Beitrag vom 22.01.2013
Wiener Zeitung
Soldaten meutern in Eritrea und fordern Reformen
Aufstand gegen einen Autokraten
Asmara. Meuternde Soldaten haben in Eritrea am Montag das Informationsministerium besetzt und politische Reformen gefordert. Die Armee belagerte das Ministerium in der Hauptstadt Asmara mit zwei Panzern, nachdem rund 200 Aufständische in das Gebäude eingedrungen waren, berichteten Diplomaten. Schüsse fielen zunächst nicht, die Lage in der Stadt war den Angaben zufolge noch ruhig.
Unklar blieb zunächst, wie weit die Forderungen der Aufständischen gehen. Bis zum frühen Abend lagen noch keine Berichte darüber vor, ob sie lediglich Reformen verlangen oder ob sie auch darauf abzielen, den 66-jährigen Präsidenten Isayas Afewerki zu stürzen.
Informationen aus dem Land am Horn von Afrika zu bekommen ist schwierig: Eritrea hat sich vollkommen abgeschottet, fast keine ausländischen Journalisten dürfen in das Land. Exileritreer berichteten allerdings, dass die Aufständischen den Direktor des staatlichen Fernsehens gezwungen hätten, eine Erklärung zu verlesen, wonach sämtliche politischen Gefangenen freigelassen werden sollen. Gleichzeitig gab es Berichte, dass das staatliche Fernsehen und das staatliche Radio zeitweise überhaupt nicht mehr empfangen werden konnten.
Eritrea hat sich nach einem Bürgerkrieg 1993 von Äthiopien abgespalten. Präsident Afewerki herrscht seitdem mit eiserner Hand. Die UNO schätzt, dass in dem Staat mit fünf Millionen Einwohnern zwischen 5000 und 10.000 politische Gefangene einsitzen. Menschenrechtsorganisationen berichten zudem von Folter und Massenexekutionen. International hat sich Eritrea isoliert und wurde von der UNO mit Sanktionen belegt. Dem Land wird vorgeworfen, in Somalia die radikalislamistische Al-Shabaab-Miliz zu unterstützen.
Hintergrund
Der frühere Unabhängigkeitskämpfer Isaias Afewerki führte das verarmte Land am Horn von Afrika gelegene Eritrea seit 1993 mit eiserner Hand. Kritiker ließ er einsperren, die privaten Medien alle "als Gefahr für die nationale Sicherheit" schließen. Die einzig zugelassene Partei ist die regierende Volksfront für Demokratie und Gerechtigkeit. Nun soll es zu einem Putsch gekommen sein.
• 1890 - Nach Jahrhunderten als annektiertes Gebiet des Osmanischen Reiches wird Eritrea italienische Kolonie.
• 1941 - Die Briten besetzen Eritrea im Zweiten Weltkrieg.
• 1952 - UNO-Beschluss: Eritrea wird Teil eines Staatenbunds mit Äthiopien. Dies sollte ein Kompromiss zwischen äthiopischen Ansprüchen und Unabhängigkeitsforderungen in Eritrea sein.
• 1962 - Äthiopien unter Kaiser Haile Selassie annektiert Eritrea und macht es zu einer Provinz. Ein 32 Jahre langer Widerstandskampf beginnt, angeführt von der Eritreischen Volksbefreiungsfront.
• 1991 - Die Volksbefreiungsfront nimmt die Hauptstadt Asmara ein und bildet eine vorläufige Regierung; befreundete Rebellen stürzen den kommunistischen Diktator Mengistu Haile Mariam in Addis Abeba.
• 1993 - Die eritreische Bevölkerung spricht sich in einem Referendum mit überwältigender Mehrheit für die Unabhängigkeit aus. Äthiopien wird vom Meer und Häfen abgetrennt.
• 1998-2000 - Kämpfe an der umstrittenen Grenze zwischen Eritrea und Äthiopien wachsen sich zu einem Krieg mit Zehntausenden Toten aus. Nach einem Friedensplan unter Einbeziehung der UNO samt Blauhelmen bleibt die Lage bis heute fragil.
• 2005 - Wegen Dürre mehr als 800.000 Menschen auf internationale Hilfe angewiesen. Eine internationale Kommission gibt Eritrea die Schuld am Kriegsausbruch 1998: Der Angriff auf Äthiopien sei keine Selbstverteidigung gewesen.
• 2007 - Weibliche Genitalverstümmelung verboten. Die USA erwägen Eritrea auf die Liste der "Schurkenstaaten" zu setzen, die den Terror unterstützen.
• 2008 - Kämpfe an der Grenze mit Dschibuti. Die UNO-Mission in Eritrea und Äthiopien (UNMEE) wird beendet, nachdem Eritrea sie durch Einschränkungen unmöglich gemacht hat.
• 2009 - Schwere Menschenrechtsvorwürfe gegen die eritreische Regierung. Human Rights Watch spricht von dem Land als "Riesen-Gefängnis". Die UNO verhängt Sanktionen gegen Eritrea wegen Unterstützung islamistischer Rebellen in Somalia, während Äthiopien die somalische Übergangsregierung unterstützt.
• 2010 - Der Think Tank International Crisis Group warnt, Eritrea könnte zu einem "failed state" werden. Die Wirtschaft liegt darnieder. Oppositionelle Gruppen bilden ein Exil-Parlament in Äthiopien.
• 2011 - Äthiopien räumt die Unterstützung von eritreischen Rebellen zum Sturz des eritreischen Präsidenten Isaias Afewerki ein. UNO-Sanktionen wegen Somalia verschärft. Laut UNO-Bericht steckt Eritrea hinter einer Verschwörung, den Gipfel der Afrikanischen Union anzugreifen. Schwere Dürre.
• 2012 - Afewerki monatelang von der Bildfläche verschwunden - Gerüchte über Erkrankung. Der UNO-Menschenrechtsrat ernennt einen eigenen Sonderberichterstatter zur Beobachtung der Menschenrechtslage in Eritrea.