Beitrag vom 03.01.2010
Die Achse des Guten (Blog)
Milleniumsziele - Eine Frage der Glaubwürdigkeit
Von Volker Seitz
Im September 2000 einigten sich die 189 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen auf 8 Ziele die bis 2015 den Menschen in den Entwicklungsländern den Durchbruch zu einer dynamischen Wachstumsphase verhelfen sollen.
1.Bekämpfung von extremer Armut und Hunger
2.Grundschulbildung für alle Kinder
3.Gleichstellung von Jungen und Mädchen in der Bildung
4.Reduzierung der Kindersterblichkeit
5.Verbesserung der Gesundheitsversorgung von Müttern
6.Bekämpfung von HIV, Malaria und anderer Krankheiten
7.Zugang zu Trinkwasser und Verbesserung der Lebensbedingungen in den Armenvierteln
8.Aufbau einer globalen Entwicklungspartnerschaft
Das sind edle Ziele, die jeder unterschreiben konnte. Sie könnten auch tatsächlich die Armut halbieren und die Ungerechtigkeit bekämpfen. Allerdings ist zur Halbzeit schon absehbar, dass unter den heutigen Bedingungen in vielen Staaten südlich der Sahara die Ziele verfehlt werden. Ein bedrückender Aspekt des Milleniumsziel-Fiaskos ist, dass politische Entscheidungsträger, Diplomaten, Wirtschaftswissenschaftler, Entwicklungsexperten wissen, dass die Ziele bis 2015 nicht erreicht werden können. Trotzdem tun die Weltverbesserer und die Beauftragten der VN Milleniumskampagne so, als fehle es nur an weiteren Geldspritzen des Nordens um Armut und Hunger insbesondere in Afrika zu beseitigen. Davon dass der Wille zur Beseitigung der Probleme bei den Mächtigen in Afrika beschämend schwach ausgeprägt ist und es auch ohne Menschenrechte keine Entwicklungschancen gibt, wird nicht gesprochen. Das wäre politisch nicht korrekt.Oder hat Umberto Eco recht, wenn er meint, dass politische Korrektheit überhaupt dazu da ist, das zugrunde liegende Problem, weil es ungelöst ist , zu kaschieren? Da helfen auch die leidenschaftlichen Appelle an die "reichen"Regierungen nicht. Es sind die falschen Adressen.
Wer spricht schon davon, dass in vielen Ländern in Schwarzafrika kaum politischer Wille zu erkennen ist den Analphabetismus ernsthaft zu bekämpfen. Dass der Norden zögert noch mehr Geld an Regime zu geben ist nicht die Schande, sondern dass die afrikanischen Eliten so wenig Interesse am Wohlergehen ihrer Bevölkerung haben. Noch immer sind Millionen von Kindern gezwungen ohne die Lebensgrundlagen des Lesens, Schreibens und Rechnens sich durchschlagen zu müssen. Sie wachsen hinter einer Mauer von Unwissenheit und Armut auf. Sie lernen nicht wie man sich gegen ihre Ausbeuter wehrt und sich vor Krankheiten wie Malaria und Aids schützt. Es fehlt in vielen Ländern an einer grundlegenden Gesundheitsversorgung-nicht, weil die Mittel nicht da sind, sondern weil die Regierenden, ihre Beamten und deren Angehörige immer in Europa oder in den USA behandelt werden. Noch mehr Entwicklungshilfe wird dies nicht ändern. Es wird erst erkennbare Fortschritte geben, wenn das fundamentale Problem Afrikas die Bildung von den afrikanischen Regierungen ernsthaft in Angriff genommen wird und sie -wie versprochen- 20 % ihres nationalen Budget in Bildung investieren. Im Senegal und in Ruanda ist der politische Wille vorhanden. Dort werden große Anstrengungen unternommen, um die Bildungsmöglichkeiten stetig zu verbessern. In beiden Ländern wurde erkannt, dass auf mittlere Sicht Investitionen in Bildung für die Entwicklung, Gesundheit und das Wirtschaftswachstum genauso wichtig sind wie in Investitionen in die Infrastruktur. Ich kenne kein Problem Afrikas, das nicht direkt oder indirekt auf die fehlende Bildung zurückzuführen wäre.
Mit den autoritären Machtstrukturen, fehlenden Beteiligungsrechten der Bevölkerung, ausgeprägter Korruption, schlechter Wirtschaftspolitik sowie fehlender konkreter Beschäftigungsziele und sich daraus ergebender Wachstumsschwäche in vielen Staaten Afrikas südlich der Sahara werden handfeste Fortschritte praktisch unmöglich. Die angesehene Stiftung des sudanesischen Unternehmers Mo Ibrahim,
zeichnet seit 2007 afrikanische Staatslenker aus, die sich am Gemeinwohl orientiert, mit Rechtsbewußtsein regiert und sich verfassungsgemäß aus der Macht verabschiedet haben. Nur 2009 hat die Stiftung niemanden gefunden der das Preisgeld mit einer 10-Jahres-Rente von je fünf Millionen Dollar, verdient hätte.
Hoffnung macht, dass die Zahl der uneinsichtigen Regime sich seit 1990 etwas verringert hat. Freedom House, eine amerikanische Organisation, die jährlich den Stand der bürgerlichen und politischen Freiheiten misst zählt heute zehn (von 53 Staaten) in Afrika zu den Demokratien, in denen faire Wahlen gewährleistet und Regierungswechsel möglich geworden sind.
Der ghanaische Wirtschaftswissenschaftler George Ayittey bezeichnet die Jugend Afrikas als "Geparden-Generation", weil sie sich schneller bewegt als die "Flusspferd-Generation", die vielerorts noch an der Macht ist. "Flusspferde beklagen sich noch über Kolonialismus und Imperialismus, während die schnellen Geparden, Demokratie, Transparenz und ein Ende der Korruption fordern".
Nur wenn die steinreiche "Flusspferd-Generation", die mit ihrer Verantwortungslosigkeit für die Armut in Afrika gesorgt hat keine Regierungsverantwortung mehr trägt werden auch die Milleniumsziele erreicht werden können.
Volker Seitz war Botschafter in mehreren afrikanischen Staaten. Er gehört zum Initiativkreis des Bonner Aufrufs zur Reform der Entwicklungshilfe (http://www.bonner-aufruf.eu) und ist Autor des Buches "Afrika wird arm regiert", dtv, 2009