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Schmuggelgeschäfte mit dem Kreml und eine Mine namens Schweiz

Sudan
NZZ Der Goldreichtum des Sudans spielt eine wichtige Rolle in der Entstehung der heutigen Krise Fabian Urech Als Wanderarbeiter im Jahr 2012 im Norden von Darfur auf eine Goldader stiessen, schienen sie den Jackpot geknackt zu haben. Was hier, am Fusse des kargen Hügelzugs von Jebel Amir, in der Erde steckte, versprach vieles, was den Bewohnern der kriegsversehrten Region fehlte: Einnahmen, Aufschwung, eine Zukunftsperspektive. Das Goldvorkommen im Westen des Sudans war riesig. Wer hier fünfzig Kilogramm Erde abtrage, finde ein Kilogramm Gold, sagten die ersten Schürfer. Bald war der Ort, der raschen Reichtum versprach, unter einem neuen Namen bekannt: «Schweiz». Innert weniger Wochen strömten Tausende mit Pickeln und Schaufeln zur informellen Mine. Sie kamen aus entfernten Provinzen des Landes, manche gar aus Tschad, Niger, Zentralafrika oder Nigeria. Zeitweise sollen in Jebel Amir 100 000 Menschen nach Gold gesucht haben. Einige wenige wurden dabei tatsächlich reich. Für die meisten erwies sich die Mine aber als Fluch. Viele Mineure starben in den Folgejahren an einer Quecksilbervergiftung. Und bald stritten sich lokale Milizen um den Zugang zum Gold. Immer wieder kam es zu Kämpfen mit Hunderten von Toten, Tausenden von Vertriebenen. Dann, im November 2017, nahmen die Rapid Support Forces (RSF) die Mine ein. Die Miliz verschaffte ihrem Anführer, Mohammed Hamdan Daglo, Zugang zu einem riesigen Schatz. Der Warlord, den alle Hemeti nennen, wurde damit zum Goldkönig des Sudans. Heute, fünfeinhalb Jahre später, steht ebendieser Hemeti im Zentrum der Gewalteskalation, die den Sudan seit Tagen erschüttert. Seine RSF kämpft mit der sudanesischen Armee und deren Anführer Abdelfatah al-Burhan. Beide Seiten beanspruchen die Macht im Land. Die derzeitige Krise ist vielschichtig, sie lässt sich durch Einzelfaktoren allein nicht erklären. Dennoch gibt es zwischen dem, was 2017 in jener abgelegenen Mine in Darfur passierte, und den erbitterten Kämpfen von heute einen direkten Zusammenhang. Ein Milliardengeschäft Hemeti galt bereits vor 2017 als gefürchteter Rebellenführer. Während des Darfur-Krieges hatte er sich den Janjaweed angeschlossen, einer Miliz aus berittenen Kämpfern. Als aus dieser 2013 die RSF hervorging, wurde Hemeti ihr Anführer. Der grossgewachsene Mann galt trotz minimaler Schulbildung als intelligent und führungsstark, aber auch als äusserst skrupellos. Gleichwohl blieb sein Einfluss lange beschränkt, finanziell und politisch war er vom Langzeitdiktator Omar al-Bashir abhängig. Mit der Eroberung von Jebel Amir änderte sich das, zumal die RSF in der Folge noch weitere Goldminen unter ihre Kontrolle brachte. Gold ist von überragender Bedeutung für die Wirtschaft des Sudans – und ein zentraler politischer Faktor. Die Einnahmen aus dem Goldsektor decken einen Grossteil der Regierungsausgaben, über die Hälfte der Gesamtexporte des Sudans entfallen offiziell auf das Edelmetall. Dabei taucht ein grosser Teil der Produktion gar nie in der Handelsstatistik auf: Selbst die Regierung in Khartum geht davon aus, dass bis zu 80 Prozent des sudanesischen Goldes ausser Landes geschmuggelt werden. Wie viel Hemeti am Gold in Jebel Amir und anderswo verdiente, ist daher unklar. Es sind aber unbestritten enorme Summen. Im Frühjahr 2019, als die sudanesische Bevölkerung gegen Bashir aufbegehrte, galt der RSF-Chef bereits als einer der reichsten Sudanesen. Im Herbst desselben Jahres, mitten in einer ernsten Wirtschaftskrise, soll Hemeti die sudanesische Zentralbank kurzerhand mit einem Kredit von einer Milliarde Dollar gestützt haben – ein gewaltiger Betrag in einem Land, in dem rund jeder Zweite unter der Armutsgrenze lebt. Hemeti setzte seine Einnahmen aus dem Goldgeschäft geschickt für den Ausbau seiner eigenen Macht ein. Er tat dies, erstens, durch die militärische Aufrüstung der RSF. Er kaufte neue