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Beitrag vom 02.02.2024

faz.net

DEBATTE IN SÜDAFRIKA

Wem gehört Mandelas Erbe?

VON CLAUDIA BRÖLL

Eine Versteigerung von fast 100 persönlichen Gegenständen von Nelson Mandela in New York ist vorläufig ausgesetzt worden. Die Frage, wie mit dem Nachlass des großen Staatsmanns umgegangen werden soll, treibt Südafrika weiter um.

Wem gehört das Erbe von Nelson Mandela? In Südafrika wird auch zehn Jahre nach dem Tod des Nationalhelden und großen Staatsmannes weiter mit dieser Frage gerungen. Eine geplante Auktion in New York hat jetzt abermals hitzige Debatten ausgelöst.

Fast 100 persönliche Gegenstände des früheren Staatspräsidenten sollten nach dem Wunsch seiner ältesten Tochter, Makaziwe Mandela, versteigert werden, darunter Gastgeschenke von internationalen Staatschefs, Briefe, die berühmten Madiba-Hemden, signierte Bücher, aber auch Mandelas 1993 ausgestellter Personalausweis, sein Hörgerät und sein Gehstock. „Die Vorstellung, ein Artefakt zu besitzen, das von diesem großen Staatsmann berührt wurde, ist fast unvorstellbar“, hatte das Auktionshaus auf seiner Internetseite geschrieben.

In dieser Woche hat Südafrikas Denkmalschutz-Agentur die Versteigerung nun vorläufig gestoppt. Man habe das Auktionshaus gebeten, zu warten, bis alle Gerichtsverfahren beendet seien. „Wir wissen es zu schätzen, dass die Sensibilität, die mit diesen bedeutenden Gegenständen verbunden ist, anerkannt wird“, teilte die Behörde mit. Zuvor hatte sie eine einstweilige Verfügung beantragt, um die Versteigerung zu unterbinden. Der Antrag wurde jedoch Ende vergangenen Jahres von dem Gauteng High Court in Pretoria abgewiesen.

Mindestgebot von 75.000 Dollar für Personalausweis

Protest gegen die Versteigerung war auch von anderen Seiten laut geworden. Südafrikas Kulturminister sagte, die Regierung wolle das Vermächtnis von Mandela bewahren und dafür sorgen, dass sein Lebenswerk im Land bleibe. Ein Enkel Mandelas nannte die Versteigerung eine „Schande“. Einige der Gegenstände stammen Berichten zufolge aus dem Besitz von Mandelas früherem Gefängniswärter Christo Brand

Makaziwe Mandela indes verteidigte die Idee in einem Interview mit der New York Times. Sie wolle, „dass die Menschen in der Welt ein Stück von Nelson Mandela haben, und dass er sie, besonders in der aktuellen Situation, an Mitgefühl, Freundlichkeit und Vergebung erinnert“. Der erwartete Erlös von mehreren Millionen Dollar sollte nach Angaben des Auktionshauses für den Bau eines Mandela-Gedenkgartens in der Nähe seines Grabes in seinem Geburtsort Qunu verwendet werden, als „inspirierende Erinnerung an einen Mann, dessen Leben uns alle beeinflusst hat“. Für den Personalausweis hatte das Auktionshaus beispielsweise ein Mindestgebot von 75.000 Dollar festgelegt.

Die heute 70 Jahre alte Makaziwe Mandela, genannt „Maki“, ist die älteste Tochter von Nelson Mandela und eines von zwei Kindern aus seiner ersten Ehe mit Evelyn Mase, die 1958 geschieden wurde. Im gleichen Jahr heiratete er Winnie Madikizela-Mandela, mit der er zwei weitere Töchter hatte. „Maki“ war vier Jahre, als sich ihre Eltern scheiden ließen, und neun Jahre alt, als ihr Vater zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Erst im Alter von 16 Jahren durfte sie ihn im Gefängnis besuchen, weil sie dafür einen Personalausweis vorlegen musste. Weithin bekannt ist ihre Enttäuschung damals, dass sie ihm bei dem Besuch nur durch die Glasscheibe einen Kuss geben durfte.

Wie Makaziwe Mandela mehrfach berichtete, hatte sie zeit ihres Lebens damit zu kämpfen, einen Vater zu haben, den sie mit der Nation teilen musste und der in ihrem Leben kaum präsent gewesen ist. Im vergangenen Jahr veröffentlichte sie ein Buch über Nelson Mandela, das den Menschen und nicht den Freiheitskämpfer und Staatsmann zeigen sollte, der „vom Himmel gefallen ist“. Viele Bücher seien über ihren Vater geschrieben worden, sagte sie damals in einem Interview, „vielleicht zu viele“, aber es gebe kein von seiner Familie, seinen Kindern geschriebenes Buch über ihn.

Wie die Nelson-Mandela-Stiftung mitteilte, hatte „Madiba“, wie Mandela liebevoll genannt wird, keine prinzipiellen Einwände gegen die Versteigerung persönlicher Gegenstände für einen guten Zweck. Er selbst habe mehrere Gegenstände dafür gespendet. Allerdings müssten wichtige Fragen zu den Objekten geklärt werden, wie die Eigentumsrechte, die Echtheit, und ob es sich um nationale Kulturgüter handle. Darüber habe die Stiftung nicht genügend Informationen. Der Richter, der eine einstweilige Verfügung gegen die Versteigerung abgelehnt hatte, hatte zugestanden, dass Mandela zweifellos eine wichtige Person in der südafrikanischen Geschichte gewesen sei. Das bedeute aber nicht, dass alle mit ihm verbundenen Objekte nach dem Gesetz schützenswerte Kulturgüter seien. Als Beispiel nannte er von ihm signierte Rugby-Trikots. Unklar ist, ob die Versteigerung endgültig abgesagt wurde. Auf der Internetseite steht derzeit nur der Satz „diese Auktion wurde ausgesetzt“.