Beitrag vom 30.12.2017
FAZ
Liberia, George Weah
Ehrgeizig
von Peter Pauls
Die Stimmen wurden noch ausgezählt, da gratulierten auf dem fußballverrückten Kontinent bereits die ersten afrikanischen Präsidenten ihrem künftigen Amtskollegen George Weah. Das ist kein Wunder. Das designierte Staatsoberhaupt Liberias ist zwar auch in Europa bekannt, in Afrika jedoch als Träger des Weltfußballer-Titels von 1995 ein Idol weit über Landes- und soziale Grenzen hinweg. Die Karriere des heute Einundfünfzigjährigen beflügelt Straßenkicker wie Staatsmänner. Weah, der aus einem Elendsviertel der Hauptstadt Monrovia stammt, spielte sich nach oben, bis ihn ein Talentsucher im kamerunischen Spitzenclub „Tonnerre Yaoundè“ entdeckte. Als Spieler unter anderen von AS Monaco und dem AC Mailand lernte er, dass harte Arbeit ein Erfolgsrezept ist. „Lieber habe ich trainiert als zu essen und zu schlafen“, hat er einmal gesagt.
George Weah wird diesen Ehrgeiz in seinem neuen Amt brauchen. Liberias neuer Staatschef – am 18. Januar tritt er sein Amt an – muss in den Augen seiner Anhänger wahre Wunder in dem Land vollbringen, das noch immer von Bürgerkrieg und Ebola-Epidemie gezeichnet ist. Er soll die Korruption abschaffen, die Wirtschaft in Gang bringen, Arbeitsplätze schaffen und den Staat im noch weithin unerschlossenen Hinterland erst einmal sichtbar machen, am besten in Form von Schulen, Gesundheitsstationen, Elektrifizierung und Straßenbau.
Die Oberschicht aus der Hauptstadt Monrovia hat die ersten politischen Aktivitäten Weahs mit Herablassung begleitet. 2005 verlor er in der Stichwahl um die Präsidentschaft gegen Ellen Johnson Sirleaf. Damals bemängelte die politische Elite Weahs Mangel an formaler Ausbildung. Doch der ließ sich nicht entmutigen. Im Alter von vierzig Jahren erwarb er die Hochschulreife, danach in den Vereinigten Staaten einen Bachelor-Abschluss in Wirtschaftsmanagement und schließlich einen Master in öffentlicher Verwaltung.
Weah folgte damit der Linie, die ihm sein wichtigster Fußballtrainer mitgegeben hatte. Arsène Wenger vermittelte dem jungen Afrikaner, nie aufzugeben. Obwohl er in seinem ersten halben Jahr in Monaco nicht eingesetzt wurde, machte Weah weiter, wo andere den Mut verlieren. Noch heute spricht er von Wenger wie von einem Vater, ohne den er es in Europa nicht geschafft hätte.
Seit 2014 ist George Weah Senator in der Hauptstadt Monrovia und Vorsitzender des Sportausschusses. Kritiker werfen ihm vor, er sei zu selten im Parlament anzutreffen und trage wenig zu den politischen Debatten bei. Dem entgegnet er, dass er Verantwortlichkeit gegenüber seinen Wählern empfinde und daher auch eher deren Nähe suche. Seine Liebe zum Fußball ist ungebrochen. Jeden Samstag sieht man Weah, sofern er im Land ist, mit seinem Team „Alpha Oldtimer“ in der Senioren-Liga spielen.
Arsène Wenger, der heute Arsenal London trainiert, hat über Weah einmal gesagt, er habe noch nie einen Spieler erlebt, der innerhalb weniger Monate seine Leistung derart verbessert habe. Dem bettelarmen Liberia wäre eine ähnliche Leistungssteigerung zu wünschen.