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Für eine andere Entwicklungspolitik!

Beitrag vom 13.12.2016

FAZ

Bloß kein Marshallplan für Afrika

„Kölner Memorandum“ warnt vor einer Aufstockung der Hilfen für den Nachbarkontinent

mas. BERLIN, 12. Dezember. Mehr Geld aus dem reichen Norden macht Afrika nur ärmer. Davon ist eine Gruppe Wissenschaftler, Praktiker, Diplomaten und weiterer Fachleute überzeugt. „Es ist ein mehr als 50 Jahre alter Irrtum, zu glauben, wir könnten Entwicklungspolitik für Afrika machen“, schreibt sie in ihrem „Kölner Memorandum“ für eine andere Entwicklungspolitik. Der Irrtum der Industrieländer habe fatale Folgen gehabt. Die Reichen und die Mächtigen seien immer reicher geworden. Die meisten Länder Afrikas wurden nach Ansicht der Autoren nicht selbständiger, sondern abhängiger. „Eine Spirale wie in einem Drogenring: Je mehr Stoff angeboten wird, desto lethargischer und süchtiger werden die Abhängigen.“ Nur dass das Angebot nicht von raffgierigen Kartellen komme, sondern von wohlmeinenden Regierungen. Und verteilt werde es nicht von finsteren Dealern, sondern von oft sehr engagierten Helfern vor Ort.

„Bloß keinen Marshallplan für Afrika!“, lautet die Mahnung der Gruppe um Kurt Gerhardt, früher einmal Landesbeauftragter des Deutschen Entwicklungsdienstes im westafrikanischen Niger und längere Zeit WDR-Hörfunkredakteur. Er wirbt seit längerem für einen Kurswechsel in der Entwicklungspolitik. Die Autoren des Memorandums eint die Überzeugung, dass Entwicklung in Afrika nur von Afrikanern gemacht werden kann und darf. „Eine massive Aufstockung der staatlichen Entwicklungshilfe wird nach aller Erfahrung keine wesentliche Verbesserung der Lebensverhältnisse in den afrikanischen Ländern bewirken“, warnen sie. Vielmehr sei zu erwarten, dass große Teile der zusätzlichen Mittel in falsche Kanäle fließen und der Exodus anhalten werde.

„Insgesamt hat die Entwicklungshilfe bisher keine grundlegende und nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung in Subsahara-Afrika in Gang gesetzt“, heißt es mahnend in dem Memorandum. Vielmehr habe die staatliche Entwicklungshilfe die Abhängigkeit der Empfängerländer verstärkt und das Entstehen wirtschaftlicher Eigendynamik behindert. Trotz privilegierter Handelsbedingungen gebe es auf dem Weltmarkt kaum produzierte Güter aus Afrika südlich der Sahara. Die Entwicklungshilfe sei zu einer Maschinerie geworden, die immer mehr ihrer Selbsterhaltung diene.

Notwendig ist nach Ansicht der Autoren eine Stärkung von einheimischen und ausländischen Unternehmern, die Produktionsbetriebe in Afrika errichteten. Eine wirtschaftliche Entwicklung Afrikas sei ohne Industrialisierung nicht möglich. Dazu brauche man praktische berufliche Bildung und eine Entwicklungshilfe durch zuverlässige Organisationen vor Ort, mit der Eigeninitiative gefördert werde. So ist die Gruppe nicht grundsätzlich gegen Entwicklungszusammenarbeit, dringt aber auf härtere Bedingungen. In krassen Fällen von Korruption sollten solche Transfers für die Dauer der Amtsperiode des amtierenden Präsidenten gestoppt werden. Unkontrollierte „Budgethilfen“ sollten konsequent eingestellt werden.

Dringend geboten ist nach Einschätzung der Autoren eine stärkere Förderung von Programmen zur Familienplanung, um den starken Bevölkerungszuwachs zu begrenzen, der wirtschaftliche und soziale Fortschritte wieder zunichtemache. Positiv beurteilen sie auch Mikrokredite an Frauengruppen und die Unterstützung deutscher Mittelständler mit Risikokapital.