Beitrag vom 07.03.2019
The Mouth, Critical Studies on Language, Culture and Society
Die Dämmerung der alten weißen Männer
Zur Kontroverse um den Afrikabeauftragten der Bundesregierung Günter Nooke
von H. Ekkehard Wolff, Universitätsprofessor i.R. für Afrikanistik (Sprachen und Literaturen), Universität Leipzig
Medien,1 Mitglieder des Bundestages2 und der deutschen scientific community3 thematisieren
eine skandalträchtige Kontroverse um den Afrikabeauftragten der Bundesregierung Günter
Nooke, die gleichsam an das Eingemachte unserer politischen und akademischen Kultur und
unserer Sicht auf Afrika rührt. In der Tat:
• skandalös ist es, von offizieller Seite mit ethisch anfechtbaren Äußerungen das Fundament
eines aufgeklärten, Wissens- und Werte-basierten europäisch-deutschen Verhältnisses zu
Afrika, seiner Geschichte, seinen Menschen, Kulturen, Sprachen, Wirtschafts- und
Gesellschaftsformen, samt den Wurzeln dieses Verhältnisses im europäischen inkl.
deutschen Kolonialismus, in Frage zu stellen;
• skandalös ist die in dieser Kontroverse zu Tage tretende Arroganz der Macht gegenüber
der Wissenschaft;
• skandalös ist, im Hintergrund, die Vereinnahmung des Diskurses über „Entwicklung“ in
Afrika durch bestimmte Wissenschaften und deren Monopolanspruch auf für die Politik
relevante „Afrika-Expertise“, einschließlich Ausgrenzung und Verzwergung „kritischer“
Wissenschaften;
• skandalös ist vor allem aber die Einschüchterung und Bedrohung der beruflichen Existenz
einer jüngeren Wissenschaftlerin, die es wagte, der Kritik an einem Alpha-Männchen der
Politik ihren guten Namen zu leihen, verbunden mit einer impliziten darüber hinaus
gehenden Drohung, gegebenenfalls das Fach Afrikanistik in seiner gesamten Breite
einzubeziehen und damit die ohnehin beschränkten Ressourcen des Faches zu schädigen.
In der Kritik stehen ethisch zweifelhafte Verhaltensweisen, deren ideologische
Verwandtschaft im imperial(istisch)en Europa bzw. Deutschland des 19. Jhs gründet: Die
Überzeugung vom Exzeptionalismus des Nordens gegenüber dem Süden in Verbindung mit
Kapitalismus und Kolonialismus sowie mit affinen archetypischen Mustern von patriarchalem
Habitus, Rassismus, und zumeist auch Sexismus. Zusammen ergibt dies eine Karikatur des aus
der Zeit gefallenen „alten weißen Mannes“.
Die Causa Nooke
2
Der Fachverband Afrikanistik, in dem sich in Deutschland arbeitende Wissenschaftler*innen
zusammenfinden, „für deren Forschung und Lehre die afrikanischen Sprachen Gegenstand
und/oder Grundlage sind“, 4 sieht sich verstrickt in eine Auseinandersetzung mit Günter
Nooke (60, CDU), „Afrikabeauftragter des Bundesministeriums für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung - Persönlicher Afrikabeauftragter der Bundeskanzlerin im
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“.5 Ausgangspunkt
ist ein Offener Brief im Namen des Fachverbands vom November 2018 an die
Bundeskanzlerin,
6 der Anstoß nimmt an Interview-Äußerungen von Nooke in der B.Z. vom 07.10.2018,
7 und der in dem Ruf nach dessen Entlassung gipfelt.
Das Imperium schlug zurück: Ein von Günter Nooke arrangierter Gesprächstermin in
Anwesenheit eines sog. Moderators, mit Prof. Dr. Dr. habil. Prof. h.c. Matthias Theodor Vogt
(59, CDU) ein weiterer alter weißer Mann aus dem Umfeld Nookes und dessen
Afrikareisegefährte, sollte für Nooke offenbar einen „Persilschein“ ausstellen, d.h. eine
Freisprechung vom Vorwurf des Rassismus, der gar nicht erhoben worden war.
