Beitrag vom 11.04.2024
spiegel.de
Streit über Trophäen-Einfuhrverbot
Warum die Jagd auf Wildtiere in Afrika sinnvoll sein kann
Ein Kommentar von Afrika-Korrespondent Heiner Hoffmann
Man kann die weißen Männer widerlich finden, die neben erschossenen Elefanten oder Zebras posieren und sich Jagdsouvenirs ins Wohnzimmer hängen. Aber die Einfuhr von Trophäen zu verbieten, ist kontraproduktiv.
Diese Meldung ging um die Welt: Botswana will 20.000 Elefanten nach Deutschland schicken, aus Protest gegen strengere Regeln bei der Einfuhr von Jagdtrophäen. Dort müssten sie natürlich artgerecht gehalten werden. Das sagte Präsident Mokgweetsi Masisi in einem Interview mit der »Bild«-Zeitung. Manche Leserin und mancher Leser hatte wohl schon die Bilder vor Augen: Herden von Dickhäutern im Englischen Garten in München, im Stadtpark von Hamburg, im Tiergarten von Berlin.
Natürlich war das ein PR-Gag, auch wenn der botswanische Präsident betonte, dass er es ernst meine. Hinter seiner Ankündigung steckte die Wut über den neuesten Moralappell des Westens in Form neuer Beschränkungen beim Aufregerthema Jagd.
Das von Steffi Lemke (Grüne) geführte Bundesumweltministerium will sich auf EU-Ebene dafür einsetzen, die Einfuhr von Jagdtrophäen restriktiver zu handhaben, auch beispielsweise Krokodile und Giraffen sollen dadurch jetzt besonders geschützt werden. Ursprünglich plante die Ministerin sogar noch, Importe nach Deutschland »im Einzelfall« ganz verbieten zu wollen. Dann hätte es womöglich auch die botswanischen Elefanten erwischt, sehr zum Unmut von Präsident Masisi. Zwar ruderte die Ministerin – wohl auch auf den Druck aus Afrika hin – nun zurück: Ein Verbot sei nicht mehr geplant, heißt es aktuell in einer schriftlichen Antwort an den SPIEGEL. Andere europäische Länder wie Frankreich und Belgien haben die Einfuhr von Trophäen gefährdeter Arten wie den Afrikanischen Elefanten hingegen bereits ganz verboten. In Großbritannien ist Ähnliches geplant. Dabei sind solche Vorstöße weitgehend ideologischer Natur.
In der EU gelten die Elefanten aus Botswana als besonders schützenswert. Dabei tummeln sich 130.000 Dickhäuter in dem südafrikanischen Land, die größte Population der Welt, nach vielen Jahren des erfolgreichen Naturschutzes ist sie nicht gefährdet. Im Gegenteil, wie in mehreren afrikanischen Ländern werden die vielen Elefanten zum Problem: Sie fressen die Vegetation weg, zertrampeln Felder, es kommt zu Mensch-Tier-Konflikten. Zudem ist der Naturschutz teuer. Botswana setzt daher auf die Jagd. Reiche Touristen aus dem Westen kommen und schießen Wildtiere wie Zebras oder Elefanten, nehmen sich eine Trophäe mit nach Hause, ein Stück Haut, einen Schädel oder Zähne. Dafür zahlen sie ein Vermögen. Das spült viel Geld in die Kassen der Regierung und Gemeinden, und nebenbei werden sie auch noch ein paar überschüssige Tiere los.
Der Streit zwischen Deutschland und der botswanischen Regierung hat viele Dimensionen. Es geht um Neokolonialismus, die Bevormundung Afrikas, um Klischees und Stereotype. »Es ist sehr einfach, in Berlin zu sitzen und eine Meinung zu haben über unsere Angelegenheiten in Botswana«, schimpft Präsident Mokgweetsi Masisi.
Ja, man kann diese älteren weißen Männer und Frauen widerlich finden, die Elefanten oder Löwen schießen, dann neben den erlegten Tieren für ein Foto posieren und sich das Jagdsouvenir ins Wohnzimmer hängen. Man kann belächeln, dass sie sich wie starke Typen fühlen, die die wilde Natur Afrikas bezwungen haben, denn darum geht es vielen tatsächlich.
