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Beitrag vom 05.09.2018

FAZ

China

Der ganze Kontinent eine Baustelle

In Afrika herrscht Sorge über Chinas Einfluss/Von Friederike Böge und Thilo Thielke

PEKING/NAIROBI, 4. September. Eine chinesische UN-Soldatin, die von afrikanischen Kindern bestaunt wird. Ein chinesischer Agraringenieur, der Bauern in der Elfenbeinküste das „Getreide der Weisheit“ nahebringt. Ein chinesischer Arzt, der einem Zimbabwer mit einer Operation das Augenlicht gerettet hat: Mit solchen Bildern wirbt China am zweiten Tag des Afrika-China-Gipfels in den Staatsmedien für sein Engagement auf dem Kontinent. Die Bilder, wie der Gipfel, spiegeln ein neues Selbstverständnis wider. China als Entwicklungshelfer und als Vorbild für einen Weg zu wirtschaftlichem Wohlstand. Viele afrikanische Experten kommen in den Pekinger Medien zu Wort. Sie loben den Acht-Punkte-Plan, den Xi Jinping am Montag angekündigt hat, in den höchsten Tönen. „Die Zusammenarbeit Chinas und Afrikas ist ein Win-win nicht nur für China, sondern für die ganze Welt“, sagt etwa der Direktor des „Center for China Studies“ in Abuja, Charles Onunaiju.

Chinas Präsident Xi Jinping hat den angereisten afrikanischen Staatschefs auf dem Gipfel Großes für die kommenden drei Jahre versprochen: Umgerechnet 60 Milliarden Dollar will Peking für Afrika mobilisieren, darunter Darlehen zu normalen Konditionen und zinsgünstige Kredite. Investitionen chinesischer Privatunternehmen in Afrika sollen ebenso gefördert werden wie Importe afrikanischer Produkte nach China. Auch sollen besonders armen Ländern Schulden erlassen werden, die Ende des Jahres fällig wären.

Der Jubel in den afrikanischen Medien fällt dennoch verhalten aus. So sieht die kenianische Tageszeitung „The Standard“ die Reise des Staatspräsidenten Uhuru Kenyatta ausgesprochen kritisch. Unter der Überschrift „Warum Uhurus Chinareise für die Kenianer mehr Schmerz bedeutet“ klagt der Autor, statt vernünftig zu haushalten, reise Kenias Regierungschef immer nach Peking, wenn ihm das Geld ausgehe. Erst im vergangenen Jahr habe er umgerechnet mehr als 3,1 Milliarden Euro bekommen – womit die Summe, die er sich allein für die Eisenbahn von Mombasa nach Nairobi gepumpt habe, auf mehr als sieben Milliarden Euro angewachsen sei. „Mittlerweile ist Kenia bei China doppelt so hoch verschuldet wie bei Deutschland, Japan, Frankreich, den Vereinigten Staaten, Großbritannien, Kanada, Belgien und Italien zusammen.“

Das ostafrikanischen Land, so der Autor, stecke so tief in der „Schuldenfalle, dass es seine Staatsfinanzen auf lange Sicht kaum noch vernünftig konsolidieren kann“. Der Vorsitzende der Afrikanischen Union, Ruandas Staatschef Paul Kagame, behauptet, „von den wachsenden Verbindungen zu China profitieren alle in gleichem Maß und niemand hat irgendeine Last zu tragen“. Damit habe er unrecht, schreibt die Zeitung: Die Last trage der kenianische Steuerzahler.

Auch die Zeitung „Daily Nation“ aus Nairobi klagt, dass sich Chinas Einfluss neben dem Finanziellen überdies in der Gesellschaft bemerkbar mache. Die Chinesen exportierten „Arbeitskräfte und übernehmen lokale Jobs. Chinesische Arbeiter durchdringen zunehmend alle Sektoren mit negativen Auswirkungen.“ Die Zeitung „Namibian“ nennt Afrika eine „Marionette“ Pekings. „Die Chinesen bauen in Afrika Häfen und Straßen, um den Ressourcen-Nachschub sicherzustellen.“ Mit der Entwicklung Afrikas habe das nichts zu tun. „Im Jahr 2022 werden die an China zu zahlenden Schulden Namibias auf 70 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gestiegen sein.“

In der kenianischen Wirtschaftszeitung „Business Daily“ beschreibt der Ökonom Ramathan Ggoobi aus der ugandischen Hauptstadt Kampala ein Phänomen, das ganz Afrika betreffe: Die Chinesen hätten „den ganzen Kontinent in eine einzige Baustelle verwandelt, auf der Eisenbahnen, Staudämme, Stadien und Kaufhäuser gebaut werden“.

„Mittlerweile lebt rund eine Million Chinesen in Afrika, und rund zehntausend chinesische Firmen sind dort aktiv“, schätzt der Ökonom und Afrika-Experte Robert Kappel von der Universität Leipzig. Die meisten davon seien entgegen landläufiger Meinung private Unternehmen und keine staatlichen. Auch Kappel würde mehr Engagement deutscher Unternehmer in Afrika begrüßen, wie es der Entwicklungshilfeminister Gerd Müller unermüdlich fordert. Allerdings produzierten deutsche Unternehmen kaum Produkte, die für den afrikanischen Markt attraktiv sind, beziehungsweise für die in Afrika eine solch hohe Nachfrage bestehe, dass es sich lohnen würde, die Produktion dorthin zu verlegen. Kappel sagt: „Deutsche Unternehmer produzieren fast nur noch Hightech-Produkte, während China Massenware herstellt.“ Es sei deshalb kein Wunder, dass die deutsche Wirtschaft zögerlich sei. Von 3,5 Millionen deutschen Unternehmen würden sich nur etwa tausend in Afrika engagieren, bemängelt Müller. Dass sich daran so schnell etwas ändert, glaubt Kappel nicht.

China hingegen ist schon seit neun Jahren Afrikas wichtigster Handelspartner. Von den kritischen Kommentaren ihrer heimischen Journalisten ließen sich die Staatschefs in Peking nicht das Bankett verderben. China bietet inzwischen großzügige Stipendien für afrikanische Journalisten an, ein Zehn-Monats-Programm und einen Master in internationalem Journalismus – wohl auch in der Hoffnung, dass die Berichterstattung über künftige Gipfel freundlicher ausfallen möge. In der Zwischenzeit haben die chinesischen Staatsmedien „manche westliche Medien und Politiker“ als Spielverderber ausgemacht. Die warnenden Worte von Überschuldung und den ökologischen Folgen mancher chinesischen Projekte würden nur die überzeugen, schrieb die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua, die „wenig Wissen über und Erfahrungen in Afrika gesammelt haben“.