8 Dies wurde verweigert. Am Ende zog die Nooke-Seite ein vom sog. Moderator vorab für das BMZ
erstelltes „Gutachten“ aus dem Ärmel, in dem gegenüber der Vorsitzenden des
Fachverbandes, eine im akademisch prekären Arbeitsverhältnis einer Junior-Professur an der
Universität Hamburg tätige Nachwuchswissenschaftlerin, quasi Vergeltung geübt und sie
gezielt einer Bedrohung ihrer beruflichen Zukunft ausgesetzt wurde. Damit wurde ein
legitimer (und überfälliger!) Dialog zu unserem Verhältnis zu Afrika zwischen
Vertreter*innen unterschiedlicher Positionen in Wissenschaft und Politik endgültig zur Causa
Nooke.
Was lehrt uns dieses?
Leider nichts Neues, vielmehr belegt es ein Verharren in alten Denk- und Handlungsmustern
aus der Mitte des vergangenen Jahrhunderts:
(1) Eurozentrismus und Orientalismus9 bleiben virulent und erlauben, wie im Offenen Brief des
Fachverbandes kritisiert, „koloniale Stereotypen“, „rassistische Untertöne“,
„diffamierende und pauschalisierende Behauptungen“ und „kolonialrevisionistische
Äußerungen“ zu Afrika sogar aus dem Munde eines Regierungsbeauftragten.
(2) Wird Politik aus Sicht einer zuständigen Wissenschaft kritisiert, gilt: Macht kommt vor
Wissen(schaft). Ethisch verwerflich dabei ist, dass
(3) Kritik an der Macht nicht widerlegt, sondern die kritische Wissenschaft durch
Diffamierung klein geredet und ggf. existenziell bedroht wird.
Äußerst ärgerlich ist dabei die verinnerlichte Kumpanei von (Afrika-)Politik und bestimmten
(systemstabilisierenden) Wissenschaften, sowie die Strategie, Kontroversen zu
personalisieren und stellvertretend zwischen ideologisch different positionierten
Wissenschaftler*innen austragen zu lassen, die dann als Einzelne angegriffen und
ausgegrenzt werden können.
3
Bei der Causa Nooke geht es nämlich nicht „nur“ um völlig inakzeptable verbale Entgleisungen
eines einflussreichen Fachpolitikers und dessen undifferenzierten Blick auf Afrika, seine
Menschen, Kulturen, Wirtschafts- und Gesellschaftsformen, das Trauma des Kolonialismus
und dessen Nachwirkungen. Die Causa Nooke hat noch einen von seiner Person unabhängigen
Hintergrund, der ihn jedoch in keiner Weise exkulpiert. Man könnte die Kontroverse um
Nooke einen Stellvertreterkrieg nennen, oder man bemüht das Bild von der Spitze des
Eisbergs: unter der Oberfläche ein Jahrzehnte alter Konflikt zwischen systemkonformen und
systemkritischen Wissenschaften. Es lohnt, diesen Hintergrund aus gegebenem Anlass noch
einmal zu erhellen.
Hintergrund
Seit Beginn der sog. Entwicklungspolitik nach Ende des europäischen Kolonialismus in Afrika
lässt sich in der deutschen Afrikapolitik eine Schlagseite beobachten, um nicht zu sagen:
Komplizenschaft, im mehr oder minder öffentlichen aber exklusiven Dialog zwischen
Entwicklungspolitik und -praxis (BMZ und Umfeld) auf der einen und Wissenschaft (mit
relevanter „Afrika-Expertise“) auf der anderen Seite, die sich letztlich auch in der medialen
Begleitung und damit der öffentlichen bzw. veröffentlichten Meinung niederschlägt. Es geht
im Prinzip um die Möglichkeit bzw. Unmöglichkeit der Einflussnahme seitens „kritischer“
Wissenschaft, die sich an der Revierbehauptung durch mainstream Platzhirsche reibt.
