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Beitrag vom 12.02.2020

Die Welt

Sudan

Geplante Auslieferung Baschirs sorgt für Unruhe unter Afrikas Autokraten

Von Christian Putsch, Afrika-Korrespondent

Jahrelang konnten sich Diktatoren vor dem Internationalen Strafgerichtshof sicher fühlen. Nun will die Regierung im Sudan mit Den Haag kooperieren

Die Nachricht aus dem Sudan ist eine kleine Sensation. Über Jahrzehnte wurde der Internationale Strafgerichtshof (ICC) in Den Haag als zahnloser Tiger belächelt, aber nun hat die Übergangsregierung des afrikanischen Landes in Khartum eine Auslieferung des sudanesischen Ex-Diktators Omar al-Baschir angekündigt. „Wir haben zugestimmt, dass jeder, gegen den ein Haftbefehl vorliegt, vor dem ICC erscheinen wird“, zitierte die BBC den Regierungssprecher Mohammed Hassan Eltaish. „Gerechtigkeit kann nicht geschaffen werden, wenn wir nicht die Wunden heilen.“

Die Entscheidung kam bei Friedensverhandlungen zwischen der Übergangsregierung und Rebellengruppen aus der Darfur-Region zustande. Dort, so heißt es in dem 2009 erlassenen internationalen Haftbefehl des ICC gegen Baschir, koordinierte er den Völkermord von 2003. Sollte ihm diese Schuld nachgewiesen werden, woran Menschenrechtsorganisationen wenig Zweifel haben, trägt er eine Mitschuld am Tod von mindestens 300.000 Menschen. Rund 2,5 Millionen wurden vertrieben.

Für den ICC ist die Ankündigung der sudanesischen Regierung von enormer Bedeutung. Jahrelang bereiste Baschir ungestört den Kontinent, unter anderem Südafrika. Das Land lieferte ihn nicht aus, obwohl es das Römische Statut zur Schaffung des ICC unterzeichnet hatte. In den vergangenen Jahren verschärfte sich zudem die Rhetorik gegen das Weltstrafgericht, dem vorgeworfen wurde, unverhältnismäßig viele Afrikaner ins Visier zu nehmen. Einige Länder drohten offen mit Austritt, darunter das einflussreiche Südafrika. Am Ende setzte lediglich Burundi diese Pläne 2017 auch um.

Bislang blieb das Gericht weitgehend wirkungslos. Erst 2012 wurde der kongolesische Kriegsfürst Thomas Lubanga verurteilt. Eine langjährige Haftstrafe aus dem Jahr 2016 für den ehemaligen Vizepräsidenten des Kongo, Jean-Pierre Bemba, wurde später in eine Bewährungs- und Geldstrafe umgewandelt. Präsidenten aber mussten sich bislang wenig Sorgen machen. Die Anklage gegen Kenias Staatschef Uhuru Kenyatta für seine Rolle bei den Gewaltexzessen nach den Wahlen 2007 wurde sieben Jahre später fallen gelassen. Laut Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch wurden Zeugen eingeschüchtert, die schließlich die Aussage verweigert hätten. Diktatoren vom Kaliber eines Baschir sind zwar rar geworden, aber umstrittene Präsidenten mit der Ambition, auf Lebenszeit zu regieren – wie in Eritrea oder Kamerun –, werden seine geplante Auslieferung mit Unbehagen zur Kenntnis nehmen.

Als Baschir 2019 nach fast drei Jahrzehnten an der Macht gestürzt wurde, hätte er diese Entwicklung wohl selbst nicht für möglich gehalten. In Khartum trauten sie sich lediglich, ihm einen Prozess wegen der Annahme großzügiger Bargeldgeschenke aus Saudi-Arabien zu machen – ein vergleichsweise geringes Vergehen. Zu angespannt war die politische Lage nach dem Umsturz, zu viele Unterstützer hatte Baschir noch in der Administration und auch in Teilen der Bevölkerung.

Die mutige Entscheidung der neuen Führung im Sudan wurde besonders in den USA mit Wohlwollen aufgenommen. „Endlich Rechenschaft für den Genozid in Darfur“, schrieb die ehemalige Botschafterin der USA bei den Vereinten Nationen, Samantha Power, auf Twitter. Die Weltmacht hatte sich vehement für eine Bestrafung Baschirs ausgesprochen, ohne das Rom-Statut je unterzeichnet zu haben. Derzeit versucht der Sudan, von der US-Liste der „Terrorismus unterstützenden Staaten“ gestrichen zu werden. Denn dass das Land dort auch unter der neuen Regierung noch geführt wird, erschwert Finanztransaktionen. Bis zur Auslieferung könnte es aber ein zäher Weg sein. Bislang kommt die Ankündigung nur vonseiten der zivilen Regierung. Eine Zustimmung des elfköpfigen Sovereign Council, in dem auch das einflussreiche Militär zur Hälfte vertreten ist, steht noch aus. Es ist formell derzeit das höchste Staatsorgan.