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Für eine andere Entwicklungspolitik!

Beitrag vom 29.05.2012

Wiener Zeitung

"African Economic Outlook 2012" bemängelt Wachstum, das nur wenigen zugute kommt

Wachstum ohne Jobs in Afrika
Länder mittleren Einkommens schaffen keine Arbeit für Jugendliche.

Paris/Accra. (wak) Auf dem Papier sind die Zahlen für den schwarzen Kontinent positiv. Insgesamt ist die Wirtschaft in Afrika 2011 um rund 3,4 Prozent gewachsen, schätzt der aktuelle "African Economic Outlook" der OECD. Und das, obwohl die Wirtschaft in Nordafrika aufgrund der Umstürze und Bürgerkriege praktisch stagnierte - diese Region ist auf dem riesigen Kontinent für ein Drittel der Wirtschaftsleistung verantwortlich.

Dass der Kontinent trotz der Ausfälle von Libyen und Tunesien ein Wachstum verzeichnen konnte, liegt an den noch immer relativ hohen Rohstoffpreisen - der Rohstoffexport bleibt der wichtigste Wirtschaftszweig. Doch davon profitieren nur wenige.

"Der Kontinent erlebt ein Wachstum ohne Jobs", meint Mthuli Ncube, Chefökonom und Vizepräsident der African Development Bank (AfDB). "Das ist die inakzeptable Realität."

Betroffen sind - auch in Afrika - vor allem junge Menschen. Der Unterschied zu Europa ist die demographische Entwicklung. "Im Jahr 2045 wird sich die Zahl der Jugendlichen verdoppelt haben", so der Report. "Arbeitsplätze für die rasch wachsende Bevölkerung zu schaffen wäre der Schlüssel zu zukünftigem Wohlstand."

Neu ist das Problem nicht: In den Jahren der Hochkonjunktur zwischen 2000 und 2008 wuchs kein Kontinent so rasch wie Afrika. Trotzdem wurden in demselben Zeitraum nur 16 Millionen Jobs für junge Menschen geschaffen. Derzeit machen Afrikaner zwischen 15 und 24 Jahren rund 60 Prozent der Arbeitslosen aus. Von diesen 40 Millionen Betroffenen haben laut dem Report schon mehr als die Hälfte die Hoffnung aufgegeben, eine Arbeit zu finden - die meisten davon Frauen.

Der Report, der gemeinsam von OECD, AfDB und UN-Abteilungen (UNDP und UNECA) erstellt worden ist, warnt davor, dass die arbeitslosen Jugendlichen eine Bedrohung der Stabilität darstellen könnten.

"Jugendarbeitslosigkeit ist dabei vor allem ein Problem in den Staaten mit mittleren Einkommen wie in Südafrika oder in der nordafrikanische Region. Obwohl die Jugendlichen besser ausgebildet sind, findet nur eine Minderheit Arbeit", erklärt Mario Pezzini, Direktor des OECD-Entwicklungszentrums. Das Problem gebe es in den Ländern mit niedrigem Einkommen nicht: Dort sei Arbeit vorhanden, allerdings werde sie kaum bezahlt.

Anders als befürchtet, nahmen die Gelder für Entwicklungshilfe nach Afrika nicht ab, sondern blieben 2011 konstant. Entwicklungshilfe war für die 20 ärmsten afrikanischen Länder (der Kontinent zählt 54 Staaten) noch immer die Haupteinnahmequelle von außen.

Erdölland Nigeria als Magnet für Investoren
Dabei fließen seit 2005 mehr ausländische Direktinvestitionen als Entwicklungshilfe nach Afrika. Die Investitionen von außen - die 2011 noch deutlich unter dem Vorkrisenniveau 2008 waren - haben aber natürlich andere Ziele: die Länder mittleren Einkommens, die über Rohstoffe verfügen. Nigeria, Südafrika, Marokko, Angola und die Republik Kongo waren die Top-5-Destinationen der ausländischen Investitionen 2011 - diese fünf Länder absorbierten vergangenes Jahr fast die Hälfte (48 Prozent) aller Investitionen. Das Erdölland Nigeria lag mit 7,36 Milliarden US-Dollar an der Spitze.

Für Marokko war es das erste Mal, dass sich ausländische Investoren so um das Land rissen. Die Autoren der Studie machen offiziell die Reformanstrengungen des vergangenen Jahrzehnts in Marokko dafür verantwortlich, die sich nun auszahlen würden. Allerdings kamen dem politisch stabil gebliebenen Marokko wahrscheinlich auch die Tumulte in Nordafrika zugute - Investoren suchten nach Ausweichmöglichkeiten.

Bisher war Südafrika - das bekanntlich als eines der wirtschaftlich vielversprechenden Schwellenländer in dem Akronym BRICS in einem Atemzug mit Nationen wie Brasilien und China genannt wird - das Hauptzielland der Investoren. Doch laut dem Internationalen Währungsfonds holen die zwei westlichen Staaten - Nigeria und Ghana - schnell auf. Nigeria ist schon seit langem Erdölexporteur, und Ghana stieg erst 2010 und 2011 durch die Entdeckung einer neuen Ölquelle ebenfalls zu einer Ölgroßmacht auf.

Schwieriger Kampf gegen Gewalt und Korruption
Ghana versuchte zwar, die Gewalt und Korruption zu unterdrücken, mit der Nigeria nach den Ölfunden zu kämpfen hatte. Doch die wirtschaftliche Tradition des Kontinents scheint sich in Ghana fortzusetzen: 2010, als die Ölquelle erschlossen wurde, wuchs Ghanas Wirtschaftsleistung um mehr als 8 Prozent. 2011 war Ghana in Afrika schon das Land mit dem bei weitem größten Wirtschaftswachstum (OECD-Schätzung: 14Prozent). "Das ökonomische Wachstum konnte nicht in die Schaffung von Jobs übersetzt werden. In formellen Sektoren arbeiten nur 11,5 Prozent der Arbeitskräfte. Dagegen befinden sich rund 54 Prozent der Arbeitskräfte in informellen Beschäftigungsverhältnissen", schreibt die OECD.

Und von den wenigen im formellen Sektor beschäftigten Personen sind nur 14 Prozent Jugendliche. Aus Ermangelung an anderen Möglichkeiten werden Jugendliche so regelrecht gezwungen, "sich im informellen Sektor Arbeit zu schaffen".