Es geht – historisch nicht zufällig seit 1968/69, dem Höhepunkt der Anti-Kolonialismus- und
Anti-Vietnamkriegsdebatte im Zuge der weltweiten studentischen Proteste der sog. „68er“ –
im Kern um „gesellschaftlich relevante“ Afrika-Expertise, genauer: um Deutungshoheit und
damit verbunden um politischen Einfluss. Die Frontlinien verlaufen zwischen kritischen
Geistes- und Kulturwissenschaften, wie z.B. der Afrikanistik, der Sozial- und
Kulturanthropologie (Ethnologie), Teilen der Soziologie u.a. und mainstream Wirtschafts- und
Sozialwissenschaften, die u.a. Politikberatung am BMZ betreiben und seit Beginn aller
Entwicklungspolitik den theoretischen Diskurs und die „gesellschaftlich relevante“ Afrika-
Expertise monopolisieren. Seit kurz nach Gründung der VAD (s.u.) durch Afrikanisten(!) im
Jahre 1969 gibt es den Versuch seitens der später sog. Afrikawissenschaften, die Afrikanistik
als irrelevante Nischenwissenschaft zu diffamieren und zugunsten von „gesellschaftlich
relevanten“ Wissenschaften (Ökonomie, Politologie, Soziologie) aus dem quasi Markt für
relevante Afrika-Expertise zu drängen, zuletzt belegt in einem publizistischen Scharmützel
des Jahres 2003.10 In dieser Auseinandersetzung haben wir es zu tun mit Vorwürfen der
ideologischen Beharrung, Fachidiotie und wissenschaftlicher Defizite, mit Diffamierung und
Verzwergung von Andersdenkenden. Dabei fällt unter den Tisch, dass „gesellschaftliche
Relevanz“ eine wandelbare Maxime ist. Was 1968/69 (vielleicht noch) nicht relevant war, kann
es heute durchaus sein, wie es neuere epistemologische Dekolonisierungsdebatten über (post-
) coloniality, hierarchies of race, gender, knowledge/culture etc. nahelegen, wie sie nicht zuletzt auch im Rahmen einer alternativen Southern Theory geführt werden. War die Afrikanistik 1968 vielleicht noch ein vermeintliches „Orchideenfach“ für „Silbensammler“ (so die damalige
Diffamierungsrhetorik), entwickelt sie sich inzwischen zu einer (immer noch vielfach
unterschätzten) quasi Leitwissenschaft in einem neuerlichen Dekolonisierungs- bzw. genuin
4
post-kolonialen Entwicklungsdiskurs.11 Man könnte Diffamierung mit Diffamierung
begegnen: Gilt für die von mainstream Wirtschaftswissenschaften beratene Afrika-Politik am
BMZ immer noch der „68er“ Vorwurf, sie betrieben neokoloniale Investitionsberatung für
kapitalistische Ausbeuter aus dem Norden? – Wissensakkumulation und theoretische
Erneuerung verläuft auch in den über Afrika forschenden Fachdisziplinen asynchron und
asymmetrisch. Wenn ein Ausflug in einen völlig anderen Diskurszusammenhang erlaubt ist:
Im Neuen Testament heißt es bei Matthäus 19,30 dazu: So werden die Letzten die Ersten sein und
die Ersten die Letzten.
Vor diesem Hintergrund mussten Nookes Interview-Äußerungen Kritik seitens der heutigen
Afrikanistik und anderer gesellschaftlicher Gruppen provozieren. Sie belegen inakzeptable
ideologische Beharrung (Eurozentrismus, Orientalismus), die die Exzeptionalität des
Nordens internalisiert und für die eigene Weltsicht zugleich Universalität wie Überlegenheit
beansprucht. Die Abwehr von Kritik folgt den alten Mustern von Diffamierung und
Verzwergung des Kritikers, wobei konkurrierende Wissenschaften gegeneinander in Stellung
gebracht werden. Der weiße Ritter auf Seiten der Politik (BMZ) sind die Wirtschafts-
/Sozialwissenschaften, die – im direkten Vergleich mit kritischen Geistes- und
Kulturwissenschaften – trotz inhärenter Erkenntnisdefizite die Denke in der (Afrika-) Politik
monopolisieren. Sie setzen bekanntermaßen auf eng gewählte harte (quantifizierbare) Daten,
die sich in statistische Modelle einspeisen lassen. Ggf. ebenso wichtige, wenn nicht gar
wichtigere weiche und qualitativ aussagekräftige Daten, wie sie etliche Geistes- und
Kulturwissenschaften liefern können, werden nicht rezipiert, wenn und weil nicht
quantifizierbar. Es herrscht ja keine akademische Waffengleichheit zwischen den Lagern:
Während z.B. Afrikanisten, der komplexen Natur des Forschungsgegenstandes Sprache und
deren Einbettung in menschliche communities of linguistic and sociocultural practice geschuldet,
meist automatisch offen sind für Fragestellungen aus anderen kultur-, sozial- und ggf.
