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Für eine andere Entwicklungspolitik!

Beitrag vom 26.04.2024

Budapester Zeitung

Ungarns kluge Entwicklungshilfe

Entgegen seinem Ruf leistet Ungarn sehr kluge Beiträge in der Hilfe für afrikanische
Länder und ihre Bewohner. Anders als bei uns gilt es nicht als falsch,
wirtschaftliche Interessen bei entwicklungspolitischen Entscheidungen zu berücksichtigen.

Von Volker Seitz

Seit Viktor Orbáns Kritik an der
europäischen Migrationspolitik
und seiner Aussage, dass europäische
Politiker „die Migranten ermutigen
und den Eindruck erwecken, dass es sich
lohnt loszuziehen“, wird in den europäischen
Medien behauptet, dass Rassismus
zum Alltag in Ungarn gehört. Orbán
hat sich seit 2015 geweigert, illegale
Migranten aufzunehmen, da sie als „Bedrohung
für die öffentliche Sicherheit“
angesehen werden. Wie er kürzlich auf
der NatCon-Konferenz in Brüssel sagte,
gibt es bis heute keine illegalen Einwanderer
(etwa aus Afrika) in seinem Land.
Anderseits engagiert sich seine Regierung
zunehmend in einzelnen Ländern
Afrikas. Wie passt das zusammen?

Kaum jemand nimmt zur Kenntnis,
dass in den letzten Jahren tausende Afrikaner
nach Ungarn gekommen sind, um
an angesehenen Hochschulen zu studieren.
Ungarn hat auch hunderte von Studenten
aus Ghana aufgenommen, die aus
der Ukraine bei Kriegsbeginn geflohen
sind. Den Studenten wurde angeboten,
die gleichen günstigen Studiengebühren
wie in der Ukraine zu zahlen. Gehen Afrikaner
in ein „rassistisches Land“?

Derzeit leben rund 8.000 Afrikaner
in Ungarn, davon studieren 2.600 von
ihnen – aus 25 Ländern Afrikas – an
ungarischen Universitäten. Einige hundert
davon haben Stipendien des ungarischen
Staates erhalten. Es gibt aber
auch zahlreiche weitere praktische Beispiele
für ungarisches Engagement bezüglich
Afrika.

Uganda

Ungarn hat dazu beigetragen, den Finanzsektor
Ugandas gegen Cyberangriffe
zu stärken und das System mobiler
Zahlungen zu sichern. Das Cybersicherungsprojekt
wurde vom ungarischen
Staat mit 3,9 Millionen Euro finanziert
und von einem ungarischen Unternehmen
durchgeführt.

Ferner hat Ungarn im größten Flüchtlingslager
in Uganda den Bau von drei
Schulen finanziert, bei der Modernisierung
des öffentlichen Verwaltungssystems
geholfen, ein mobiles Gesundheitszentrum
sowie ein Krankenhaus
für Kardiologie modernisiert. Insgesamt
haben die ungarischen Hilfs- und Entwicklungsaktivitäten
in Uganda nach
Angaben des ungarischen Außenministeriums
ein Volumen von 17 Millionen
Dollar. Mit dieser Größenordnung rangiert
Uganda unter den afrikanischen
Ländern für Ungarn an der Spitze.

Tschad

Die 2019 gegründete Agentur „Hungary
Helps“ hat kürzlich in N’Djamena,
der Hauptstadt des Tschad, ihr erstes
Repräsentationsbüro für humanitäre
Hilfe auf dem Kontinent eröffnet. „Hungary
Helps“ will – nach eigener Darstellung
– durch Nothilfe dazu beitragen,
dass Menschen nicht in die Emigration
getrieben werden. Hilfe solle dorthin
gehen, wo die Probleme sind und nicht
Menschen in einer Notlage nach Europa
bringen. Maxime der Hilfsprogramme
ist es, die dortige Bevölkerung einzubinden
und die Projekte schnellstmöglich in
deren Hände zu geben.

