Beitrag vom 19.07.2019
FAZ
Nigerias Filmindustrie zieht internationale Investoren an
Von Claudia Bröll, Kapstadt
Der französische Fernsehsender Canal-Plus kauft die führenden Filmstudios Nigerias. Auch Netflix ist dort schon vertreten. Nollywood wird zu einer der wichtigsten Branchen des Landes.
Mit großen Gefühlen und viel Drama halten Nigerias Filmemacher seit Jahrzehnten die Zuschauer in der bevölkerungsreichsten Volkswirtschaft Afrikas im Bann. Nollywood, wie die dortige Film- und Fernsehindustrie genannt wird, ist gemessen an der Zahl der Produktionen die Nummer zwei auf der Welt hinter Indiens Bollywood. Außerhalb Afrikas jedoch sorgte die Branche lange Zeit für wenig Aufsehen. Das ändert sich gerade.
Anfang dieser Woche gab der französische Fernsehsender Canal-Plus, ein Teil des Medienkonzerns Vivendi, die Übernahme der ROK Studios bekannt, die führenden Filmstudios des Landes, die beispielsweise die beliebte Fernsehserie „Husbands of Lagos“ produzieren. Der französische Sender will mit der Akquisition auf dem afrikanischen Kontinent, insbesondere im frankophonen Afrika, expandieren. Schon jetzt strahlt er dort das Programm Nollywood TV aus mit nigerianischen Filmen in französischer Sprache. Der Kauf der Studios ermögliche es, jetzt auch selbst zu produzieren, hieß es in einer Mitteilung.
Viele Herausforderungen
Die Gründerin der Studios, die 34 Jahre alte Schauspielerin und Produzentin Mary Njoku, sprach von einem positiven Signal für die nigerianische Filmindustrie: „Unsere Filmemacher müssen etwas richtig machen, wenn sich ein so großes internationales Unternehmen dafür interessiert.“
Nigerias Filmindustrie hat sich seit den neunziger Jahren rasant entwickelt. Nach einem Bericht von Pricewaterhouse-Coopers habe der Unterhaltungssektor 2016 umgerechnet knapp 700 Millionen Dollar erwirtschaftet und 2,3 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt beigesteuert. Die Filmindustrie hatte daran einen erheblichen Anteil.
Netflix in Nigeria
Neben Canal-Plus verfolgen auch andere die Entwicklung aufmerksam. Der chinesische Bezahlfernsehsender Star Times beispielsweise ist schon stark in Afrika vertreten. Auch Netflix wittert Potential. Nachdem der amerikanische Videodienst schon mehrere nigerianische Filme ins Programm genommen hatte, präsentierte er im Januar dieses Jahres unter viel Rummel „Lionheart“, den ersten nigerianischen Film, der eigens für Netflix gedreht wurde. Er erzählt die Geschichte einer Frau, die in die männerdominierte Logistikindustrie einsteigt, als ihr Vater krank wird.
Doch viele Herausforderungen bleiben. Stromausfälle, wacklige und teure Internetverbindungen erschweren das Streaming von Filmen. Die Produktpiraterie beschert Nigerias Filmemachern hohe Einnahmeneinbußen. Auch wegen des Kapitalmangels besteht das Erfolgsrezept von Nollywood bisher darin, möglichst viele Filme zu niedrigen Kosten auf den Markt zu bringen.
Dass die Qualität darunter litt, nahmen die eingefleischten Nollywood-Fans hin. Viele Produzenten hoffen nun, dass das Interesse internationaler Konzerne zu einem qualitativ hochwertigen Angebot führt, das sich auch außerhalb des Landes vermarkten lässt. Einige Erfolge gibt es schon zu vermelden. Der Spielfilm „Chief Daddy“ beispielsweise ist gerade der erfolgreichsten Filme Nigerias. Seit Netflix die globalen Streaming-Rechte erwarb, können nun Abonnenten auf der ganzen Welt die Geschichte verfolgen. Noch vor wenigen Jahren wäre dies undenkbar gewesen.