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Wie man 100 Millionen Dollar Schwarzgeld wäscht

Simbabwe
NZZ Ein Dokumentarfilm beleuchtet die Rolle von Simbabwes Regierung im internationalen Goldschmuggel Fabian Urech Erste Szene: «It’s a very, very easy thing», flüstert Uebert Angel, den Körper über den Tisch einer Londoner Bar gebeugt. Niemand sei befugt, ihn, den zweithöchsten Diplomaten Simbabwes, bei der Einreise zu durchsuchen. «Ich könnte eine Tasche mit 1,2 Milliarden Dollar mitführen», sagt er dann. Niemand werde das Geld anrühren, bis er zu Hause sei. Zweite Szene: Kamlesh Pattni sitzt auf einer Terrasse in Dubai, vor ihm eine Flasche Champagner. Natürlich sei er in ständigem Kontakt mit ihm. «Er muss informiert werden», sagt er. Alle zwei Wochen überreiche sein Mittelsmann dem State House in Harare ein «Zeichen des Dankes». «Wenn du arbeitest, muss du stets den König an deiner Seite wissen», meint er dann und zeigt mit dem Finger nach oben, «den Präsidenten.» Manche Szenen aus einer aktuellen Investigativ-Dokumentation von al-Jazeera über den Goldschmuggel in Simbabwe wirken so, als entstammten sie einem klischeelastigen Spielfilm über die Mafia. Doch sie sind real – gefilmt mit versteckter Kamera. Dass Goldschmuggel in Simbabwe existiert, ist seit Jahren bekannt. Wie dieser abgewickelt wird und wer die zentralen Drahtzieher sind, war es bisher kaum. Mit dem vierteiligen Dokumentarfilm ändert sich das. Der Film bietet seltene und teils spektakuläre Einblicke in den internationalen Goldschmuggel. Und er lässt kaum Zweifel daran, dass die Regierung des derzeitigen Präsidenten Simbabwes, Emmerson Mnangagwa, direkt in das schmutzige Geschäft involviert ist. Goldbarren im Handgepäck Der erste Teil des Filmes zeichnet nach, wie die Regierung Simbabwes den Goldreichtum des Landes systematisch dafür nutzt, ausländische Gelder reinzuwaschen – und sich selbst zu bereichern. Das geschieht laut al-Jazeera unter anderem mithilfe von ausländischen «Kurieren», die – teilweise mehrmals pro Woche – im Handgepäck erhebliche Mengen Gold nach Dubai fliegen und es sich dort mit Schwarzgeld bezahlen lassen. «Wenn sie Simbabwe verlassen, werden sie an der Gepäckkontrolle vorbeigeschleust», erzählt ein Beteiligter im Film. «Sie fliegen Business oder First und nehmen nach der Übergabe in Dubai denselben Flieger zurück nach Harare.» Ausländische «Investoren» können so – und mittels eines nachgelagerten Netzes von Briefkastenfirmen im Ausland, gefälschter Rechnungen und geschmierter simbabwischer Beamter – ihr Geld waschen. Simbabwes «Gold-Mafia», zu der mutmasslich auch Personen gehören, die auf internationalen Sanktionslisten stehen, erhält derweil eine saftige Kommission, die oft auf ausländischen Bankkonten deponiert wird. Laut dem Film sind mehrere simbabwische Behörden in den Goldschmuggel eingeweiht oder gar direkt daran beteiligt. Unter anderem soll die Zentralbank des Landes an den illegalen Geschäften mitverdienen. Simbabwe, der sechstgrösste Goldproduzent Afrikas, verliert durch diese Schmuggelgeschäfte jeden Monat wohl Hunderte von Millionen Dollar. Das ist angesichts der desaströsen Wirtschaftslage im Land verheerend. Die Inflation liegt momentan bei knapp 90 Prozent, die Zahl der extrem Armen nahm in letzter Zeit zu, und knapp 700 000 Menschen sind in der einstigen Kornkammer Afrikas auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen. Im zweiten Teil der Recherche geben sich die Journalisten als chinesische Geschäftsleute aus, die an einem Schmuggelgeschäft interessiert sind. Ihr vorgegebenes Ziel: sie wollen rund 100 Millionen Dollar, «die im Herkunftsland nicht deklariert werden können», reinwaschen. Der Köder wirkt, bald ist der Kontakt hergestellt mit Vertretern der Regierung in Harare und dubiosen Mittelsmännern, die