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Pour une autre politique de développement!

Beitrag vom 04.07.2023

FAZ

Wann wirkt Entwicklungshilfe?

Die KfW investiert 12,6 Milliarden Euro in Entwicklungsprojekte. Ein Nobelpreisträger hilft herauszufinden, ob das Geld gut angelegt ist. Dabei ist ein Muster zu erkennen.

Von Hanna Decker

Die Summen, um die es geht, sind gigantisch: Für Projekte in Entwicklungs- und Schwellenländern hat die Staatsbank KfW im vergangenen Jahr 12,6 Milliarden Euro an Zusagen gemacht – so viel wie nie zuvor. 10,9 Milliarden Euro entfielen auf die KfW-Entwicklungsbank, davon etwa 40 Prozent für Projekte in Afrika. Die Tochtergesellschaft DEG sagte 1,6 Milliarden Euro für die Finanzierung privater Investitionen zu, so die Zahlen, die die KfW am Montag kommuniziert hat. Die Zusagen wuchsen damit um 2,5 Milliarden zum Jahr 2021, in dem die Pandemie für einen Einbruch gesorgt hatte, und lagen auch höher als 2020.

Der Grund für das Rekordvolumen? Vorständin Christiane Laibach verweist auf die „Polykrise“; die Folgen des Klimawandels, den Verlust von Biodiversität, geopolitische Spannungen, Energiekrise, Inflation und steigende Zinsen. Die Pandemie und der Ukrainekrieg hätten Armut verschärft, der Klimawandel in Entwicklungsländern Extremwetterereignisse verstärkt. Rund zwei Drittel der 464 zugesagten Vorhaben, mehr als je zuvor, entfielen auf Klima- und Umweltschutzprojekte. Mit Zuschüssen aus Haushaltsmitteln oder zinsverbilligten Krediten finanziert die KfW Windparks, Solaranlagen oder Bewässerungsanlagen und treibt Strukturreformen im Energiesektor voran. Weitere Förderschwerpunkte sind der Schutz der Biodiversität in Naturschutzgebieten und die Stärkung von Frauen in vielen Ländern. In der Ukraine versucht die KfW dazu beizutragen, staatliche Infrastruktur wie die Versorgung mit Strom, Wasser, Abwasser und Schulen zu erhalten oder wieder aufzubauen. Aus Afghanistan hat sie sich zurückgezogen, seit die Taliban die Macht übernommen haben.

Revolutionäre Arbeit

Aber wie misst man, ob die Entwicklungsmilliarden etwas bewirken? Kaum jemand weiß das besser als David Card aus Berkeley. An einem schwülen Nachmittag Ende Mai ist der Nobelpreisträger, der sich mit seiner evidenzbasierten Wirkungsanalysen einen Namen gemacht hat, nach Frankfurt in die KfW gekommen. Vor 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern spricht er über den erkenntnisgeschichtlichen Hintergrund seiner Forschung und deren Bedeutung für die KfW. In der Medizin ist Evidenzbasierung schon lange ein großes Thema. Card verweist auf randomisierte kontrollierte Studien (RCTs): Probanden werden zufällig und ohne es zu wissen in eine Test- und eine Kontrollgruppe eingeteilt, aber nur den Mitgliedern der Testgruppe wird eine Therapie verabreicht. Geht es den Mitgliedern der Testgruppe anschließend signifikant besser als denen der Kontrollgruppe, gibt es Evidenz für die Wirksamkeit der Therapie.

In der Medizin war der Erfolg dieser Methodik bahnbrechend, aber auch in der Entwicklungszusammenarbeit wird die Methode häufiger genutzt. Bei Infrastrukturprojekten ist das schwieriger als in der Medizin. Forscher fahnden deshalb nach „natürlichen Experimenten“: In einem Landkreis wird ein Mindestlohn eingeführt, im benachbarten nicht. Ein paar Jahre später sieht man, wie sich Arbeitslosigkeit und Ungleichheit entwickelt haben. David Card ist Pionier solcher Ansätze. „Davids methodologische Arbeiten haben die Volkswirtschaftslehre revolutioniert und unsere Toolbox, mit der wir Projekte evaluieren, bereichert“, sagt Jochen Kluve. Er hat vor zwei Jahrzehnten als Postdoc in Berkeley bei Card gelernt und leitet seit vier Jahren die Abteilung, die für die Evaluierung der KfW-Projekte zuständig ist.

Angetreten ist er mit dem Ziel, Cards Methoden breiter einzusetzen. Als Beispiel beschreibt er ein Projekt in Tansania. Dort finanziert die KfW-Entwicklungsbank den Bau einer 100 Kilometer langen Wasserleitung vom Victoriasee ins Landesinnere, um der ländlichen Bevölkerung Zugang zu sauberem Trinkwasser zu gewähren. Traditionell werden solche Projekte ex post evaluiert: Nachdem das Projekt abgeschlossen ist, reist Kluves Team ins Land und schreibt einen Bericht, der ein paar Monate später erscheint. Mit Cards Methodik beginne die Evaluierung schon vor dem Bau der Wasserleitung mit dem Aufsetzen des Designs für ein „natürliches Experiment“. In Tansania haben Kluve und seine Kollegen die Haushalte, die innerhalb eines 24-Kilometer-Korridors rund um die Wasserleitung liegen, einer „Testgruppe“ zugeordnet. Weiter entfernte Haushalte, die nicht an die Leitung angeschlossen werden können, bilden die „Kontrollgruppe“. Schon während des Baus der Pipeline habe sein Team begonnen, die Auswirkungen der Wasserleitung auf Gesundheit und Wohlbefinden der Menschen sowie Klimaresilienz der Region in beiden Gruppen zu messen. Erste Ergebnisse erwartet Kluve, wenn der erste Teil der Leitung fertiggestellt ist.

Faktoren des Erfolgs

Man könne nicht jedes Projekt mittels natürlicher Experimente evaluieren, sagt Kluve. Die Messergebnisse seien zwar sehr präzise, die dafür erforderliche Datensammelei aber sehr aufwendig. Etwa 20 natürliche Experimente laufen derzeit, zusätzlich würden 60 Projekte im Jahr traditionell ex-post evaluiert. Fragt man Kluve nach dem Schlüssel für erfolgreiche Projekte, verweist er auf eine neue, der Öffentlichkeit zugängliche Datenbank namens „IDEaL“, in der die Ergebnisse von mehr als 1000 evaluierten Projekten hinterlegt sind. „Wir wollen dafür sorgen, dass Entscheidungen besser informiert getroffen werden können“, sagt er. Aus der neuen Datenbank leitet er ab: Große Projekte, Projekte mit einem hohen Anteil an Haushaltsmitteln sowie Projekte in politisch stabilen Ländern seien tendenziell erfolgreicher. Dauere die Implementierung besonders lange oder sei ein Projekt technisch besonders komplex, sinke die Wahrscheinlichkeit, dass ein Projekt als erfolgreich bewertet werde.

Wenn man aber immer besser weiß, welche Projekte viel bewirken, warum stehen dann viele Länder immer noch so schlecht da? Card sagt, man dürfe von Entwicklungsprojekten nicht zu viel erwarten: „Was wir in der VWL gelernt haben, ist, dass Projekte oft überverkauft werden. Nach dem Motto: Wir investieren eine sehr kleine Summe und erwarten, dass sie die Welt verändern.“ Einfache Lösungen gebe es eben nicht, dennoch müsse man dranbleiben.