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Für eine andere Entwicklungspolitik!

Beitrag vom 23.08.2018

FAZ

Schädliche Hilfe

Angela Merkel und Entwicklungshilfeminister Müller reisen nach Afrika, das mehr Geld fordert

von Thilo Thielke

KAPSTADT, 22. August

Angela Merkel und Entwicklungshilfeminister Gerd Müller haben sich für die letzte Augustwoche viel vorgenommen. Sie werden zehn schwarz afrikanische Länder bereisen. Auf Müllers Programm stehen Eritrea, Äthiopien, Botswana, Zimbabwe, Moçambique, Ghana und Tschad; auf Merkels Senegal, Nigeria und Ghana. Sie wollen Fluchtursachen beseitigen und Afrika auf die Beine
helfen. Das sind ehrenwerte Ziele, denn der Kontinent darbt.

Wie immer geht es um mehr Geld für Afrika, um Entwicklungshilfe. Dass das Erfolg hat, bezweifeln immer mehr afrikanische Intellektuelle. Sie glauben nicht, dass die Probleme ihres Erdteils ausgerechnet in Berlin gelöst werden können. Im Gegenteil. So sagt die sambische Ökonomin
Dambisa Moyo: „Wir normalen Afrikaner können unsere Eliten kaum zur Rechenschaft ziehen, wenn jemand aus dem Westen kommt und sagt: Macht euch keine Sorgen, wir zahlen weiter, was auch immer
ihr mit dem Geld macht, wie schlecht ihr auch immer regiert.“ Einmal habe ihr ein afrikanischer
Präsident gesagt: „Du kannst machen, was du willst – betrügen, deine Landsleute ermorden. Solange du Hunger und Krankheiten hast, bekommst du Hilfe aus dem Westen, deshalb stehlen
und betrügen afrikanische Regierungen.“

Die Liste der afrikanischen Kritiker von Entwicklungshilfe ist lang. Auf ihr stehen Namen wie der nigerianische Literaturnobelpreisträger Wolf Soyinka, der ugandische Journalist Andrew Mwenda, die Autorin Axelle Kabou aus Kamerun. Ihr Vorwurf lautet, dass Entwicklungshilfe kor
rupte Eliten fördert, Afrikaner von Verantwortung entbindet und dringend nötige Reformen verhindert. Sie setzen Entwicklungshilfe mit Planwirtschaft gleich, und Planwirtschaft habe noch in keinem Land funktioniert. Der britisch-ungarische Ökonom Lord Peter Bauer schrieb: „Entwicklungshilfe ist die Umverteilung des Geldes der Armen aus den reichen Ländern an
die Reichen aus den armen Ländern.“

Es liegt in erster Linie an den Führern der Länder, dass Afrika so arm ist. Nigeria hat Erdöl im Überfluss, Botswana Diamanten, Moçambique Erdgas. Als Ghana noch britische Kolonie war, nannte man es nicht zufällig Goldküste. Der Reichtum an Bodenschätzen brachte in vielen afrikanischen
Ländern eine Rentenökonomie hervor, in der wenig investiert wird. Die Gewinne fließen meist ins Ausland, vor zugsweise in Immobilien in den Geberländern. Derweil grassiert daheim die Korruption. Kein Geld vom deutschen Steuerzahler wird benötigt, um sie zu beenden; man müsste nur aufhören zu stehlen.

Niemand bestreitet, dass Nothilfe sein muss. „Entwicklungshilfe aber schafft mehr Probleme, als sie löst“, sagt der kenianische Ökonom James Shikwati. Seit 1960 wurden, so Schätzungen, bis zu 4000 Milliarden Dollar Entwicklungshilfe in den Kontinent gepumpt, vielen afrikanischen Ländern wurden die Schulden erlassen. Länder, die am meisten Zuwendung bekamen, geht es heute am schlechtesten. Zum Ende der Kolonialzeit lagen Ghana und Südkorea gleich auf. Heute sind asiatische Staaten den afrikanischen enteilt.

Tansania ist ein Musterbeispiel dafür, wie man ein Land in den Ruin treiben kann. Nach der Unabhängigkeit wurde das Land derart mit Geld geflutet, dass man von einer „Tansanophilie“ sprach. Was tat Staatschef Julius Nyerere? Er führte ein sozialistisches Einparteiensystem
ein, verstaatliche die Betriebe und ließ Millionen von Menschen zwangsumsiedeln. Als er 1985 zurücktrat, hatte er erkannt: „Ich habe versagt.“ In den Industriestaaten störte sich kaum jemand an der Politik Nyereres. Das Geld floss weiter.

Es verwundert nicht, dass afrikanische Führer von den wohlhabenden Ländern Geld verlangen. Leichter kommt man nicht daran. Eben forderte Nigers Präsident Mahamadou Issoufou in Deutschland
wieder mehr. Vor einigen Tagen hat Angela Merkel auf dem Bürgerforum in Jena erklärt, wie die Bundesrepublik Niger hilft: „Jetzt haben wir 15 000 Menschen in Beschäftigung gebracht, indem sie sich eigene Wohnungen dort bauen – und, schwupps, klappt es besser.“ Dass es so einfach
ist, bezweifeln selbst Wohlmeinende.

Recht hat Minister Müller, wenn er fordert, man müsse die Afrikaner von Zöllen befreien. Es werden aber nahezu keine Zölle mehr auf afrikanische Produkte erhoben. Deshalb haben sich in Äthiopien Textilfirmen angesiedelt, wo sie für den Export nach Europa und Nordamerika produzieren. Vom Gewinn bleibt nicht viel in Afrika hängen. Da es kaum möglich ist, Geld aus Äthiopien zu repatriieren, investieren Ausländer nur so viel, wie sie müssen. Nennenswerte eigene Produkte, die sich auf den Märkten in der ersten Welt durchsetzen könnten, werden in
Afrika aber nicht hergestellt.

Müller hat auch recht, wenn er mehr ausländische Investoren für Afrika fordert. Wo sollen sie aber investieren? Da sich Grund und Boden in fast allen afrikanischen Ländern in der Hand des Staats befinden, geben Banken keine Kredite, und eine kommerzielle Landwirtschaft kann sich kaum entwickeln. Der frühere britische Premierminister David Cameron attestierte Nigeria einmal, „phantastisch korrupt“ zu sein. Kongo droht der nächste Bürgerkrieg, und in Südafrika
wird demnächst ein Gesetz verabschiedet, das die entschädigungslose Enteignung weißer Farmer erlaubt.

Unternehmer benötigen Rechtssicherheit und die Aussicht auf Gewinn. Der Unternehmer verdient Geld, der Entwicklungshelfer gibt es aus. „Helfen würde mehr Marktwirtschaft, mehr Handel auch
untereinander“, meint Shikwati. Es sei absurd, „dass der Kapitalismus den Rest der Welt reich gemacht hat, aber uns Afrikanern ständig Sozialismus als Medizin verabreicht werden soll“.
Jedes Jahr veröffentlicht die „Heritage Foundation“ eine Liste zur wirtschaftlichen Freiheit. Die freiesten Länder sind auch die mit dem höchsten Bruttoinlandsprodukt pro Kopf. 2018 führt Hongkong vor Singapur, Neuseeland, der Schweiz und Australien. Die unfreiesten Länder sind stets jene, in denen die Menschen am ärmsten sind. Dort liegen hinter Nordkorea Venezuela, Kuba, Kongo und Eritrea. Von den 21 Ländern, die die Wirtschaft „unterdrücken“, liegen 13 in Afrika, angeführt übrigens von Niger.