Beitrag vom 17.09.2018
https://weltneuvermessung.wordpress.com/2018/09/17/
China und Deutschland in Afrika: Deutsche Afrikapolitik weiter im Wartemodus
Robert Kappel
Es wird immer viel Wirbel um Deutschlands Afrikapolitik gemacht. Immer wieder bei bestimmten Ereignissen, G20-Gipfel, Reisen von Minister Müller und der Kanzlerin nach Ghana, Senegal, Nigeria und Algerien. Dann ist man immer Feuer und Flamme. Aber diese erlischt sehr schnell wieder, weil es keinen wirklichen Fortschritt und keinen Diskurs gibt, der zu einer strategischen Aufstellung Deutschlands führt. Daran ändern die Vereinbarungen zur Afrikakooperation im Koalitionsvertrag der Regierung offenbar nicht allzu viel. Es bleiben die vielen Afrikapläne der Ministerien einfach nebeneinander stehen.
Ganz ehrlich: es geht nicht viel voran. Das beklagen die Interessensvertretungen der deutschen Wirtschaft und die NGOs. Und auch die Medien werfen immer häufiger die Frage auf: wann wird es endlich den definitiven Wurf für eine deutsche Afrikapolitik geben und nicht das Flickwerken. Die Realpolitik ist immer im Reaktionsmodus, immer zwei drei Schritte hinterher. Wie gefangen in den Netzen der Interessensgruppen der EZ, die sich fein säuberlich aus der Debatte um die Afrikapolitik heraushalten. Hat man außerhalb der Regierung, der Regierungsparteien, der Presse, der Konrad-Adenauer-Stiftung, der Friedrich-Ebert-Stiftung und den Initiativen des Bonner Aufruf oder der Deutschen Afrika-Stiftung mit zahlreichen Veranstaltungen, einiger Dritte Welt-Zeitschriften usw. Beiträge zur Zukunft der deutschen Afrikapolitik vernommen? Leider Fehlanzeige in den Think Tanks, der Afrika-Wissenschaft und den EZ-Organisationen.
Man schaue mal, mit welcher Wucht China seine Interessen in Afrika ins Spiel bringt. Die Chinesen sprechen von win-win in der Kooperation mit Afrika. Afrikanische Regierungen wollen jedoch mehr win-win, also einen höheren Anteil an dem Nutzen der beiderseitigen Kooperation. Hier wird hart verhandelt. China agiert sowohl bilateral als auch durch gemeinsame Verhandlungen im Rahmen von FOCAC. China treibt die Zusammenarbeit mit den afrikanischen Staaten im Rahmen der Belt-Road-Initiative voran und ist durch Investitionen und Handel auch ein Wachstumsmotor für sehr viele afrikanische Länder. Und hat dadurch Jobs geschaffen, zu Technologietransfer beigetragen, und hat der Industrie durch Investitionen in manchen Ländern einen Schub gegeben. Und die afrikanische Staatengemeinschaft fordert, dass China die Industrialisierung fördert, den Infrastrukturausbau finanziert und die kulturelle und technologische Kooperation vertieft.
Der chinesische Präsident Xi Jinping kündigt Investitionen in Höhe von 60 Milliarden Dollar in Afrika an. Ca. 10 Tsd. meist private Unternehmen investieren. Öffentliche Gelder fließen in den Ausbau der Infrastruktur, Straßen, Flughäfen, Eisenbahnen, Elektrizität, Gesundheitswesen usw. In den meisten Ländern wird Chinas Agieren positiv wahrgenommen. China als Wirtschaftsmacht, das Wachstum, Handelsaustausch und technologische Kooperation und Studentenaustausch voranbringt. Natürlich kosten die Investitionen in die afrikanische Infrastruktur viel Geld und manch ein Land gerät allmählich in eine Verschuldungskrise. Aber China hat auch Schulden erlassen.
Hinter der Kritik an China steckt vor allem die Angst des Absteigers, der jetzt den Aufsteiger kritisiert. Dabei müssen sich die Europäer endlich mal an die eigene Nase fassen. Sie können sich einfach nicht vorstellen, dass ein Aufsteiger produktive und nicht-koloniale Beziehungen mit Afrika eingeht. Natürlich gibt es auch unter Chinas Akteuren (Militär, strategische Rohstoffausbeutung für Chinas Industrieentwicklung) Anzeichen für eine gewisse Großmannssucht – wir sind wieder Nr. 1 und wollen Abhängigkeiten schaffen. Auch hat China zur Asymmetrie im Handel beigetragen: Kauf von Rohstoffen, Verkauf von Industrie- und Konsumgütern. Aber seien wir doch ein wenig ehrlicher zu uns: es ist unser Abstiegsgedanke, der uns treibt. Die EU und ihre Mitgliedsstaaten sind zögerlich und zaudernd und schaffen es nicht, aus dem Paternalismus und dem Samaritertum herauszutreten und eine Kooperation mit Afrika strategisch aufzubauen, die win-win ist, den größtmöglichen Nutzen auf beiden Seiten schafft. Nicht einmal Präsident Macron reißt das Ruder herum – auch er immer noch gefangen im geo-strategischen Agieren vor allem in Westafrika.