für diese arbeiten. Der eingangs erwähnte Uebert Angel gehört zu den schillerndsten und mächtigsten Figuren, die sich als Schmuggel-Gehilfen anbieten. Der vom Präsidenten ernannte Sonderbotschafter hat offiziell die Aufgabe, für Simbabwe internationale Geschäfts- und Investitionspartner zu suchen. Offensichtlich schreckt er dabei auch vor Kriminellen nicht zurück. Der 44-Jährige, der auch Gründer einer Pfingstkirche ist und dort als selbsternannter Prophet und Wunderheiler auftritt, schlägt zur Geldwäsche die illegale Ausfuhr von Gold vor – wenn nötig in einem Regierungsflugzeug. Einmal telefoniert er – im Lautsprecher-Modus und von der versteckten Kamera festgehalten – mit der Präsidentengattin, ein andermal mit der Vorsitzenden der simbabwischen Miners Association, einer Nichte des Präsidenten. Letztere bestätigt Angel, dass es kein Problem sei, jede Woche 100 Kilogramm Gold ausser Landes zu schmuggeln. Das von Angel in Aussicht gestellte Treffen mit Präsident Mnangagwa kommt letztlich jedoch nicht zustande. Es scheitert an den 200 000 Dollar, die dafür vorab als «Wertschätzung» zu überweisen wären. Auch Kamlesh Pattni, der die Schmuggelgeschäfte Simbabwes aus Dubai auch koordiniert, zeigt im Film bald grosses Interesse an einer Zusammenarbeit. Er verfügt in Simbabwe über Lizenzen zum Abbau, Zukauf und Export von Gold. Zudem bietet er an, die Herkunft der Gelder durch eine breite Streuung innerhalb seines Firmengeflechts weiter zu verschleiern. Pattni hat reichlich Erfahrung in diesem Bereich: Der 58-Jährige war in den 1990er Jahren der Architekt des grössten Korruptionsskandals in der Geschichte Kenyas. Durch Subventionen für fiktive Gold- und Diamantenexporte, die an seine Scheinfirma flossen, soll er die Staatskasse damals um rund 700 Millionen Franken betrogen haben. Kenya brachte das an den Rand des Staatsbankrotts, Pattni wurde später unter dubiosen Umständen freigesprochen. Wenig später zog er offenbar nach Harare weiter. Das Schweigen des Präsidenten In Simbabwe hat die Dokumentation, deren letzte Folge vor rund einem Monat ausgestrahlt wurde, ein erhebliches Echo ausgelöst. Handfeste Konsequenzen hatte die Recherche bisher aber nicht. «Die Menschen hier sind sehr wütend», sagt der emeritierte Politologieprofessor und Berater Austin Chakaodza aus Harare am Telefon. Viele Simbabwer hätten zwar gewusst, dass manche Regierungsmitglieder korrupt seien. Doch das Ausmass, das der Film zeige, sei erschreckend. Möglichkeiten, diesen Ärger kundzutun, gebe es allerdings kaum. «Wer demonstriert, wird verhaftet. Und selbst die Opposition hält sich aus Angst vor Repressalien mit Kritik zurück», sagt Chakaodza. Simbabwes Präsident Mnangagwa selbst hat sich zu den Anschuldigungen bis heute nicht zu Wort gemeldet. Eine Sprecherin kündigte lediglich eine Untersuchung an, zudem sollen einige involvierte Bankkonten eingefroren worden sein. Die im Film auftretenden Hauptfiguren des simbabwischen Goldschmuggels blieben bisher unbescholten. Uebert Angel ist weiterhin als Sonderbotschafter im Amt. In einer Mitteilung liess er verlauten, er habe – in Absprache mit Simbabwes Geheimdienst – nur so getan, als würde er am Schmuggeldeal interessiert sein («um zu sehen, wie weit der Feind gehen würde»). Auch Pattni und andere Beschuldigte wiesen jegliche Schuld von sich. Gleichwohl dürfte das Thema in den kommenden Wochen noch einmal aufkochen. Am 23. August finden in Simbabwe Präsidentschaftswahlen statt, bald beginnt die Wahlkampfperiode. Die Hoffnungen auf einen Machtwechsel in Harare sind indes trotz den massiven Anschuldigungen und dem ohnehin katastrophalen Leistungsausweis der Regierung gering. Vielen ist klar: Wer sich so skrupellos am Reichtum des Landes bedient, wird im Zweifelsfall auch vor einer Fälschung der Wahlresultate nicht zurückschrecken.