wirtschaftswissenschaftlichen Disziplinen, gilt dies in der Umkehrung nicht: mainstream
Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler erhalten schon während des Studiums keinen wie
auch immer gearteten systematischen Zugang zu Semiotik und Pragmatik verbaler
Kommunikation – und die ist nun einmal Voraussetzung aller gesellschaftlichen und
ökonomischen Aktivitäten. Ihnen haben bereits Halliday & Martin (1993:11) ins Stammbuch
geschrieben: Human history is as much a history of semiotic activity as it is of socio-economic
activity.12 Zudem bleiben sie der Gnade ggf. zweifelhaft qualifizierter Dolmetscher*innen
ausgeliefert, sofern sie sich überhaupt auf der Graswurzelebene der
Entwicklungszusammenarbeit bewegen, während Afrikanist*innen sich ggf. einer
afrikanischen Sprache bedienen und ihre Daten quasi im Originalton erheben können. Im
Allgemeinen tummeln sich Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler*innen aus dem Norden in
Afrika nur dort, wo man Englisch oder Französisch spricht, das sind in der Regel die (post-
)kolonial assimilierten weniger als 20 Prozent der einheimischen Bevölkerung zumeist auch
nur in den Städten und Tourismuszentren, die, wenn nicht im Tourismus, in Regierung,
Verwaltung, Bildungssystem und im formalen Sektor der Wirtschaft tätig sind und eine
minoritäre Gruppe bilden, die sich bewusst durch ihre sprachliche Präferenz der Ex-
5
Kolonialsprache von der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung abgrenzt. Auf der
Graswurzelebene der Entwicklungskommunikation in Afrika bedient man sich fast
ausschließlich afrikanischer Sprachen, in denen dann auch wichtige empirische Primärdaten
anfallen, zu denen wiederum Afrikanisten unmittelbaren Zugang haben. Natürlich leiten
Afrikanist*innen hieraus einen gewissen Hochmut gegenüber den Kolleg*innen von den sog.
African Studies ab und zitieren gern, was man in Afrika sagt: African Studies is everything that
you can read about Africa in English. Klar, niemand lässt sich gern vermeintliche oder echte
Defizite in seiner Arbeit vorhalten, gelegentlich reagiert man darauf aggressiv. Die dann
gängigen Strategien sind Ausgrenzung und Verzwergung des Kritikers.
In der Causa Nooke wird die wissenschaftstheoretische Verzwergung der Kritiker aus Reihen
der Afrikanistik besonders krass deutlich in der Ausgrenzungsrhetorik des „Gutachtens“ des
sog. Moderators,13 der hier nicht moderiert, sondern einseitig die mainstream Positionen seiner
Auftraggeber im BMZ antizipiert.
