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Afrika, Kontinent der Steuerschlupflöcher

Afrika
Zeit Online Hohe Wachstumsraten, mehr Auslandsinvestitionen und ordentlich Rohstoffe: Afrika wächst. Doch die Steuersysteme bevorteilen Reiche und Unternehmen. Von: Andrea Böhm Steueroase – das klingt nach Schweiz und Luxemburg, nach dem Zockerkonto von Uli Hoeneß und nach deutschen Staatsanwaltschaften, die CDs mit Kundendaten Züricher Banken kaufen. Steuerwüste? Die findet man in Afrika, und zwar vor allem südlich der Sahara. Jedenfalls aus Sicht der Bürger, deren Staaten kaum Steuern einnehmen wollen oder können (und die wenigen, die sie kassieren, immer noch erschreckend selten in Straßen, Schulen oder Stromnetze investieren). Afrika ist der Kontinent der Steuerschlupflöcher. Durch sie passen über 30 Milliarden Dollar. Diese Summe geht jährlich verloren, weil Unternehmen dort von windigen Steuererlassen profitieren oder ihre Gewinne ungehindert in Steueroasen abführen können. Eine moderne Form der "Plünderung" nennt das der ehemalige UN-Generalsekretär Kofi Annan in einem Gastbeitrag für die New York Times. Annan ist inzwischen Vorsitzender des Africa Progress Panel, einem Gremium ehemaliger Staatschefs und Wirtschaftsexperten, das jedes Jahr einen Fortschrittsbericht zu Afrika veröffentlicht. Fortschritt gibt es sehr wohl zu vermelden: Wachstumsraten von über sechs Prozent, mehr Auslandsinvestitionen und einen rasant wachsenden Rohstoffmarkt. Bergbaukonzessionen wurden verschleudert Wer es immer noch nicht gemerkt hat: Angola und Nigeria gehören längst zu den Global Players im Erdölgeschäft. Mosambik und Tansania mausern sich gerade zu Erdgas-Exporteuren. In Sierra Leone und Liberia gräbt man nicht mehr nur nach Diamanten, sondern auch nach Eisenerz. In Uganda hofft man auf Profite aus Erdölvorkommen. In Somalia (jawohl: Somalia) werden derzeit Öllizenzen verkauft. Umso skandalöser ist, dass die Armut deutlich langsamer sinkt, als das Wirtschaftswachstum steigt. Und dass ökonomische Zugpferde wie Nigeria und Sambia nicht weniger, sondern mehr Armut zu verzeichnen haben. Der Grund? Unter anderem Korruption und ein grotesk "unternehmerfreundliches" Steuersystem. In Sambia, so der Bericht des Africa Progress Panel, seien die Bergarbeiter der Kupferminen jahrelang prozentual höher besteuert worden als die multinationalen Bergbaukonzerne. Und im Kongo, wo alles, auch die Skandale, immer etwas dreister und größer sind, wurden zwischen 2010 und 2012 hochwertige Bergbaukonzessionen unter größter Geheimhaltung, größtmöglicher Steuerbefreiung und größtmöglicher Gewinnbeteiligung regierungsnaher Herrschaften in Kinshasa verschleudert. Dem kongolesischen Staat, so Annan, seien damit rund 1,3 Milliarden Dollar an Einnahmen verloren gegangen. Genug, um das Jahresbudget für Gesundheit und Bildung zu verdoppeln. Der Bericht nennt Namen und Tatorte: zum Beispiel die Beteiligung diverser Offshore-Firmen auf den britischen Virgin Islands an der Aufteilung des staatlichen Bergbauunternehmens Gecamines in Kongos reichster Rohstoffprovinz Katanga. Dessen Lizenzen wurden weit unter Wert an die Offshore-Firmen verscherbelt und von diesen dann mit Profitraten von mehreren Hundert Prozent weiterverkauft. Ähnliche Vorwürfe erheben schon seit langem NGOs wie Global Witness und britische Politiker wie der Abgeordnete Eric Joyce. Joyce stellte 2011 im Parlament die berechtigte Frage, warum Großbritannien Millionen von Entwicklungshilfe in ein Land pumpe, das "aufgrund seines Rohstoffreichtums der Wirtschaftsmotor Afrikas sein könnte". Er bezifferte die Verluste der kongolesischen Staatskasse durch unsaubere Deals mit Offshore-Firmen im Dunstkreis um Präsident Joseph Kabila auf 5,5 Milliarden Dollar. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hatte Kinshasa zuvor einen Kredit über rund 500 Millionen Dollar bewilligt – unter der Bedingung, dass der Kongo seine Rohstoffgeschäfte offenlegt und den Verkauf staatlicher Anteile regulären Ausschreibungsverfahren unterzieht. So gut wie keine dieser Konditionen war von der Kabila-Regierung umgesetzt worden. "Gemeinsam gegen Steuerwüsten und -oasen" – unter dieses Motto hat die britische Regierung den nächsten G-8-Gipfel gestellt, der im Juni in Nordirland stattfindet. In Anbetracht der britischen Abhängigkeit vom Finanzsektor sollte man diesen demonstrativen Elan mit etwas Skepsis betrachten. Aber vielleicht werden bis dahin ja auch ein paar deutsche und französische und belgische Abgeordnete neugierig und fragen bei ihren Regierungen nach, was aus dem ganzen Geld geworden ist – aus der Entwicklungshilfe und aus den Profiten der Offshore-Firmen auf den Virgin Islands.