Beitrag vom 26.03.2012
TagesAnzeiger, Zürich
Eine neue Ära für ein gebeuteltes Land
Der neue Präsident Senegals heisst Macky Sall. Dass er über Amtsinhaber Abdoulaye Wade siegen konnte ist auch ein Triumph für die Demokratie des Landes. Der neue starke Mann hat bereits viel Machtinstinkt bewiesen.
Nach der Stichwahl um das Präsidentenamt im Senegal hat Amtsinhaber Abdoulaye Wade nur Stunden nach Schliessung der Wahllokale seine Niederlage eingeräumt. Er habe gestern Abend seinen Herausforderer Macky Sall angerufen und ihm zum Sieg gratuliert, berichtete das Staatsfernsehen. Dieser erklärte später auf einer Pressekonferenz, der Präsident aller Senegalesen sein zu wollen. «Heute beginnt eine neue Ära für den Senegal», sagte Sall vor Journalisten und Anhängern.
Vorläufige Ergebnissen zufolge setzte sich der frühere Ministerpräsident klar gegen Wade durch. Schon vor dessen Eingeständnis zogen die Anhänger Salls feiernd durch die Hauptstadt Dakar. Einige tanzten sogar auf den Dächern fahrender Autos.
Der 85-jährige Wade hatte in der ersten Wahlrunde Ende Februar noch knapp 35 Prozent der Stimmen gewonnen, Sall gut 26 Prozent.
Gewalttätiger Wahlkampf
Senegal gilt traditionell als eine der wenigen stabilen Demokratien in Westafrika. Während die meisten afrikanischen Länder erst mit Beginn der postkolonialen Ära in den 60er-Jahren erste Wahlen abhielten, stimmten die Senegalesen bereits vor 164 Jahren über einen Vertreter im Parlament der damaligen Kolonialmacht Frankreich ab.
Wades Kandidatur war von Anfang an umstritten und der Wahlkampf von gewalttätigen Protesten überschattet, bei denen mehrere Menschen starben. Eigentlich sieht die Verfassung des westafrikanischen Landes maximal zwei Amtszeiten für den Präsidenten vor.
Das oberste Gericht fand jedoch ein juristisches Schlupfloch für den 85-Jährigen: Da er im April 2000 ein Jahr vor der Verabschiedung der neuen Verfassung das erste Mal zum Staatsoberhaupt gewählt worden war, wurde er erneut zur Wahl zugelassen.
Unmut über Sperrung von Youssou N'Dour
Für Unmut hatte im Vorfeld ausserdem die Nichtzulassung Youssou N'Dours gesorgt. Der populäre Musiker (»Seven Seconds») hatte angeblich zu wenig Unterstützerstimmen gesammelt, um als Präsidentschaftskandidat antreten zu können.
Auch gestern kam es wieder zu Protesten, als Wade seine Stimme abgeben wollte. Die Polizei ging mit Tränengas gegen die Demonstranten vor dem Wahlbüro vor.
Wades Eingeständnis der Niederlage wasche die Wunden einer gewaltsamen Wahlperiode mit mindestens sechs Toten hinweg, sagte der Soziologe Hadiya Tandian. «Das ist ein grosser Triumph für den Senegal. Er zeigt die Reife unserer Demokratie.»
Karriere unter Wade
Der neue Präsident Senegals durchlief eine rasante Politik-Karriere - unter dem abgewählten Abdulaye Wade. Der 51-jährige Geologe, der sich in seinem Bereich auch in Frankreich weiterbildete, wuchs in der Stadt Fatick als Kind einfacher Eltern auf, sein Vater ist Beamter, seine Mutter verkaufte Erdnüsse.
Sein Vater war zunächst ein grosser Anhänger der Sozialisten, doch deren schlechte Amtsführung führten den jungen Macky bald zur Opposition. Sall war an Wades Seite als dieser die Sozialisten vom Thron stiess. 2003 übernahm Sall das Ressort für Bergbau, Energie und Wasser und das Innenministerium. 2004 berief ihn Wade zum Premier, 2007 wurde er Präsident der Nationalversammlung.
Der greise Ex-Präsident hat sich nicht nur mit seinem Wahlmanöver einer dritten Amtszeit unbeliebt gemacht, er hatte auch versucht, seinen, Sohn Karim als Kronprinzen aufzubauen. Hier hatte Sall den Mut gezeigt, Karim vors Parlament zu laden, um dessen Umgang mit öffentlichen Mitteln zu durchleuchten, was zu einem Bruch zwischen Wade und Sall führte.
Grosse Herausforderungen warten
Dieser Schritt wurde Sall in der senegalesischen Öffentlichkeit hoch angerechnet. Gegen Ende des Wahlkampfes wurde Macky Sall auch deshalb von allen Oppositionspartein unterstützt, weil man ihn schlussendlich als einzigen ansah, der in der Lage war, Abdulaye Wade zu verhindern.
Den neuen Präsidenten erwarten grosse Herausforderungen: Grosse Teile der senegalesischen Bevölkerung leiden unter bitterster Armut, im Norden des Landes droht eine Hungersnot. Wirtschaftlich ist das Land stark von Importen abhängig, zum Beispiel von Erdöl, Lebensmitteln und Maschinen. Das Sagen haben im Land vor allem französische Konzerne. Mehr als zwei Drittel der Erwerbstätigen sind in der Landwirtschaft beschäftigt wobei die wichtigste Einnahmequelle des Landes der Erdnussanbau ausmacht. Immer wieder hat das Land unter Dürre zu leiden.
Macky Sall hat nun angekündigt, die Staatsfinanzen sanieren zu wollen, die drohende Hungersnot und die Armut bekämpfen zu wollen. Die Zahl der Minister und Diplomaten im Ausland soll verringert werden.
-------------------------------------------------------------------------------------------------
Der Senegal ist knapp fünf mal so gross wie die Schweiz und hat an die 13 Millionen Einwohner. In den letzten 20 Jahren hat sich die Bevölkerungszahl mehr als verdoppelt. Über 40 Prozent der Bürger sind jünger als 14 Jahre.
Das Gebiet des Senegal ist bereits seit dem 12. Jahrhundert ein Teil der islamischen Welt. Heute bekennen sich mehr als 90 Prozent der 12 Millionen Einwohner des Landes zum Islam.
(sda)
(rbi/kle/Mit Material von dapd und sda)