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Eine Pest namens Korruption

Äquatorialguinea
FAZ Die Anklage in Paris gegen den Präsidentensohn Teodorín Obiang wegen Bereicherung und Geldwäsche wirft ein Licht auf Afrikas größtes Problem: die Ausbeutung vieler Länder durch ihre korrupten Herrscher. Von Thomas Scheen NAIROBI, 6. Januar. ist ein kleines, armes Land an der Westküste Afrikas. Doch Teodorín Obiang lebt in unbeschreiblichem Luxus. Dem 47 Jahre alten Mann aus Äquatorialguinea gehören unter anderem ein Stadtpalais im teuersten Viertel von Paris, eine 76 Meter lange Luxusyacht, Dutzende Sportwagen von Ferrari, Lamborghini und Bugatti sowie das eine oder andere Renoir-Gemälde. Teodorín Obiang hat das Geld für all diese Luxus-Anschaffungen nicht rechtmäßig erworben. Französische Untersuchungsrichter sind vielmehr der Ansicht, der Sohn des äquatorialguineischen Präsidenten Teodoro Obiang ist ein Dieb. Deshalb muss er sich inzwischen vor einem Pariser Gericht wegen illegaler Bereicherung und Geldwäsche verantworten. Die Geschichte der Familie Obiang ist typisch für afrikanische Kleptokraten, und sie ließe sich genauso gut aus Gabun erzählen, aus Kongo-Brazzaville oder Kongo-Kinshasa. Teodoríns Vater regiert Äquatorialguinea seit 1979, als er seinen Vetter stürzte, der ein der Sowjetunion nahestehendes Regime geleitet hatte. Obiang ist heute der dienstälteste Potentat in Afrika. Das kleine Land (mit nur weniger als einer Million Einwohnern) zwischen Gabun und Kamerun verfügt über große Ölvorkommen, die von der Familie Obiang als Privatbesitz betrachtet werden. Teodoríns Reichtum stammt aus einer anderen Quelle: Als Landwirtschaftsminister von Papas Gnaden unterstand ihm unter anderem die Forstwirtschaft. Neben Öl ist Holz der wichtigste Exportartikel des Landes. Teodorín verdiente an jedem gefällten Baumstamm und er gilt als Erfinder der „Revolutionssteuer“ auf Holzexporte, die nach Einschätzung französischer Ermittler nicht in eine staatliche Kasse gezahlt wurde, sondern direkt auf ein Privatkonto von Teodorín. Um welche Summen es da geht, wird dank französischer, schweizerischer, amerikanischer und niederländischer Ermittlungen langsam sichtbar. In Amerika musste Teodorín wegen des Vorwurfes der illegalen Bereicherung und Geldwäsche eine auf 35 Millionen Dollar geschätzte Villa in Malibu dem Fiskus übertragen, durfte aber seinen Privatjet im Wert von 38 Millionen Dollar und einen kristallbesetzten Handschuh aus seiner Michael-Jackson-Memorabilia-Sammlung behalten. In den Niederlanden legten die Behörden die 76 Meter lange Luxusyacht „Ebony Shine“ (Der Glanz von Elfenbein) an die Kette. Im marokkanischen Tanger besitzt Teodorín allerdings noch eine zweite, noch größere Yacht. In der Schweiz wiederum beschlagnahmte die Genfer Polizei ein halbes Dutzend Sportwagen, die Teodorín dort geparkt hatte. Anfang dieses Jahres nahm der Prozess in Paris Fahrt auf – in Abwesenheit des Angeklagten. Die Anwälte des Präsidentensohnes wollen sein beschlagnahmtes Vermögen mit allen möglichen Tricks vor dem Zugriff retten. Das Verfahren gegen den Äquatorialguineer soll nach Angaben französischer Strafverfolger aber erst der Anfang sein. Die Richter interessieren sich zudem für die Reichtümer der Familie Bongo in Gabun, die des ehemaligen zentralafrikanischen Putschisten François Bozizé und des kongolesischen Präsidenten Denis Sassou-Nguesso. Auch dessen Land, Kongo-Brazzaville, verfügt über große Ölvorkommen. Und dennoch existieren im ganzen Land nur zwei geteerte Straßen. Sassou-Nguesso reist mit Privatjets durch die Welt und zahlt gerne bar aus Koffern, die ihm Diener hinterhertragen. Vor einigen