Waffen, schwere Artillerie und Hunderte von Pick-ups. Auch die Zahl der Soldaten stieg in den vergangenen Jahren stetig an. Heute soll die RSF gemäss Schätzungen rund 100 000 Mann stark sein. Zweitens entsandte Hemeti Tausende seiner RSF-Kämpfer als Söldner ins Ausland. In Jemen kämpften sie mit Unterstützung der Saudi und der Emirate gegen das Huthi-Regime. In Libyen an der Seite des Milizenführers Haftar. Das generierte weitere Einnahmen, sicherte Hemeti aber auch politische Unterstützung im Ausland. Drittens nutze Hemeti seine Einnahmen aus dem Goldgeschäft, um auch in anderen Wirtschaftszweigen des Landes Fuss zu fassen. Heute hat die RSF – teilweise über undurchsichtige Firmengeflechte – unter anderem enge Verbindungen ins Baugewerbe und in die Landwirtschaft. Die massiven Einnahmen aus dem Goldgeschäft ermöglichten so eine Entwicklung, die vor 2017 äusserst unwahrscheinlich schien: Aus der Lokalmiliz wurde innert weniger Jahre eine militärische Organisation, die den regulären sudanesischen Streitkräften punkto Schlagkraft, Grösse und finanzielle Ausstattung praktisch ebenbürtig schien. Schmiermittel der Beziehungen Gold spielte in den vergangenen Jahren auch bei der Annäherung zwischen dem Sudan und Russland eine wichtige Rolle. Bereits 2017, nach einem Treffen zwischen Bashir und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, stieg die russische Bergbaufirma Meroe Gold ins sudanesische Goldgeschäft ein. 2020 ergaben Ermittlungen des ­amerikanischen Finanzministeriums, dass die Firma vom Chef der russischen Wagner-Gruppe, Jewgeni Prigoschin, kontrolliert wird. Washington verhängte in der Folge Sanktionen gegen Meroe Gold und weitere russische Firmen im Sudan. Seit dem Sturz von Bashir und insbesondere seit dem Militärputsch im Herbst 2021 hat Russland sein Engagement im Sudan noch einmal intensiviert. Weiterhin dreht sich dabei fast alles ums Gold. Recherchen mehrerer internationaler Medien haben gezeigt, dass Russland – oft über Tarnfirmen der Gruppe Wagner – in den letzten zwei Jahren sudanesisches Gold im Wert mehrerer Milliarden Dollar gekauft hat. In vielen Fällen ist das Gold demnach illegal ausser Landes geschafft worden, etwa mit russischen Militärflugzeugen. Von diesen Schmuggelgeschäften mit Russland scheinen sowohl Hemeti und seine RSF wie auch sein heutiger Gegenspieler, Oberbefehlshaber Abdelfatah al-Burhan mit der regulären Armee, profitiert zu haben. Nach dem Ausbruch des Ukraine-Krieges war es aber insbesondere Hemeti, der seine Beziehungen zu Russland weiter vertiefte. Sein Angebot an Moskau war simpel – und erfolgreich: Er garantierte den Russen, die durch die westlichen Sanktionen auf neue Einnahmequellen angewiesen waren, weiterhin Zugang zum sudanesischen Gold. Im Gegenzug lieferte Moskau Waffen, militärisches Know-how und Ausbildung für die RSF. Armes Land, zwei Armeen Das zeigt: Die gegenwärtige Krise im Sudan kann nicht losgelöst von den erheblichen Goldvorkommen des Landes betrachtet werden. Natürlich ist der natürliche Reichtum des Landes ein Aspekt unter mehreren. Und er erklärt nicht, wieso die beiden Gewaltherrscher Hemeti und Burhan bereit scheinen, ihren eigenen Machtkampf mit grösster Härte und unter Inkaufnahme einer humanitären Tragödie auszutragen. Dennoch wäre die Lage im Land ohne Gold eine andere. Nur die Milliardeneinnahmen durch den – oft illegalen – Goldverkauf haben es überhaupt erst möglich gemacht, dass sich in einem der ärmsten Länder der Welt zwei Armeen mit jeweils mehreren zehntausend Soldaten gegenüberstehen. Gerade Hemeti und seine RSF würde es ohne Gold in der heutigen Stärke nicht geben. Insofern wirkt sich das, was einst in Jebel Amir passierte, bis heute auf den Fortgang der Geschichte im Sudan aus. Hätte am kargen Hügel in Darfur nie jemand zu graben begonnen, würde die Lage im Land heute anders aussehen. Zur Gewalteskalation, die in den vergangenen eineinhalb Wochen bereits mehr als 400 Menschenleben gekostet hat, wäre es ohne das Gold kaum gekommen.