnlichen Zustände im vergangenen Januar und Februar sollen das Land vier Milliarden Dollar gekostet haben. Eine halbe Millionen Arbeitsplätze gingen dabei verloren. Und die sozialen Gegensätze verschärfen sich weiter dramatisch. Rund 56 Prozent der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze, 23 Prozent müssen sogar mit weniger als einem Dollar am Tag auskommen. 60 Prozent der Bevölkerung Nairobis vegetieren in gewaltigen Slums vor sich hin, allein im dichtgedrängten Kibera sollen bis zu 800.000 Menschen leben.
Minister arbeiten auch samstags
Und Kenias Führung? Die verhassten Abgeordneten verdienen rund 17.000 Dollar pro Monat – mehr als ein deutscher Parlamentarier. Dafür müssen sie allerdings weniger arbeiten. Der neue Premierminister Raila Odinga hat das in einem bemerkenswerten Interview, das er dem Berliner "Tagesspiegel" gegeben hat, sehr schön auf den Punkt gebracht. "Meine Partei wollte nur 25 Minister, nach langem Hin und Her sind es 40 geworden, die anderen wollten sogar 44", erklärte der Politiker gutgelaunt, "aber man kann nicht sagen, dass die Bezahlung zu hoch ist. Ein Minister bekommt nur 2000 Euro im Monat mehr als ein Abgeordneter. Aber er arbeitet jeden Tag, auch samstags. Abgeordnete haben montags frei, dienstags arbeiten sie ab 14.30 Uhr, Donnerstag früh und freitags arbeiten sie nicht."
Noch Fragen? Das ist also das Produkt wochenlanger Unruhen und monatelanger, quälender Verhandlungen, die das Land fast in den Ruin getrieben hätten. Wirft man einen genaueren Blick auf Kenias neue Machthaber, stellt man ohnehin fest, dass es überwiegend die alten sind. Der korrupte George Saitoti, schon unter dem Autokraten Daniel arap Moi Vizepräsident Kenias, ist als Innenminister wieder dabei; ODM-Scharfmacher William Ruto als Landwirtschaftsminister; Uhuru Kenyatta, der mit der Killersekte Mungiki in Verbindung gebracht wird, soll nun das ehrenvolle Amt des Handelsministers und stellvertretenden Premierministers bekleiden. Armes Kenia.
Woher soll das Geld kommen?
Aber, um auf Kenias bemitleidenswerten Finanzminister Amos Kimunya zurückzukommen: Wie soll das nun alles bezahlt werden? Er habe da einen Plan, verkündete der Minister jetzt. Zunächst will er die Ausgaben für die Wiedereingliederung der Flüchtlinge streichen. Man erinnert sich: Als die Regierung des greisen Präsidenten Mwai Kibaki, 76, im Dezember 2007 die Wahlen fälschen ließ, wurden rund 600.000 Menschen vertrieben. Sie flohen vor Mordbanden, die überall ihr Unwesen trieben, und viele wagen sich immer noch nicht zurück.
Außerdem sollen die Ausgaben für den Bau von Krankenhäusern, Schulen und Straßen gekürzt werden. Der britische Sender "BBC" schätzt, es fehlten rund 300 Millionen Dollar im aufgeblähten Staatshaushalt. Und das ist wohl noch zurückhaltend geschätzt. Unabhängige Organisationen gehen davon aus, dass der Unterhalt eines einzigen Ministeriums rund 130 Millionen Dollar im Jahr beträgt, alle 42 Ministerien zusammen kämen dann auf ein Jahresbudget von 5,5 Milliarden US-Dollar. "Allein in den nächsten zwei Monaten", berichtet die tansanische Tageszeitung "The Citizen", "werden die kenianischen Steuerzahler 33 Milliarden kenianische Schilling (rund: 345 Millionen Euro) zur Bezahlung der Großen Koalition aufbringen müssen."
Kenia stehen also turbulente Zeiten bevor. Schon ist es wieder zu Unruhen gekommen, zu Straßenschlachten, zu Toten. Der Bürgerkrieg, der Anfang des Jahres in sprichwörtlich letzter Minute verhindert wurde, könnte nur vertagt worden sein. Es scheint jedenfalls schwer vorstellbar, wie diese monströse Regierung, die zudem in zwei unversöhnliche Lager – eines um den Präsidenten Mwai Kibaki und eines um den Premierminister Raila Odinga – zerfallen ist, die Probleme Kenias lösen will.