Beitrag vom 10.01.2022
FAZ
SÖLDNER-GRUPPE WAGNER
Russische Söldner in Mali gesichtet
Berichte über das Auftauchen der Gruppe Wagner stellen die Beziehungen des Landes zum Westen auf die Probe.
Von Claudia Bröll
Weniger als einen Monat ist es her, seit französische Truppen ihren Stützpunkt in Timbuktu verlassen haben. Jetzt sind in der historischen Wüstenstadt und an anderen Orten in Mali wohl mehrere Hundert russische Söldner angekommen. Wie Beobachter in der Hauptstadt Bamako mit Verweis auf unterschiedliche Quellen berichteten, wurden auch Mitglieder der russischen Söldnertruppe Wagner gesichtet. Nach Berichten französischer Medien soll es ein Gefecht zwischen ihnen und Dschihadisten gegeben haben. Die malische Regierung indes streitet einen Vertrag mit der Wagner-Gruppe weiterhin ab. Nach ihren Angaben handelt es sich um russische Ausbilder auf Basis eines bilateralen Abkommens mit Moskau. „Wir hatten Lieferungen von Flugzeugen und Gerät“, sagte ein Sprecher der Armee der Nachrichtenagentur Reuters. „Es ist für uns viel günstiger, wenn sie uns hier trainieren. Wo ist das Problem?“
Nicht nur die Vereinigten Staaten, sondern auch europäische Regierungen sowie die westafrikanische Staatengemeinschaft ECOWAS haben immer wieder hervorgehoben, dass sie die von dem Oligarchen Yevgeniy Prigozhin gegründete Söldnereinheit in Mali nicht tolerieren. Unmissverständlich hatten sie mit einem Ende ihres militärischen und zivilen Engagements gedroht. Sie werfen der Wagner-Gruppe schwere Menschenrechtsverletzungen in Staaten wie der Zentralafrikanischen Republik, Libyen, Syrien und der Ukraine vor. Frankreich, Deutschland und dreizehn andere europäische Staaten sowie Kanada hatten in einer gemeinsamen Erklärung kurz vor Weihnachten die Stationierung von Söldnertruppen „entschieden verurteilt“. Die Sicherheitslage in Westafrika werde sich dadurch weiter verschlechtern und die Bemühungen der internationalen Gemeinschaft um den Schutz der Zivilbevölkerung und die Unterstützung der malischen Streitkräfte behindern. „Wir bedauern zutiefst die Entscheidung der malischen Übergangsbehörden, die ohnehin knappen öffentlichen Mittel für die Bezahlung ausländischer Söldner zu verwenden.“ Das amerikanische Außenministerium hatte sich zuvor ähnlich geäußert und die Kosten für den Einsatz der Wagner-Gruppe auf zehn Millionen Dollar im Monat beziffert. Die Vereinigten Staaten und die EU haben die Wagner-Gruppe mit Sanktionen belegt.
Wahlen in weiter Ferne
Die Berichte über das Auftauchen der Söldner dürften die Beziehungen zwischen der malischen Militärregierung und den westlichen Staaten jetzt einer weiteren harten Bewährungsprobe unterziehen. Für die Bundeswehr ist der Einsatz in Mali nach dem Abzug aus Afghanistan der größte und gefährlichste. Bis zu 600 deutsche Soldaten sind an der EU-Ausbildungsmission EUTM beteiligt, bis zu 1100 weitere an der UN-Mission Minusma. Die beiden Bundeswehrmandate laufen noch bis Ende Mai dieses Jahres. Frankreich ist am stärksten in Mali engagiert, hat aber im vergangenen Jahr einen teilweisen Truppenabzug beschlossen.
Am Sonntag haben sich die westafrikanischen Staaten auf einem ECOWAS-Sondergipfel in Accra auf harte Sanktionen gegen Mali geeinigt. Wie es in der Abschlusserklärung hieß, werden die Landesgrenzen geschlossen, alle nicht lebenswichtigen Handelsbeziehungen und alle Finanzmittel Malis bei der ECOWAS-Zentralbank eingefroren. Zudem werden sämtliche Botschafter der Staatengruppe aus Malis Hauptstadt Bamako abgezogen. Die Staatengemeinschaft dringt, wie auch westliche Staaten, auf Wahlen im Februar. Doch nirgendwo im Land sind Wahlvorbereitungen erkennbar. Ende Dezember hatte die Regierung eine längere Übergangsfrist von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, beginnend im Januar dieses Jahres, beschlossen. Darauf hätten sich die mehr als 80 000 Teilnehmer an einem „nationalen Dialog für den Wiederaufbau“ geeinigt. In dieser Zeit könnten die Behörden „glaubwürdige, faire und transparente Wahlen“ vorbereiten. Beobachter nannten den Dialog ein geschicktes Manöver in einer Zeit, in der sich die meisten Diplomaten im Land im Weihnachtsurlaub befanden. Kurz vor dem ECOWAS-Sondergipfel jedoch hatte die Regierung von Mali einen neuen Zeitplan angekündigt, ohne Details zu nennen.
Putsch, Kämpfe, Amtsenthebung
Seit 2012 wüten in Mali islamistische Terrorgruppen. Große Teile des Landes befinden sich unter Kontrolle bewaffneter Gruppen, zu denen auch nichtislamistische Rebellen und Banditen gehören. Seit einem abermaligen Putsch im Mai hat Mali keine zivile Regierung. Das Militär hatte im August 2020 unter der Führung des 39 Jahre alten Oberst Assimi Goïta den damaligen Präsidenten gestürzt. Auf internationalen Druck hin wurde damals eine zivile Übergangsregierung ernannt, allerdings mit Goïta als Vizepräsidenten und anderen Militärvertretern in wichtigen Positionen. Nur neun Monate später vertrieb das Militär den Präsidenten und Regierungschef aus den Ämtern. Goïta wurde, wie ursprünglich geplant, Präsident.
Der Militärjunta gelinge es immer wieder, ihre Entscheidungen trotz internationalen Widerstands durchzusetzen, beobachtet Ornella Moderan vom Institute for Security Studies in Bamako. Daraus sollten die internationalen Partner Lehren ziehen und sollten auf Dialog setzen. „Die malischen Behörden als diplomatische Untergebene zu behandeln, ihre Erklärungen zu ignorieren und zu hoffen, sie unter Druck zu setzen, funktioniert einfach nicht.“ Dies zeige auch das Debakel um einen Wagner-Einsatz. Sanktionen und Drohungen würden außerdem von vielen Maliern abgelehnt, die auf ihre nationale Souveränität pochten.