Beitrag vom 13.03.2019
Die Tagespost
Nigeria
Neuanfang bleibt aus
Nigeria sieht sich nach den Wahlen alten Problemen gegenüber: Islamistischer Terrorismus und eine korrupte Machtelite.
Von Carl-Heinz Pierk
Nigeria ist für Korruption auf allen Ebenen berüchtigt. Schwere Vorwürfe von Korruption, Manipulation und Einschüchterung bei den Präsidentschaftswahlen hat Erzbischof Anthony Obinna erhoben. „Die Präsidentschaftswahlen vom 23. Februar waren im Bundesstaat Imo von starker Einschüchterung, umfassender Manipulation und Gewalt geprägt, was zu äußerst ernster Besorgnis über die bevorstehende Wahl des Gouverneurs und der Abgeordneten führt“, erklärte Erzbischof Anthony John Valentine Obinna von Owerri, der Hauptstadt des Bundesstaates Imo im Süden Nigerias.
Bischof beklagt Unregelmäßigkeiten
Bei den Wahlen vom 23. Februar wurde der scheidende Präsident Mohammed Buhari im Amt als Staatsoberhaupt bestätigt. Sein Hauptgegner, der ehemalige Vizepräsident und Geschäftsmann Atiku Abubakar, kündigte rechtliche Schritte gegen das Ergebnis an. Der nigerianische Oberhirte berichtete über korrupte Wahlbeamte, Fälle von Gewalt und sogar Brandstiftung in mehreren Wahllokalen.
„Besonders beunruhigend“, erläuterte Obinna weiter, „ist das Verhalten einiger Politiker, bestimmter Kandidaten und hochrangiger Politiker, die Polizeibeamte und Sicherheitskräfte eingesetzt haben, um Wähler, Wahlbeauftragte und Wahlbeobachter einzuschüchtern.“
Vorwürfe von Manipulation sowie Einschüchterung verstummten auch nicht, als am Samstag die Nigerianer die Parlamente aller 36 Bundesstaaten, 29 Gouverneure und im Hauptstadtterritorium um Abuja zudem die Bezirksverwaltungen wählten. Begleitet wurde die Abstimmung wie zuvor bei der Präsidentenwahl von gewaltsamen Zwischenfällen. Nach Angaben lokaler Behörden wurden in einigen Regionen Wahllokale niedergebrannt. Im Bundesstaat Rivers ordnete die Wahlkommission INEC sogar einen kompletten Stopp der Auszählung an, da zuvor Stimmzettel zerstört und Mitarbeiter der Kommission verschleppt worden seien. Allgemein verzögerte sich die Auszählung der Stimmen. Erwartet wird ein Sieg der Regierungspartei All Progressive Congress (APC) von Präsident Buhari.
Der 76-jährige Buhari, ein Muslim aus dem Norden, der nach einem Militärputsch die Regierungsgeschäfte bereits von 1983 bis 1985 führte, konnte sich in den Wahlen von 2015 gegen seinen christlichen Vorgänger Goodluck Jonathan durchsetzen.
Strategie gegen Boko Haram fehlt
Diese Wahl wird in Nigeria als historisch bezeichnet, weil zum ersten Mal seit der Unabhängigkeit des Landes im Jahr 1960 ein Oppositionspolitiker auf demokratische Weise einen Machtwechsel herbeiführen konnte. Buhari hatte die Wahl vor allem gewonnen, weil er versprach, den radikalen Islamisten von Boko Haram ein Ende zu bereiten. Unter seiner Führung machte das Militär gewisse Fortschritte. Buhari bezeichnete die Islamisten sogar als „technisch besiegt“. Doch das war voreilig.
Zum Jahreswechsel konnte die vom sogenannten „Islamischen Staat“ unterstützte Splitterfraktion „Islamic State West Afrika Province“ (ISWAP) zudem zahlreiche Stützpunkte der nigerianischen Armee einnehmen und so die Kontrolle über weite Gebiete entlang der Grenze zu Niger und des Tschadsees erlangen. Die Zentralregierung hat bislang keine wirksame Strategie gegen Boko Haram, unterschiedlichen unabhängigen Schätzungen zufolge sind dem Terror seit Mitte 2010 zwischen 20 000 und 30 000 Menschenleben zum Opfer gefallen. Das teils äußerst brutale Vorgehen der Streitkräfte gegen Boko Haram hat Experten zufolge den Islamisten sogar neuen Zulauf beschert.
Lange von der Regierung unterschätzt wurde zudem der in Zentralnigeria (Middle Belt) vor allem um Landnutzung geführte Konflikt zwischen der ethnisch gemischten, aber überwiegend christlichen Bauernbevölkerung und den mehrheitlich muslimischen Fulani-Nomaden. Organisiertes Banditentum, Entführungen mit Lösegeldforderung und Mord haben darüber hinaus in allen Landesteilen zugenommen.
Hauptproblem Arbeitslosigkeit
Zu den Herausforderungen der zweiten Amtszeit von Buhari zählen nicht nur die Sicherheitslage und die Korruptionsbekämpfung. Ein Viertel der Bevölkerung des westafrikanischen Landes hat keine geregelte Arbeit. Nigeria ist mit rund 190 Millionen Menschen das bevölkerungsreichste Land, die größte Volkswirtschaft und auch der wichtigste Ölproduzent Afrikas. Buharis Ziel muss es vor allem sein, die Wirtschaft anzukurbeln und dadurch Millionen von Arbeitsplätzen zu schaffen.