Aber man kann auch die andere Seite der Geschichte sehen: Man kann mit Betreibern privater Wildschutzgebiete sprechen, die von der Jagd leben und gleichzeitig die Natur schützen, die die Tierpopulation genau unter Kontrolle halten. Europäische Nichtregierungsorganisationen argumentieren gern, dass die Jagd vor allem Gefahren berge. Viele Experten sehen das anders. Sie kann als Einnahmequelle, wenn sie gut reguliert wird, dem Naturschutz helfen, auch wenn das absurd klingt.
Das Geschäft ist jetzt schon streng reguliert
Außerdem sind strengere Importregeln oder gar ein Importverbot für Jagdtrophäen weitgehend wirkungslos für den Artenschutz. Denn schon jetzt dürfen Trophäen besonders gefährdeter Arten nur mit entsprechenden Nachweisen eingeführt werden. Der Importeur muss belegen, dass damit der Tierbestand nicht gefährdet wird. Von 138 entsprechenden Anträgen in Deutschland wurde im Jahr 2022 kein einziger abgelehnt. Auch in den Hauptjagdländern Botswana, Namibia und Südafrika ist das Geschäft streng reguliert, es gibt Ausfuhrbeschränkungen, die Länder haben es weitgehend selbst im Griff. Sie brauchen keine mahnenden Worte oder Gesetze aus Europa. Für weniger regulierte Länder greifen die bestehenden Regeln in Deutschland gut.
Die wirkliche Gefahr für bedrohte Tierarten geht nicht von weißen Großwildjägern aus, sondern von Wilderern. Das sind oft gut organisierte Banden, die unter anderem Elefanten, Nashörner oder Löwen jagen, um die Stoßzähne, Hörner und Knochen nach Asien zu schmuggeln – ganz gewiss nicht als deklarierte Jagdtrophäen. Auch die Zerstörung des Lebensraums der Tiere, durch Bauprojekte oder Pipelines in Nationalparks, ist ein gewaltiges Problem.
Nun wird die Debatte über die Jagd aber oft nicht mit nüchternen Argumenten geführt, sondern emotional. Nichts wirkt heftiger als ein Foto eines erlegten Elefanten, neben dem Männer oder Frauen mit Gewehren posieren. Dabei überlagern sich mehrere Ebenen: Zum einen wird Afrika als Kontinent der wilden Tiere wahrgenommen, die es unbedingt zu schützen gilt, als eine Art riesiger Freilandzoo, in dem Menschen höchstens in traditionellen Outfits Speere halten und Touristen beschützen. Das in Europa ausgeprägte Afrikabild ist in weiten Teilen rassistisch, das erlebt man als Korrespondent immer wieder.
Und diese problematische Weltsicht macht auch vor den vermeintlich Guten, den Beschützern der Natur, den Nichtregierungsorganisationen im Umweltbereich mit ihren riesigen Budgets, nicht Halt. Über Jahrzehnte haben sie auf den sogenannten Festungsnaturschutz gesetzt, auf Zäune um Schutzgebiete, die Einheimischen wurden vertrieben und ihrer Lebensgrundlage beraubt. Nur selten ging es um ein Miteinander, um einen Interessenausgleich zwischen Mensch und Natur. Man kann das als Bevormundung, gar als Ignoranz begreifen. Zumal jene, die sich für die afrikanische Natur einsetzen, oft weiß sind und mit großen SUV durch Afrikas Hauptstädte fahren.
Auch die deutsche Entscheidung, den Import von Jagdtrophäen einschränken zu wollen, ist laut Presseberichten auf Druck von Umweltschutzorganisationen gefallen. Dabei wächst in fast allen afrikanischen Ländern der Unmut über die Naturschützer aus dem Ausland, nicht nur bei den betroffenen Gemeinden in den Schutzgebieten, die gut an der Jagd verdienten. »Sie zwingen uns ihr Modell des Naturschutzes auf. Das ist eine neue Form des Kolonialismus«, sagte eine kenianische Menschenrechtsaktivistin vor Kurzem im Interview mit dem SPIEGEL.
Die Grünen in Umweltorganisationen und Ministerien täten gut daran, solchen Aussagen sehr genau zuzuhören, zumal das Thema Postkolonialismus in ihrer Agenda sonst ziemlich weit oben steht. Weitere Einschränkungen für die Einfuhr von Jagdtrophäen aus Afrika mögen zwar für die eigene Klientel gut klingen, sind am Ende aber: weitgehend sinnlos, oder sogar kontraproduktiv. Insofern ist es gut, dass zumindest ein Verbot erst mal vom Tisch ist.
Dieser Beitrag gehört zum Projekt Globale Gesellschaft