Beitrag vom 06.08.2016
Frankfurter Rundschau
Weltbank schwächt Standards ab
Tobias Schwab
Verbände und Politiker kritisieren die neuen Regeln für die Finanzierung von Entwicklungsprojekten der Weltbank.
Neue Umwelt- und Sozialstandards der Weltbank sollen negative Auswirkungen der von ihr finanzierten Projekte in Entwicklungs- und Schwellenländern verhindern. Der Verwaltungsrat des multinationalen Entwicklungsinstituts verabschiedete die sogenannten Safeguards am Donnerstag (Ortszeit) in Washington.
Das neue Regelwerk sei nach den ausführlichsten Beratungen in der Geschichte der Weltbank erstellt worden, sagte Bankpräsident Jim Yong Kim. Es enthalte neue Schutzklauseln zugunsten „der Umwelt und der schwächsten Menschen auf der Welt“.
Auch der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesentwicklungsministerium, Thomas Silberhorn, hält die neuen Safeguards für einen großen Fortschritt. „Gegenüber den gegenwärtigen Standards konnten die Schutzrechte durch die Aufnahme bisher unberücksichtigter Bereiche bedeutend erweitert werde“, sagte Silberhorn auf Anfrage der Frankfurter Rundschau.
Seit Jahren steht die global einflussreichste Entwicklungsbank in der Kritik, bei ihren Projekten die Verletzung von Menschen in Kauf zu nehmen. Im vergangenen Jahr hatte die Weltbank selbst eingeräumt, nicht zu wissen, wie viele Menschen im Zusammengang mit von ihr finanzierten Vorhaben umgesiedelt und wie viele davon angemessen entschädigt wurden.
Dass es mit den neuen Regeln nun besser wird, bezweifeln Nichtregierungsorganisationen und Menschenrechtsinstitute allerdings massiv. Korinna Horta vom Verein Urgewald spricht sogar von einer „Verwässerung und Aushöhlung“ bisheriger Schutzstandards. Das jetzt verabschiedete Regelwerk enthalte keine verpflichtende Prüfung auf mögliche Menschenrechtsverletzungen mehr, kritisierte die Expertin für multilaterale Entwicklungsbanken.
Nur Absichtserklärungen
Auch Andrea Kämpf vom Deutschen Institut für Menschenrechte moniert, dass die Weltbank bisher verbindliche Standards nun durch Absichtserklärungen ersetze. „Durch den gesamten Entwurf ziehen sich Ermessensklauseln und unbestimmte Formulierungen.“ Beispielsweise könnten kreditnehmende Länder Risikoabschätzungen für große Infrastrukturprojekte künftig erst nach Zusage der Weltbank-Finanzierung vornehmen, erläuterte Kämpf. Und das mit ihren eigenen, nationalen Umwelt- und Sozialmanagement-Systemen – ohne dass die Weltbank sich das Recht vorbehalte, diese auf ihre Vereinbarkeit mit den eigenen Standards zu überprüfen.
Negative Folgen drohen den Kritikern zufolge vor allem für indigene Völker. So erlauben die neuen Standards der Weltbank künftig auch, Projekte in Gebieten zu finanzieren, die für den Naturschutz und für Indigene von besonderer Bedeutung sind. Erleichtert werden auch Zwangsumsiedlungen. Die Weltbank darf Geld bewilligen, ohne dass die Zahl der Betroffenen sowie die Pläne für ihre Umsiedlung und Entschädigung bekannt sind.
Weltbankpräsident Kim verteidigte das neue Regelwerk dennoch als „bestmöglichen Kompromiss“ zwischen den 189 Ländern, die Anteilseigner des Instituts sind. Die Bank habe „einen Mittelweg finden müssen, der sicherstellt, dass es keinen Missbrauch gibt, der es aber gleichzeitig den Nehmerländern ermöglicht, Geld zu leihen“.
ILO-Normen unterlaufen
Tatsächlich hat die Weltbank auch neue Elemente in die Standards aufgenommen. So werden etwa die Themen Arbeitnehmerrechte und Bürgerbeteiligung prominenter behandelt. Allerdings fällt das Institut auch dabei hinter längst bestehende Vereinbarungen der UN zurück. So legt die Weltbank nicht die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO zugrunde, sondern stellt etwa das Recht der Vereinigungsfreiheit von Arbeitnehmern unter den Vorbehalt nationalen Rechts.
Der entwicklungspolitische Sprecher der Grünen, Uwe Kekeritz, kritisierte, dass die Bundesregierung tatenlos zusehe, wie über Jahrzehnte erkämpfte „zentrale Standards aufgeweicht werden“. Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) habe sich wieder einmal als „Großmeister tollster Ankündigung“ erwiesen. Die vollmundigen Versprechen der Bundesregierung zu Beginn der fast vierjährigen Verhandlungen seien wie eine Seifenblase zerplatzt.
Urgewald-Expertin Horta forderte die Bundesregierung auf, als einflussreiche Stimme in der Weltbank dafür Sorge zu tragen, „dass Menschenrechtsprüfungen unabhängig von den neuen Standards durchgeführt werden