Beitrag vom 06.09.2018
SZ
Nigeria
Pleiten, Korruption und Pannen
Nigeria will eine nationale Fluglinie aufbauen - und das halbe Land befürchtet das Schlimmste.
Von Bernd Dörries
Als die Fans der nigerianischen Nationalmannschaft zu Tausenden zur Fußballweltmeisterschaft nach Russland flogen, taten sie dies mit Maschinen aus der Türkei, den Emiraten oder Großbritannien. Nigeria war eines der wenigen Länder, dessen Anhänger und Mannschaft nicht mit einer eigenen Fluglinie anreisen konnten. Es gibt keine.
Was sich bald ändern soll. Die Regierung von Nigeria, dem bevölkerungsreichsten Land Afrikas, will bis zum Dezember Nigeria Air an den Start bringen, mit 15 zunächst geleasten Maschinen und 80 nationalen und internationalen Zielen. Die Frage ist allerdings, ob das eine gute Idee ist.
Kaum ein anderes Land der Welt hat eine so desaströse Luftfahrtgeschichte wie Nigeria. Das Land ist eigentlich reich an Öl, wird aber so schlecht regiert, dass es der ehemalige britische Premierminister David Cameron einmal "abenteuerlich korrupt" nannte - eine Einschätzung, der die nigerianische Regierung anschließend offiziell zustimmte.
Korruption und Misswirtschaft haben bisher noch jede nigerianische Fluglinie wieder auf den Boden gebracht. Die Liste ist lang: Nigeria Airways, WAAC Nigeria, Air Nigeria, Nigeria Eagle Airways und Arik Air sind nur die größten einer langen Liste von Pleiten. Dabei sah es einmal danach aus, als sei Nigeria Airways eine Erfolgsgeschichte, hervorgegangen aus einer Fluglinie, die den vier britischen Kolonien Ghana, Gambia, Sierra Leone und Nigeria gemeinsam gehörte. In den siebziger Jahren flogen 30 Maschinen Ziele in aller Welt an. Der Einbruch kam durch die vom Internationalen Währungsfonds erzwungenen Sparprogramme der 80er Jahren, vor allem aber eine wuchernde Korruption und aufgeblähte Belegschaft, die auf mehr als 10 000 Mitarbeiter wuchs. Dazu kamen Sicherheitsmängel. Nigeria Airways brachte es auf acht Abstürze oder Zwischenfälle mit insgesamt mehr als 600 Todesopfern. Kurz vor der Pleite 2004 war von den einst 30 Maschinen nur noch eine übriggeblieben.
Immer mal wieder versuchte die Regierung, das Management an ausländische Betreiber zu übergeben, KLM, British und South African Airways bissen sich die Zähne aus. Im Jahr 2004 ließ sich Richard Branson auf eine 49 Prozent Beteiligung an Virgin Nigeria Airways ein, anfangs gewann die neue Gesellschaft Preise für ihren Service, aber nach nur fünf Jahren war wieder Schluss, Branson zog sich genervt zurück: "Wir haben einen täglichen Kampf gegen die Vertreter der Regierung geführt, die mit uns ein Vermögen machen wollten."
Was also soll dieses Mal besser werden? "Die Regierung wird sich nicht in Management-Entscheidung einmischen", sagt Luftfahrtsminister Hadi Sirika, früher selbst Pilot. Nicht mehr als fünf Prozent der Investitionen von 150 bis 300 Millionen Pfund will die Regierung beisteuern. Andererseits hat der Staat Nigeria Air bereits ziemlich konkrete Vorgaben gemacht, als auf der Farnborough Air Show Logo, Streckennetz und Flottenstärke vorgestellt wurden.
Alles weitere ist bisher unklar, dennoch bekräftigte die Regierung, im Dezember mit dem Linienbetrieb starten zu wollen - ein gewagter Zeitplan. Derzeit steht man in Verhandlungen mit Ethiopian Airlines, der erfolgreichsten Linie in Afrika, die gerne das Management oder auch die ganze Gesellschaft übernehmen würden. Was aber dem Gedanken einer nationalen Fluglinie widerspricht. Eine andere Möglichkeit wird Nigeria aber womöglich nicht bleiben, wenn sich wirklich etwas ändern soll.