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Für eine andere Entwicklungspolitik!

Beitrag vom 25.01.2011

Cicero, Jan. 2011

Fünf Millionen US-Dollar in bar und 200 000 Dollar Rente für Frieden in Afrika
von Marc Engelhardt

Der sudanesische Selfmademilliardär Mo Ibrahim investiert ausgerechnet in Afrikas Regierungen. Er ist überzeugt, dass die als korrupt und für Vetternwirtschaft bekannte Politelite auf dem Kontinent sich bessern kann.

In Sachen guter Regierungsführung war 2010 kein gutes Jahr für Afrika - so viel steht fest. In der Elfenbeinküste riskiert ein abgewählter Präsident aus Machtgier einen neuen Bürgerkrieg, in Niger putscht sich eine Militärjunta an die Macht, und im Sudan und in Äthiopien fälschen seit Jahrzehnten herrschende Cliquen die Wahlen so, wie es ihnen passt. Wenig spricht dafür, dass sich die Lage im neuen Jahr grundsätzlich ändert: Der Dauerbürgerkrieg in Somalia wird 20 Jahre alt, in Simbabwe kämpft der greise Robert Mugabe mit allen Mitteln um den Verbleib an der Staatsspitze, und eine geplante Volksabstimmung über eine Unabhängigkeit des Südsudans droht an der Regierung in Khartoum zu scheitern.

Doch Mo Ibrahim ficht das alles nicht an. Der Sohn eines sudanesischen Baumwollhändlers ist davon überzeugt, dass Afrikas politisches Personal sich ändern kann - und wird. So überzeugt ist der 64-jährige Sudanese, dass er seit 2007 die höchstdotierte Auszeichnung der Welt ausschreibt. Wer gut regiert und freiwillig die Macht aufgibt, kann sich auf fünf Millionen US-Dollar in bar und - nach zehn Jahren - auf weitere 200000 Dollar jährlich bis zum Lebensende freuen. Der "Prize for African Leadership" ist nicht zuletzt deshalb so hoch dotiert, weil er Präsidenten und Premiers davon abhalten soll, die Staatskassen zu plündern. "Wir wollen, dass afrikanische Führer ihr Land nach vorne bringen und dann rechtzeitig abtreten", beschreibt Ibrahim seine Mission.

Bei jeder Gelegenheit betont er, dass Afrikaner nur mit besseren Regierungen die Chance haben werden, der Armut zu entrinnen. Dabei lässt der Selfmademilliardär keinen Zweifel an seiner Überzeugung, dass der Staat nicht für die Wohlfahrt jedes Einzelnen zuständig ist. Zwar erinnern sich Kommilitonen, die mit Ibrahim in den siebziger Jahren im ägyptischen Alexandria studiert haben, an dessen glühende Begeisterung für den Marxismus. Doch selbst wenn die Erinnerungen zutreffen, ist diese Phase bei Ibrahim offenkundig vorbei. Heute glaubt er an die Kraft des Unternehmertums. "Man muss hart arbeiten und Glück haben", sagte Ibrahim in einem Gespräch mit U2-Sänger Bono. "Das Problem ist, wenn man dazu nicht die Chance bekommt, kann man es auch nicht schaffen." Vom Staat erwartet Ibrahim daher, dass er ehrliches Unternehmertum zumindest zulässt - oder, besser noch, fördert.

Diese Philosophie spiegelt Ibrahims eigenes Leben wider. Nach einem kurzen Intermezzo bei Sudans staatlicher Telefongesellschaft wanderte Mo Ibrahim Anfang der Achtziger nach Großbritannien aus, um sich beruflich weiterentwickeln zu können. Er wurde technischer Direktor bei Cellnet, dem Mobilfunkanbieter der staatlichen British Telecom. 1989 machte er sich selbstständig - als Berater für den Aufbau von Mobilfunknetzen, der zu diesem Zeitpunkt überall in Europa in vollem Gange war. Elf Jahre später verkaufte er seine Beratungsfirma für 900 Millionen Dollar und entwickelte eine neue Idee.

Wäre es möglich, so überlegte Ibrahim, den europäischen Mobilfunkboom nach Afrika zu tragen und dort ein profitables Mobilfunkunternehmen aufzubauen? Ohne einen Cent Schmiergeld zu zahlen, versteht sich. Die Antwort lautete: Probieren wir's aus. Als erster Unternehmer wagte sich Ibrahim auf den afrikanischen Markt und investierte alles, was er besaß. Ein gutes Jahrzehnt später war Ibrahims Unternehmen Celtel das größte Mobilfunkunternehmen Afrikas mit 20 Millionen Kunden in 15 Ländern. Als er Celtel 2005 an den kuwaitischen MTC-Konzern verkaufte, wurde Ibrahim auf einen Schlag um 3,4 Milliarden Dollar reicher.

Dieses Geld investiert er heute in Afrikas Entwicklung. Die "Mo Ibrahim Foundation" zeichnet nicht nur verdiente Politiker aus, sie unterstützt mit zunächst 150 Millionen Dollar auch vielversprechende afrikanische Unternehmen. Jährlich wird außerdem der "Ibrahim Index" veröffentlicht, der die Fortschritte bei der Regierungsführung in allen 53 afrikanischen Staaten misst. Am Ende der Tabelle stehen die üblichen Verdächtigen: Somalia, Simbabwe oder der Tschad. An der Spitze rangieren vor allem Kleinststaaten wie Mauritius und die Seychellen oder auch Botsuana. Doch es gibt Bewegung: Ruanda etwa, vom Völkermord 1994 gezeichnet, klettert im Ranking unaufhaltsam nach oben.

Es sind kleine Erfolge wie diese, die Ibrahim in seinem Engagement bestätigen - und die Überzeugung, dass Wirtschaftswachstum alleine dem Kontinent nicht hilft. Das zunehmende chinesische Engagement in Afrika - mit Millionenkrediten auch an korrupte und brutale Regime - betrachtet er deshalb skeptisch.

Nicht einmal die Tatsache, dass seine Auszeichnung bisher erst an zwei Staatschefs (Festus Gontebanye Mogae und Joaquim Alberto Chissano sowie ehrenhalber an Nelson Mandela) vergeben wurde, trübt Ibrahims Optimismus. 2009 und 2010 verkündete Ibrahim der verblüfften Presseschar, es gebe keinen afrikanischen Politiker, der den Preis verdient habe. "Die Standards sind hoch, und deshalb ist es wahrscheinlich, dass der Preis in manchen Jahren nicht vergeben wird", erklärte Ibrahim lapidar. Angesichts der aktuellen Lage, mutmaßen viele, ist auch in den kommenden Jahren und Jahrzehnten kein neuer Preisträger in Sicht. Doch Ibrahim wischt solche Unkenrufe beiseite und beschwört die Kraft der Hoffnung. "Ein Mandela reicht einfach nicht für Afrika - wir brauchen viele, viele Mandelas."