So süffisant wie zutreffend wird die Afrikanistik im BMBF-geförderten Portal „Kleine Fächer“
lokalisiert (der Leser mag dann „klein“ mit „unbedeutend, eigentlich überflüssig“
assoziieren). Dies verzwergt die immensen wissenschaftlichen Herausforderungen des
Faches, deren Art und Umfang (nach Ethnologue 2019 gibt es allein 2.140 separate afrikanische
Sprachen) eine enorme überfachliche theoretische Breite und methodische Vielfalt
voraussetzt.14 Der Gutachter benennt konsequent auch die geringe Zahl von Professuren an
insgesamt ohnehin nur acht deutschsprachigen Universitäten, aber verschweigt die
beispielhafte internationale Vernetzung der Afrikanistik, die dies zu kompensieren geeignet
ist. Er spricht dann gleich zweimal geringschätzig von einer Verkürzung der „Wissenschaft
von Afrika“ [sic!] auf linguistische Aspekte. Dies ist nun aber gleich zweifacher Unsinn, denn
erstens: eine „Wissenschaft von Afrika“ gibt es nicht, und das ist auch gut so, denn sie wäre
theoretisch und methodologisch nicht zu begründen und versänke vermutlich im
ideologischen Sumpf von Essenzialismus und Rassismus (Grundmotiv: „in Afrika ist alles
anders“). Daher kann sie auch nicht, zweitens, „[auf linguistische Aspekte] verkürzt“ werden.
Um die kritische Afrikanistik weiter zu verzwergen, stellt ihr das „Gutachten“ das
Selbstverständnis der Schweizerischen Gesellschaft für Afrikastudien (SGAS) und der
Vereinigung für Afrikawissenschaften in Deutschland (VAD) entgegen. Dies ist genauso
unsinnig wie unlauter, da es sich bei der Afrikanistik um eine autonom organisierte
Einzelwissenschaft (mit einem eigenen bei der DFG akkreditierten Fachverband) handelt, bei
SGAS und VAD hingegen um Verbünde (Area Studies), die satzungsmäßig mehrere
verschiedene Disziplinen vereinigen.
Des Weiteren moniert der Gutachter im Falle der Afrikanistik den Ausschluss der „Vielzahl
der mit der Frankophonie befassten Romanisten Deutschlands und anderer Afrika-Expertise“. Auch hier ist der Gutachter doppelt uninformiert. Erstens: Afrikanisten widmen sich längst und zunehmend der Frankophonie, Anglophonie, Lusophonie, Germanophonie, Arabophonie etc. im Blick auf deren Rolle in afrikanischen Kulturen und Gesellschaften, wobei sie oft mit Romanist*innen, Anglist*innen, Germanist*innen etc. zusammenarbeiten,
6
die natürlich in ihren eigenen Fachverbänden organisiert bleiben. Zweitens: Die vermisste
Einbeziehung „anderer Afrika-Expertise“ belegt wieder nur die Unfähigkeit, Afrikanistik als
akademische Einzeldisziplin mit fachspezifischem Objekt und Fokus und die sog.
Afrikawissenschaften als additiv-multidisziplinären Verbund auseinanderzuhalten. Es lässt
auch die Erkenntnis vermissen, dass verbale Kommunikation – in Afrika in mehr als 2.000
einheimischen und importierten Sprachen – Grundlage aller sozialen, kulturellen politischen
und wirtschaftlichen Aktivitäten ist, und damit eine völlig unterschätzte Querschnitts-
voraussetzung auch für die Erforschung kultureller, politischer, sozialer und wirtschaftlicher
Zusammenhänge.
Für das Stammbuch: Als Faustregel für den deutschen Sprachraum gilt, dass bei Afrikanistik
in der Regel die Sprachen im Zentrum stehen, bei den Afrikawissenschaften tun sie es gerade
nicht, sie bleiben oft sogar außen vor. Beides zusammen ergibt einen Afrika-bezogenen
Wissenschaftskomplex, den manche inzwischen Afrikastudien nennen (man vergleiche die
rezente Umbenennung des Instituts für Afrikanistik an der Universität Leipzig).
Wie weiter?
Arroganz der Macht, wissenschaftliche Einseitigkeit, diffamierende Verzwergung von
Kritikern, patriarchaler Habitus mit Drohgebärden ließen den Termin zwischen dem
Afrikabeauftragten der Bundesregierung und den Vertreter*innen des Fachverbands
Afrikanistik offenbar in einem Fiasko enden. Dabei ist ein umfassender konstruktiver Dialog
zwischen Politik und Wissenschaft zur deutschen und europäischen Afrika-Politik längst
überfällig. Hier wurde enormes Potenzial verspielt. Es gibt daher nur Verlierer. Ohne
innovativen input seitens aller relevanten Wissenschaftsdisziplinen einschließlich der
Afrikanistik bleibt unsere Afrikapolitik im Gestern, wenn nicht im Ewig-Gestrigen, hängen.
