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Beitrag vom 09.05.2014

Wall Street Journal

Weltwirtschaftsforum: Die Zukunft Afrikas steht auf dem Spiel

Von DREW HINSHAW und GABRIELLA STERN in Abuja und PATRICK MCGROARTY in Johannesburg

Von den schwer bewachten Hotels in der nigerianischen Hauptstadt Abuja aus betrachtet, in denen die Delegierten des Weltwirtschaftsforums wohnen, sieht die Zukunft Afrikas rosig aus. Es ist allerdings die Gegenwart, die den Politikern und Wirtschaftslenkern Sorgen bereiten muss.

Die Entführung von mehr als 200 Mädchen aus einer Schule und die zögerliche Reaktion der nigerianischen Regierung auf den Terror der islamistischen Miliz Boko Haram haben das Vertrauen in die inzwischen stärkste Volkswirtschaft auf dem afrikanischen Kontinent erschüttert. Die Vorfälle überschatteten auch die Eröffnung des Weltwirtschaftsforums am Mittwoch in Abuja.

Während die Teilnehmer eintrafen, kämpfte die Polizei in der Hauptstadt gegen die Islamisten. Am Dienstag hatten Letztere versucht, einen Schulbus voller Kinder zu entführen. In der jüngsten Zeit sind in Abuja mehrere Autobomben explodiert, dutzende Menschen wurden dabei getötet.

Dass ungelöste Sicherheitsfragen den Boom der Wirtschaft Nigerias überschatten, wirft ein Licht auf die harte Realität auf dem afrikanischen Markt. Zahlreiche vielversprechende Volkswirtschaften durchleben politische Krisen, werden von Devisenproblemen, Korruption und löchrigen Staatshaushalten aber in der Entwicklung gebremst. Andere Länder müssen zusätzlich gegen islamistische Aufstände kämpfen.

Selbst Afrika-Optimisten sagen, dass diese Probleme das Vertrauen der Investoren beschädigen oder zumindest auf eine harte Probe stellen. "Alles das könnte die sehr gute wirtschaftliche Arbeit zunichtemachen, die wir leisten, um unseren Kontinent zu transformieren", sagte die Außenministerin von Ruanda, Louise Mushikiwabo. "Wir müssen einen Weg finden, die Sicherheitsprobleme zu bekämpfen."

"Terror wird den Fortschritt Nigerias nicht aufhalten"

Am Donnerstag ist der nigerianische Präsident Goodluck Jonathan gemeinsam mit dem chinesischen Regierungschef Li Keqiang auf die große Bühne getreten, die ihm das Weltwirtschaftsforum bietet. Er hat die Chancen herausgestellt, die das bevölkerungsreichste Land Afrikas hat und die sie anderen eröffnet.

Investoren wie General Electric und Siemens wollen in den nächsten zehn Jahren Milliarden in die Kraftwerke Nigerias stecken. Dazu will nicht passen, dass sich die Regierung eine wenig aussichtsreiche Schlacht gegen die Islamisten von Boko Haram liefert, die den Norden des Landes terrorisieren. "Terror wird den Fortschritt Nigerias nicht aufhalten", sagte Staatschef Jonathan zwar im April, einen Tag nach Entführung der Schulmädchen. "Der Terror von Boko Haram wird vorübergehen."

Viele Manager, deren Firmen in Nigeria engagiert sind, glauben immer noch, dass die Chancen des Landes die Probleme überwiegen. Sechs von zehn der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften weltweit befinden sich laut Internationalem Währungsfonds in Afrika.

Während das Wirtschaftswachstum in den USA und in Europa mau bleibt und auch die Konjunktur in China an Tempo verliert, so wird Afrikas Wirtschaft südlich der Sahara in diesem Jahr nach IWF-Schätzung um 5,4 Prozent zulegen. Mit einem Durchschnittsalter von 19 Jahren bleibt Afrika ein junger und schnell wachsender Markt - vergleichbar mit Entwicklungsländern wie China und Indien.

"Afrika ist immer noch ein gefährlicher Ort. Aber das lenkt nicht von der offensichtlichen strategischen Bedeutung des Kontinents ab", sagt Alexander Janes von der Londoner Kanzlei Orrick, Herrington & Sutcliffe, der am Weltwirtschaftsforum teilnimmt. "Man muss das auf lange Sicht betrachten."

Afrika muss Verantwortung für sich selbst übernehmen

Doch auf kurze Sicht mehren sich die Rückschläge. In Südafrika lähmen Streiks und steigende Arbeitslosigkeit die einst brummende Wirtschaft: Im vergangenen Jahr wuchs sie nur nur noch um 1,9 Prozent. In Kenia ließ der blutige Anschlag auf das Einkaufszentrum Westgate im September den Tourismus einbrechen. Und der ölreiche Südsudan versinkt im Bürgerkrieg.

Ein junger Teilnehmer am Weltwirtschaftsforum äußerte die Sorge, dass die Ereignisse wieder das alte Vorurteil wecken, dass Afrika sich nicht selbst regieren kann und dass der Kontinent ein hoffnungsloser Fall ist.

Aber Afrika muss Verantwortung für sich selbst übernehmen. Die Probleme in Wirtschaft und Sicherheit liegen bei einer neuen Generation demokratisch gewählter Staatsführer. Einer von ihnen ist John Dramani Mahama, Präsident von Ghana. Sein Land wurde einst als die wirtschaftliche Erfolgsgeschichte Westafrikas gefeiert - ein Beschreibung, die Unternehmern aus Ghana längst nicht mehr passt. Die einst vielversprechende Volkswirtschaft leidet unter dem Abschwung der Landeswährung. Der ghanaische Cedi hat innerhalb eines Jahres fast die Hälfte seines Werts gegenüber dem Dollar verloren.

Investoren sehen die Schuld bei großen Lücken in der Handelsbilanz und Löchern im Staatshaushalt. Einige Unternehmer fordern von Mahama deshalb Ausgabenkürzungen, die ihn die Wiederwahl in zwei Jahren kosten könnten, der Wirtschaft aber langfristig helfen würden. Der Präsident gesteht Probleme ein, nennt sie jedoch kurzfristig und lösbar.

Auch wenn viele Leute sagen würden, "Ghana ist vom Weg abgekommen", erklärt Mahama im Interview mit dem Wall Street Journal, "sehen die Dinge in diesem Jahr viel besser aus." Der Staatschef fordert seine Kritiker auf, der Regierung mehr "Haushaltsspielraum" zu geben, damit ein heikler Balanceakt gelingen kann: Das Defizit beschneiden, aber gleichzeitig kein politisches Kapital zu verspielen.

Wie Ghana, Kenia, Nigeria und andere wichtige Märkte ihre Probleme überwinden, wird über die Zukunft Afrikas entscheiden, sagt Donald Kaberuka, der Präsident der Afrikanischen Entwicklungsbank. "Was in diesen Volkswirtschaften passiert, ist entscheidend", sagt er. "Dort wird die Macht der Verbraucher liegen - dorthin werden die Investitionen fließen."