Beitrag vom 07.09.2020
NZZ
Guinea
Wie Alpha Condé vom Hoffnungsträger zum Despoten wurde
Er war der erste demokratisch gewählte Präsident von Guinea. Nun will Condé im Alter von 82 Jahren trotz massiven Protesten eine dritte Amtszeit erzwingen.
David Signer
Im westafrikanischen Land Guinea ist Alpha Condé definitiv als Kandidat für die Wahlen am 18. Oktober gekürt worden. Seit Monaten protestierten die Guineer gegen diese Möglichkeit, dreissig Demonstranten sind dabei ums Leben gekommen. Condé selbst hütete sich vor einer offiziellen Ankündigung seiner Kandidatur, und nach der Nominierung nahm er lediglich «zur Kenntnis», dass er von seiner Partei aufgestellt worden war. Wie so oft in solchen pseudodemokratischen Diktaturen zierte er sich, um dann schliesslich dem angeblichen Drängen seiner Wähler nachzugeben und sich – selbstlos und aufopfernd – für eine weitere Amtszeit in den Dienst seines Volkes zu stellen. Am Mittwoch erklärte der 82-Jährige, er werde das Engagement, das man von ihm fordere, annehmen, und empfahl sich als Kandidat der Frauen und der Jungen.
Conté und Condé
Im Februar wurde die Verfassung dahingehend geändert, dass nur noch zwei Amtszeiten möglich sind. Der greise Condé dürfte also nicht mehr kandidieren. Aber seine Partei stellt sich auf den Standpunkt, dass mit der neuen Verfassung der Zeiger gewissermassen wieder auf null gestellt werde und die Zählung von vorne beginne. Auch dieses Manöver ist in Afrika – zum Beispiel in Côte d’Ivoire – inzwischen gang und gäbe.
Als Condé 2010 als erster demokratisch gewählter Präsident des Landes überraschend die Macht erlangte, galt er als Hoffnungsträger. Das Land hatte gerade erst die endlos scheinenden Jahre unter Lansana Conté hinter sich. Gerne wiesen die Guineer darauf hin, dass sich Conté und Condé in ihren Namen nur minimal unterschieden, der Unterschied in ihren politischen Überzeugungen jedoch kaum hätte grösser sein können. Der General Conté hatte sich 1984 an die Macht geputscht und regierte das Land, nach fortschrittlichen Anfängen, autoritär und repressiv. Die letzten Jahre war er schwer krank und kaum noch arbeitsfähig, blieb jedoch im Amt bis zu seinem Tod im Jahr 2008. Gleich danach übernahm das Militär die Macht, bis 2010 Neuwahlen durchgeführt wurden, die der langjährige Oppositionelle Condé überraschend gewann.
Zum Tode verurteilt
Condé wurde 1938 geboren. Im Alter von 15 Jahren ging er nach Frankreich, wo er Universitätsdiplome in Recht, Wirtschaft und Soziologie erwarb. Anschliessend unterrichtete er in Paris an der Sorbonne. In den sechziger Jahren führte er die Föderation der schwarzafrikanischen Studenten in Frankreich (FEANF) an und organisierte Demonstrationen gegen das despotische Regime von Sékou Touré in Guinea. Touré hatte sich in Afrika einen Namen gemacht, indem er anlässlich der Unabhängigkeit des Landes von Frankreich im Jahre 1958 de Gaulles «Freundschaftspakt» eine Absage erteilte. Das Land zahlte in der Folge einen schweren wirtschaftlichen Preis für die Entschiedenheit, mit der es dem ehemaligen «Mutterland» den Rücken zuwandte. Touré orientierte sich mehr und mehr an der Sowjetunion und errichtete eine sozialistische Diktatur. In weiten Teilen des Landes herrschte Unterernährung, Tausende von missliebigen Guineern wurden gefoltert und getötet. Auch Condé liess er in Abwesenheit zum Tode verurteilen.
1991 kehrte «Professor Condé», wie er in Guinea genannt wird, in seine Heimat zurück. Da war Sekou Touré schon sieben Jahre tot und Conté am Ruder. 1993 und 1998 nahm er an den Wahlen teil, die alles andere als fair und transparent waren, und erreichte offiziell 27 beziehungsweise 18 Prozent der Stimmen. 1998 liess ihn Conté wegen «Angriffen gegen die Staatsgewalt und die Integrität des nationalen Territoriums» verhaften und zu fünf Jahren Gefängnis verurteilen. Unter internationalem Druck wurde er 2001 begnadigt. Er blieb auch unter der Militärjunta, die nach dem Tod Contés die Macht übernahm, in der Opposition, bis er 2010 die Stichwahl gegen den bisherigen Premierminister gewann und 2015 wiedergewählt wurde.
Von Mandela zu Bokassa
Die ethnische Spaltung des Landes zwischen Malinké und Peulh, die auch die Politik prägt, konnte Condé nicht kitten. Trotz beträchtlichen Bodenschätzen – das Land besitzt die grössten Bauxit- und Eisenerzreserven der Welt – lebt die Hälfte der Guineer in Armut. Condé klopft sich zwar gerne auf die eigene Schulter, weil er die Verträge mit den Minengesellschaften neu ausgehandelt hat, aber von den Gewinnen sieht die Bevölkerung nach wie vor wenig.
Gegenüber Kritikern – vor allem aus dem Ausland – bezieht er sich in jüngerer Zeit gerne auf seinen ehemaligen Feind Sekou Touré und behauptet, schon unter diesem habe man gesehen, wie sich ein Land, das sich nicht dreinreden lasse und seine Souveränität behaupte, international unbeliebt mache. Aber die Guineer seien nun einmal freiheitsliebend. Dabei meint Condé jedoch vor allem seine eigene Freiheit, so lange an der Macht zu bleiben, wie er will. Ein Oppositioneller äusserte kürzlich, Condé habe sich anfangs für Mandela gehalten, sich inzwischen jedoch offenbar entschieden, Bokassa zu werden, der einstige grössenwahnsinnige Kaiser von Zentralafrika.