Wir brauchen eine neue Dekolonisierungsdebatte, wie sie z.B. die Vertreter der jungen
Southern Theory führen, die etwa in Südafrika an den Universitäten und in der Öffentlichkeit
längst im Gang ist. Ziel wäre, das ideologisch erstarrte angemaßte Wissens- und
Interpretationsmonopol des Nordens über den Süden zu erschüttern und von dort aus zu
befruchten. Diese Debatte müssen verschiedene Fachwissenschaften untereinander und
gemeinsam mit der Politik, nicht gegeneinander, führen. Das heißt, die Politik muss von
ihrem hohen Ross (der Arroganz der Macht) herabsteigen, wie auch die jeweilige
Wissenschaft von dem ihren (der Arroganz des Wissens), in die Niederungen des mitunter
frustrierenden Dialogs mit Nicht-Initiierten von außerhalb der Zeit überholten jeweiligen old
white boys networks.
1 https://www.sueddeutsche.de/politik/afrikabeauftragter-der-bundesregier…-
die-verbrechen-der-kolonialzeit-zu-relativieren-1.4167274
https://www.heise.de/tp/features/Duerfen-Wissenschaftler-Politiker-zum-…-
4310739.html
7
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1112295.afrikabeauftragter-gue…-
braune-brief.html
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/guenter-nooke-afrikabeauftrag…-
bundesregierung-von-despoten-lernen-a-1254316.html
2 https://www.gruene-bundestag.de/presse/pressestatements/2019/februar/ot…-
berichten-ueber-das-gespraech-zwischen-dem-afrika-beauftragten-der-bundesregierung-guenter-
nooke-und-dem-fachverband-afrikanistik.html
3 http://115940.seu2.cleverreach.com/m/11249991/
https://www.dgska.de/stellungnahme-zu-afrika-beauftragtem-nooke
4 http://www.uni-koeln.de/phil-fak/afrikanistik/fv/
5 https://www.bmz.de/de/ministerium/leitung/nooke/index.html
6 http://www.uni-koeln.de/phil-fak/afrikanistik/fv/down/Offener%20Brief.p…
7 https://www.bz-berlin.de/deutschland/afrikabeauftragter-guenter-nooke-d…-
afrika-mehr-geschadet-als-die-kolonialzeit
8 https://themouthjournal.com/2019/02/18/ohne-gebaeck/
9 Vgl. Said, Edward. Orientalism. New York: Pantheon. 1978.
10 Vgl. dazu den Disput im Afrika Spectrum 38(1): 111–123, 38(2): 245–250, 251–253 (2003) mit
Beiträgen von Ulf Engel (Gedanken zur Afrikanistik: Zustand und Zukunft einer
Regionalwissenschaft in Deutschland), Thomas Bierschenk (Brauchen wir mehr Afrika-Politologen
und weniger Äthiopisten?), und Mechthild Reh (Plädoyer für eine Stärkung der Afrikaforschung,
die afrikanische Sprachen als gesellschaftliches Gestaltungs-, Interpretations- und
Ausdrucksmedium ernst nimmt).
11 Vgl. Wolff, H. Ekkehard: Language and Development in Africa. Perceptions, Ideologies and Challenges.
Cambridge: Cambridge University Press. 2016.
12 Halliday, M. A. K. and J.R. Martin. Writing Science: Literary and Discursive Power. London: The
Falmer Press.
13 http://115940.seu2.cleverreach.com/m/11249991/
14 Vgl. The Cambridge Handbook of African Linguistics, ed. by H. Ekkehard Wolff. Cambridge:
Cambridge University Press. 2019.
https://themouthjournal.com/2019/03/07/die-daemmerung-der-alten-weissen…