Beitrag vom 03.01.2013
Allgemeine Zeitung, Windhoek
Das Herz von Afrika kommt nicht zur Ruhe
Nach dem Wiederaufflammen des Bürgerkrieges in Ostkongo zum Ende des Jahres 2012 ist nun auch die benachbarte Zentralafrikanische Republik Schauplatz einer Rebellion geworden, unter der vor allem die Zivilbevölkerung des bitterarmen Landes leidet. Für Unruhe in der früheren französischen Kolonie sorgt eine aus drei Gruppen bestehende Rebellenkoalition, die unter den Namen Séléka firmiert.
Der Ausbruch der Kämpfe kam umso überraschender, als bei Friedensgesprächen im benachtbarten Tschad erst vor wenigen Tagen ein loser Waffenstillstand zwischen den verfeindeten Parteien vereinbart worden war. Die Machthaber in der Hauptstadt Bangui erklärten sich dennoch zu weiteren Verhandlungen mit den Rebellen bereit. Allerdings wurden neue Gespräche mit den Rebellen an deren Rückzug auf Positionen geknüpft, die sie vor dem 10. Dezember gehalten hatten.
Die Aufständischen erklärten, ihre jüngste Offensive sei eine Reaktion auf fortgesetzte Angriffe der Regierungstruppen gewesen. Eine Eroberung von Bangui sei jedoch nicht geplant. Bereits zuvor hatten die Rebellen mit Bria das Zentrum des Diamanthandels erobert. Sie werfen Präsident Bozize und seinen Helfern vor, einen vor fünf Jahren geschlossenen Friedensvertrag nicht wie versprochen befolgt zu haben. Der Vertrag hatte einen lange schwelenden Konflikt zwischen dem Regime in Bangui und verschiedenen Rebellengruppen offiziell beendet, auch wenn einzelne Splittergruppen weiterkämpften. Im Rahmen des Abkommens sollten eigentlich alle politische Gefangenen freigelassen, entwaffnete Kämpfer ausbezahlt und die Rebellen in die reguläre Armee eingegliedert werden. Die Regierung der Zentralafrikanischen Republik muss sich seit Jahren gegen immer neue Aufstände und Rebellionen zur Wehr setzen. Außerhalb der Hauptstadt Bangui hat sie quasi keinen Einfluss mehr.
Überhaupt haben die Menschen in dem bitterarmen Land einen ähnlichen Leidensweg hinter sich wie die Bevölkerung im südlich gelegenen Nachbarstaat Kongo. Während der Staatschef dort für viele Jahre Mobutu Sese Seko hieß, herrschte in der Zentralafrikanischen Republik lange Zeit Jean Bedel Bokassa. 1977 ließ dieser sich in einem Anfall von Größenwahn zum Kaiser krönen, zwei Jahre später wurde er dann gestürzt. Sein Nachfolger Ange-Félix Patassé war weniger blutrünstig als Bokassa. Allerdings war er ebenso korrupt: In den Amtsstuben saßen auch damals fast nur (oft völlig inkompetente) Beamte seiner eigenen Volksgruppe.
2003 wurde Patasse dann von dem gegenwärtigen Machthaber Bozize gestürzt, was unter der Bevölkerung des Landes zunächst auch auf breite Zustimmung stieß. Allerdings machte sich in Bangui schnell wieder das alte Muster der ethnischen Vetternwirtschaft breit. Zwar konnte Bozize die Wahlen in den Jahren 2005 und 2011 deutlich gewinnen, doch haben sich die Spannungen im Land nie verringert.
Der jüngsten Bedrohung durch die erst im August gegründete Rebellenallianz begegnet Bozize mit einem alten Reflex: dem Ruf nach Hilfe aus dem Tschad und aus Frankreich. Allerdings hat zumindest die ehemalige Kolonialmacht den Einsatz eigener Soldaten zum Schutz der amtierenden Regierung in Bangui bereits abgelehnt. Präsident François Hollande sagte mehrfach, die im Land stationierten französischen Soldaten würden sich nicht in einen internen Konflikt einmischen, sondern allein die von aufgebrachten Menschen angegriffene Botschaft in der Hauptstadt Bangui schützen. Die gewalttätigen Demonstranten werfen Frankreich vor, seine ehemalige Kolonie im Stich zu lassen.
In der Vergangenheit hatte Bozize mehrfach ausländische Unterstützung zur Niederschlagung von Aufständen benötigt. Dabei kam ihm zugute, dass französische Offiziere der zentralafrikanischen Armee schon lange als Berater dienen. Seit der Unabhängigkeit des Landes im Jahre 1960 verbindet beide Staaten ein Verteidigungspakt. Die Zentralafrikanische Republik ist zudem reich an Bodenschätzen. Neben Diamanten und Gold gibt es nahe der Stadt Boukouma auch ein größeres Uranvorkommen, das dem französischen Energiekonzern Areva gehört.
Von Wolfgang Drechsler