Chinas und Europas Blicke auf Afrika sind unterschiedlich: Für China ist Afrika ein Rohstofflieferant, Konsumenten- und Wachstumsmarkt, fokussiert sich auf die wachsenden Mittelschichten. Europa verharrt vor Afrika in einer Lauerstellung und sieht weitgehend die unendlichen Flüchtlingsströme und die Krisen und Konflikte, trotz aller gegenteiligen Rhetorik.
Deutsche und europäische Afrikakooperation ist an der Grenze angekommen. Europa wird zunehmend unattraktiver, ihre Instrumente sind ausgeleiert, die Treffen zwischen den Regierungen dümpeln eher freudlos dahin. Von Euphorie und Aufbruch keine Spur. Das offizielle Europa will sich nicht den Herausforderungen stellen, glaubt immer noch, mit seinem post-kolonialem und paternalistischem Verhalten etwas zu bewegen. Ohne sich selbst ändern zu wollen. Und im Mittelpunkt der meisten Aktivitäten stehen immer wieder die Flucht und Fluchtursachenbekämpfung.
Im Grunde hätten die Europäer was anzubieten, wenn wir denn nun endlich auch auf Win-Win hinarbeiten würden. Dabei haben wir einiges vorzuweisen. Mit unseren Investitionen, mit unserer Technologie, mit unserem Wissen, mit unseren Experten und mit unseren Unternehmern. Diese sind auch sehr aktiv, zunehmend auch der deutsche Mittelstand, der bislang zögerlich war. Aber es sind gerade einmal ein tausend deutsche Unternehmen auf dem Kontinent unterwegs. In Nigeria, der größten Volkswirtschaft, gerade 40 Unternehmen. Investitionssumme: 200 Mio. $. Im Senegal und Ghana noch weniger. Der Handel mit diesen beiden Länder macht nicht einmal 200 Mio. € aus. Deutschlands Außenhandel mit Subsahara-Afrika ist mit 1% unbedeutend. Deutschlands Investitionen auf dem afrikanischen Kontinent sind allenfalls durchschnittlich. Sie liegen weit hinter den USA, Großbritannien, Frankreich und China. Sogar Unternehmen aus Italien, Spanien und der Schweiz investieren mehr auf dem sogenannten Nachbarkontinent. Der Exportweltmeister investiert ungerne, weil die Märkte Afrikas immer noch klein sind, auch wenn sie wachsen. Trotz der vielen Wirtschaftsforen in Afrika und Deutschland, trotz der verbesserten Hermes-Bürgschaften, trotz vieler Initiativen der Wirtschaftsorganisationen, die schon seit langem erkannt haben, dass Deutschlands Wirtschaft im Wettbewerb mit China u.a. nicht gerade aufholt.
Es gibt genügend Potentiale, die Deutschland in die Waagschale werfen könnte, um aus der selbst-gewählten Defensive herauszukommen. Dazu braucht es allerdings einiger grundlegender Veränderungen.
1.Mentalitätswandel: Afrika ist nicht unser natürlicher Partner, Afrika ist ein Kontinent von 55 Ländern: die afrikanischen Länder gehen ihren eigenen Weg, ob wir das wollen oder nicht, ob wir uns beklagen oder nicht, ob wir glauben, dass wir Gutes tun oder nicht. Es interessiert einfach nicht mehr, welche Vorstellungen wir uns von Afrika machen. Indem wir weiter glauben, wir wüssten welche Probleme Afrika zu lösen hätte (20 Mio. Jobs jedes Jahr, Armutsbeseitigung, Bildung und Gesundheit usw. usf.), hieven wir uns immer wieder in die selbst-gestellten Fallen.
2.Wenn wir das endlich kapieren, müssten wir auch Win-Win ermöglichen. Das heißt unsere Handelspolitik ändern. Fairer Handel mit Afrika heißt mehr als sich nur mit den nicht-tarifären Handelsbeschränkungen zu befassen, also den Quoten, den Gesundheitsbestimmungen und den technischen Normen der Europäer. Es heißt, sich endlich der Frage der exzessiven Subventionierung der europäischen Landwirtschaft und den Folgen für Afrika anzunehmen.
Die afrikanischen Länder haben ihre Hausaufgaben zu machen, das sagen alle – vor allem in Afrika. Besonders die afrikanischen Institutionen wie die Afrikanische Union , die Afrikanische Entwicklungsbank, einige nationale Regierungen, viele afrikanische Wirtschaftsexperten und zahlreiche Politiker. Überall gibt es Vorstellungen der Entwicklung. Ob sie es falsch machen oder richtig, ist in erster Linie ihre eigene Angelegenheit. Unser Zeigefinger ist vollkommen unangebracht. Das europäische Agieren ist vor allem auf die Fluchtfragen konzentriert und durch den China-Reflex gekennzeichnet. Aber die eigentlichen strategischen Fragen der zukünftigen und zugleich längst überfälligen Neuausrichtung der Zusammenarbeit sind weder erarbeitet noch auf der Agenda der Bundesregierung.
So herrscht erstmal wieder Stille in der deutschen Afrikapolitik, bis China mit neuen Aktionen wieder zeigt, wie mans machen kann, oder wenn wieder mehr Flüchtlinge nach Europa kommen, oder wenn im Dezember 2018 wiedermal schnell öffentlich diskutiert wird, wie die EU-Afrikazusammenarbeit aussehen soll, denn der europäisch-afrikanische Gipfel steht vor der Tür. Hektisches Umhergetrieben-Sein. Aber ein Umdenken?