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Für eine andere Entwicklungspolitik!

Beitrag vom 29.10.2018

FAZ Leserbrief

Eine riesige Investition in Afrika

Laut dem Artikel ,,Afrikabeauftragter in der Kritik“ (F.A.Z. vom 24. Oktober) kann Günter Nooke der Kolonialzeit auch positive Seiten abgewinnen. Da ich mit einer Schwarzafrikanerin verheiratet bin, in meiner Studentenzeit 1960 mit meinem Freund durch Ostafrika trampte und jetzt sehr häufig in der Heimat meiner Frau weile, bilde ich mir ein; mehr Ahnung von der Kolonialzeit zu haben als der Grüne Ottmar von Holst: Der Sudan war seit 1956 unabhangig. Die Regierung schloss im Zuge der Islamisierung die von Christen betriebenen Krankenhäuser im Siiden, sodass die medizinische Versorgung zusammenbrach. Unser Bemiihen, die eiterübersäten Wunden der abgemagerten‘ Einheimischen auszukratzen, scheiterte. Nach dem Ubertritt ins noch kolonisierte Uganda staunten wir: Uberall gut gekleidete Menschen, die Läden voller Waren aller Art, die Felder besteilt, die Stra?en, wenn auch Pisten, gut befahrbar. Dasselbe Bild in Kenia und Tanganyika. Das waren also die von gierigen Kolonialherren ausgequetschten (Noch-)Kolonien!

Die Heimat meiner Frau kenne ich nur als entkolonisiert, dafiir aber umso gründlicher, und zwar aufgrund meiner vielen Fahrradtouren sowie der Berichte und Hinweise meiner Frau. Ich staune nur, was die Kolonialherren fiir dieses Land getan haben, und sehe die jetzt verkommenen Schulen, Krankenhéiuser, Eisenbahnlinien; Straßen und Häfen aus der Kolonialzeit. Es musste doch jedes Schräubchen aus dem Mutterland geholt werden, ebenso die Ingenieure, Facharbeiter, Ärzte, Krankenschwestern, Lehrer und Verwaltungsbeamtel Einheimische Kräfte standen nur als ungelernte zur Verfiigung, Sklaven hat es hier nie gegeben. Die Franzosen miissen wahnsinnige Summen in dieses Land gesteckt haben. Wenn jetzt etwas neu gebaut wird, dann mit Mitteln der Européier, der friiheren Ko1onialherren (die Chinesen ausgenommen).

Was die deutschen Kolonien angeht: Als die kaiserliche Regierung den Bau einer Eisenbahn in der Kolonie Togo wiinschte, gab es wegen der immensen Kosten heftige Diskussionen im Reichstag. Sie wurde dennoch gebaut. Ist das das Verhalten von Ausbeutern‘? Es war doch in jenen Zeiten noch nichts auszubeuten (Kongo, das sich der belgische Konig als sein Privateigentum unter den Nagel gerissen hatte, ausgenornmen). Die vielen Bodenschatze Afrikas werden doch erst jetzt entdeckt.

Fazit: Die Kolonialzeit war eine riesige, leider vergebliche Investition Europas in Afrika. Ein athiopischer Student wandte sich bei einer Diskussion in den 1960er Jahren in dem Geschwister-Scholl-Studentenheim in Miinchen an seine anderen schwarzafrikanischen Kommilitonen mit den Worten: ,,Ihr meckert über den Kolonialismus, obwohl ihr dessen Infrastruktur geerbt habt. Wir in Athiopien waren (fast) nie Kolonie und haben nur
Trampelpfade.“

GERWIG KANSTEINER, OLDENBURG