Jahren allerdings musste er in New York eine Taschenpfändung über sich ergehen lassen, nachdem ein Fonds alte Staatsschulden des Landes aufgekauft hatte und diese einzutreiben gedachte. Seither macht Sassou einen großen Bogen um Amerika. Dass nunmehr auch in Frankreich, wo sich afrikanische Potentaten immer auf der sicheren Seite wähnten, drei seiner Immobilien beschlagnahmt wurden, muss für ihn bitter sein. Das Phänomen der räuberischen Korruption in Afrika ist ein kontinentales. Die Zahl der Länder mit geringer Korruption lässt sich an einer Hand abzählen. In Kenia ist die Familie des jetzigen Präsidenten Uhuru Kenyatta der größte Landbesitzer. In Burundi gehören der Präsidentenfamilie genau die Firmen, die immer mit Staatsaufträgen versorgt werden. In Zimbabwe hat sich die geschäftstüchtige Frau des greisen Diktators Robert Mugabe das Diamantengeschäft gesichert. In Kongo-Kinshasa wiederum hat Präsident Joseph Kabila aus den Fehlern seiner Vorgänger – Mobutu Sese Seko und sein Vater Laurent-Désiré Kabila – gelernt und lässt sich Gefälligkeiten nicht mehr in bar auszahlen, sondern in anonymen Anteilen an Beteiligungsgesellschaften mit Sitz in Panama oder auf den Cayman-Inseln. Und in Angola wird die staatliche Erdölgesellschaft Sonangol von der Tochter des Präsidenten Eduardo dos Santos geführt. Dabei ist der Kampf gegen die Korruption eigentlich in aller Munde. Stehen irgendwo in Afrika Wahlen an, versprechen die Kandidaten garantiert, die Korruption ausmerzen zu wollen. Die westlichen Geberländer hören so etwas gerne, also tut man ihnen den Gefallen. Das hat fast etwas Rituelles, ernst gemeint ist es nur selten. In Kenia beispielsweise existiert zwar inzwischen ein elektronisches Steuersystem, das deklariertes Einkommen automatisch mit dem Bankguthaben vergleicht. Seither haben viele Verkehrspolizisten, die immer und überall die Hand aufhalten, ein Problem. Für die Mächtigen aber gilt diese Regel nicht. Als der kenianische Antikorruptionsbeauftragte John Githongo der Familie des ehemaligen Präsidenten Daniel Arap Moi und den allmächtigen Kenyattas zu nahe kam, musste er ins Exil gehen. In Südafrika benötigte die Antikorruptionsbeauftragte der Regierung Polizeischutz, als sie dem finanziellen Gebaren von Präsident Jacob Zuma auf den Grund gehen wollte. Und in Nigeria wurde beim Machtwechsel im vergangenen Jahr ausgerechnet der Antikorruptionsbeauftragte unter dem Vorwurf der Korruption verhaftet. Er soll „Unbedenklichkeitsbescheinigungen“ gegen Bares verkauft haben. Die Allgegenwart von Korruption ist eines der größten Investitionshindernisse in Afrika. Viele westliche Unternehmen weigern sich inzwischen, Schmiergelder zu zahlen, auch aus Angst vor Strafverfolgung im Heimatland. In Afrika kommt der Wandel nur langsam voran. Die jahrzehntelange Korruption hat längst schwerwiegende soziale Folgen gezeitigt. Kinder beispielsweise lernen, dass ihre Versetzung nicht von schulischen Leistungen abhängt, sondern von der Spende der Eltern an die Lehrer. Steuerhinterziehung gilt überall als Kavaliersdelikt, weil „die da oben“ es genauso machen. Und die Staatskasse wird als ein Selbstbedienungsladen betrachtet, dessen Zugang durch politische Verbindungen geregelt ist. Für diese Art von Geschäften gibt es sogar einen Begriff: „short cut“, die Abkürzung zum Reichtum. Dass Teodorín Obiang für seine Taten jemals ins Gefängnis muss, ist unwahrscheinlich. Als Vizepräsident seines Landes genießt er Immunität. Er wird sein Vermögen in Zukunft woanders investieren. In Kapstadt etwa, dessen Immobilienmarkt mit Schwarzgeld regelrecht geflutet wird, ober in Dubai, wo die Behörden auch nicht so genau hinschauen.