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Beitrag vom 27.07.2023

FAZ

NIGER

Schwierige Zeiten für die Bundeswehr in Westafrika

Über Niger läuft das Drehkreuz für die deutsche Mali-Mission. Nach dem Putsch steht es erst mal still.

Von Peter Carstens

Für die Bundeswehr droht die Lage ih­rer Kontingente in Afrika außer Kon­trolle zu geraten. Nachdem die Putschisten in Niger den Luftraum vor­läufig gesperrt haben, sind sowohl die rund 100 deutschen Soldaten auf dem Flugplatz in Niamey als auch die etwa 1000 Soldaten in Gao derzeit abgeschnitten. Für das Kontingent in Mali bedeutete das bei einer Fortdauer des Flugverbots, sowohl von Personal als auch von Vorräten und medizinischer Notversorgung abgeschnitten zu werden. Im malischen Gao, wo sich die Sicherheitslage seit Monaten immer mehr verschlechtert und die Bundesregierung den überfälligen Abzug lange verzögert hat, ist das Kontingent im Notfall zudem auf einen medizinischen Rettungsflieger angewiesen, der innerhalb kürzester Zeit Schwerverletzte rasch nach Niamey ausfliegen könnte, wo es sowohl ein deutsches als auch ein französisches Lazarett gibt. Nach Angaben des Einsatzführungskommandos in Potsdam steht weiterhin der strate­gische Rettungsflug zur Verfügung, für den allerdings ein sogenannter Med­Evac mehrere Stunden aus Köln-Wahn nach Gao fliegen müsste.

Im Verteidigungsministerium, wo man seit dem Rauswurf der internationalen MINUSMA-Mission aus Mali bereits mit einem stark beschleunigten Abzug von Soldaten und Material zu kämpfen hat, müssen seit Mittwoch die Notfallpläne überdacht werden, die stets vorsahen, im Falle eines Falles von Gao aus auf dem Landweg rasch Niger zu erreichen, das scheinbar sichere Land. So wie das Auswärtige Amt hat auch die Bundeswehr das Sahelengagement nach dem Scheitern in Mali stark auf Niger ausgerichtet, wo die demokratisch gewählte Regierung und ein von vielen Ländern umsorgtes Militär ein freundliches Umfeld zu bieten schienen.

In Bamako hingegen hatten die dortigen Militärmachthaber mit ihrem strikt antifranzösischen Kurs und unter dauernder Schikane, auch gegen das deutsche Kontingent, den Abzug erzwungen. Sie setzten dabei immer mehr auf russische Waffen und die Söldnergruppe Wagner. Unklar ist derzeit, ob die nigrischen Putschisten sich gegen die bisherigen westlichen Unterstützer wenden oder aber als Garanten stabiler Verhältnisse auftreten wollen.

Nahe der nigrischen Hauptstadt Niamey liegt das Luftdrehkreuz zur Versorgung der Einsatzkräfte in Mali, hier ist auch das zivile Evakuierungsflugzeug einer südafrikanischen Firma stationiert, das Verletzte oder Verwundete aus Mali ausfliegen könnte. Der Stützpunkt dient als Drehkreuz zum Verwundeten-, Personen- und Materialtransport. Die Bundeswehr plant bislang, zumindest einen Teil des bevorstehenden Abzugs aus Mali über Niamey durchzuführen. Bereits seit einiger Zeit wird der gesamte Personaltransport nach Mali über diesen Flugplatz abgewickelt, im Einsatz sind un­ter anderem A400M Transporter der Luftwaffe.

Zudem haben Bundeswehr und französische Streitkräfte in den vergangenen zehn Jahren erheblich in den Ausbau des Standortes investiert, unter anderem in das genannte Feldlazarett auf dem Niveau eines Kreiskrankenhauses. Weiterhin wurden Start- und Landebahnen ausgebaut, Hallen errichtet, Materiallager aufgebaut. Als Gegenzug für die Gastfreundschaft hatte Deutschland der Armee des Landes seit Jahren eine erhebliche Anzahl von Militärfahrzeugen geliefert, aber auch moderne Aufklärungstechnik. Nach dem Abzug aus Mali hatte außerdem Frankreich einen Teil seiner Truppen, darunter Fremdenlegionäre, an den Flugplatz Niamey verlegt. Sie starten von dort aus ihre Antiterrorein­sätze. Diese französischen Truppen sind derzeit auch die Garanten für die Sicherheit der deutschen Soldaten vor Ort, die überwiegend aus dem Bereich Logistik und Versorgung kommen.

Deutschland hatte sowohl die zivile als auch die militärische Zusammenarbeit in den letzten Jahren ausgebaut. So wurden sowohl in der Hauptstadt als auch im entlegenen Tillia im Norden das Landes bilaterale Ausbildungsprojekte durchgeführt. In Tillia hatten seit 2018 bis zum Frühjahr Angehörige des Kommandos Spezialkräfte der Marine (KSM) spezialisierte Kräfte der nigrischen Armee ausgebildet. Die Mission, bei der jeweils ein Partnerbataillon militärisch ertüchtigt wurde, galt im Vergleich zu den breitgefächerten Mali-Ausbildungen als ein Erfolgsmodell.

Die Stärkung der Armee diente insbesondere ihrer Befähigung im Antiterrorkampf gegen Islamisten. Solda­ten der deutschen „Joint Special Ope­rations Task Force Gazelle“ konnten dabei aus ihrer Sicht gute Ergebnisse erzielen. Deutschland hat bei Tillia ei­ne Schule für Spezialkräfte errichtet, die erst kürzlich der nigrischen Seite übergeben wurde. Die Bundesregierung hat dort etwa acht Millionen Euro für Gebäude und rund 43 Millionen für Waffen, persönliche Ausrüstung und Fahrzeuge investiert. In den vergangenen vier Jahren wurden im Wüstencamp Tillia rund 900 Angehörige des 41. Bataillons der nigrischen Spezialkräfte ausgebildet und modern ausgestattet. In der benachbarten Kaserne der nigrischen Armee waren seit Ostern Kommandosoldaten der Amerikaner, Belgier und Briten dabei, Folgeprojekte zu planen.

Auch personell gibt es Verbindungen, auf die man sich verlassen wollte. So pflegte der deutsche Generalinspekteur mit dem Chef der nigrischen Streitkräfte ein gutes Verhältnis. Sa­lifou Mody ist ein General, der als Mi­litärattaché bereits Jahre in Berlin verbracht hat und fließend Deutsch spricht. Ob der Viersternegeneral in den Putsch verwickelt ist, ist unklar, im Fernsehen tauchte zunächst nur ein Oberst Amadaou Abdramane der Präsidentengarde auf. Im Hintergrund war allerdings ein Brigadegeneral zu sehen, der als Chef jener rund 900 Soldaten gilt, die von der Bundeswehr in Tillia ausgebildet wurden, darunter das 41. Bataillon der nigrischen Spezialkräfte. Der Einsternegeneral Moussa Salaou Barmou hatte dem deutschen Generalinspekteur im vergangenen No­­vember die Fähigkeiten seiner Soldaten vorgeführt. Nigers Armee hat derzeit etwa 39.000 Soldaten, sie wollte bis 2025 auf 50.000 Angehörige wachsen. Dafür hoffte man auf Geld aus dem Westen.