Immer noch schlägt der Orbán-Regierung
von Seiten der EU Misstrauen
entgegen. Zuletzt im März 2024, als sich
Ungarn mit 200 Soldaten (mit dabei:
Orbáns Sohn Gáspár, ausgebildet an
der Royal Military Academy Sandhurst)
an friedenssichernden Maßnahmen im
Tschad beteiligte. Besonders Frankreich
ist verärgert, weil sich die Regierung Orbán
mit den Franzosen zuvor nicht abgesprochen
hatte.

Die ungarischen Militärs sind im Rahmen
eines bilateralen Abkommens in
den Tschad gekommen. Wenn deutsche
Medien – im Sinne Frankreichs – den ungarischen
Soldaten jeweils fehlende Ortskenntnis,
Erfahrung mit komplizierten
ethnischen Konflikten oder Kommunikation
vorwerfen, dann haben sie wohl die
Kongo-Mission der Bundeswehr in den
Jahren 2003 bis 2014 verdrängt. Bis heute
gibt es keine umfassende Darstellung
des Einsatzes, weder für den Bundestag
noch für die Öffentlichkeit.

Noch immer sind im Tschad rund 1.000
Franzosen stationiert. Paris unterhält seit
der Unabhängigkeit in der Hauptstadt
seiner früheren Kolonie N’Djamena (früher
Fort Lamy) einen seiner größten Militärstützpunkte.
Frankreich kontrolliert
seit jeher den Tschad und betrachtet ihn
als sein Einflussgebiet (sa chasse gardée).

Französische Politiker sind offenbar
noch nicht bereit, ihre Einflussmöglichkeiten
in der ehemaligen Kolonie
Tschad zu aufzugeben. Den französischen
Interessen genehme Präsidenten
an der Macht zu halten, hat aber dem
Ansehen der ehemaligen „Grande Nation“
(Selbsteinschätzung) sehr geschadet.
Die Staatsstreiche in Guinea, im
Niger, in Mali und in Burkina Faso hatten
jeweils verschiedene Hintergründe,
aber überall jubelten die Menschen den
Putschisten zu; oft brannten bei diesen
Demonstrationen französische Fahnen,
verbunden mit dem Slogan „A bas la
France“ („Nieder mit Frankreich“).

Die Regierung des Tschad bleibt eine der
letzten Verbündeten der Franzosen. Die
antifranzösische Stimmung in der Sahelregion
hat den Tschad noch nicht erreicht.

Sierra Leone

Bei einem Wirtschaftsforum mit dreißig
ungarischen Unternehmen wurde
mit Hilfe der Universität für Agrar- und
Biowissenschaften (MATE), Gödöll?,
eine Zusammenarbeit mit Sierra Leone
in den Bereichen Ernährungssicherheit
(Lebensmittel) und Landwirtschaft vereinbart.
MATE forscht in den Bereichen
wie dem Anbau von Kulturpflanzen, der
Nahrungsmittelsicherheit und nährstoffreichen
Pflanzen sowie nachhaltigem
Wassermanagement.

Hinzu kommen Investitionen, um den
Zugang zu sauberem Trinkwasser für
mehr als 300.000 Menschen zu gewährleisten.
Außerdem studieren 84 Studenten
aus Sierra Leone in Ungarn.

Fazit

Viktor Orbán ist demokratisch mit
großer Mehrheit gewählt und hat offensichtlich
die Unterstützung der Mehrheit
der Ungarn, seine Auffassung von Demokratie
und Rechtsstaatlichkeit durchzusetzen.
Die obigen bilateralen Beispiele
– Ungarn gewährt auch öffentliche Entwicklungshilfe
(ODA) über multilaterale
Kanäle (IWF, Weltbank, UN-Institutionen)
in Form von finanziellen Beiträgen,
obligatorischen Mitgliedsbeiträgen und
freiwilligen Beiträgen – zeigen, dass die
medial inflationär gemachten Unterstellungen
gegen Ungarn etwa im Verhältnis
zu Afrikanern unfair sind.

Da die Mittel begrenzt sind, konzentriert
sich das Land auf ausgewählte
Bereiche und Projekte. Für Ungarn ist
die beste Form von Entwicklungsbeistand
technische Hilfe, Förderung von
Bildung, Weiterbildung und die Entsendung
von Fachleuten. Anders als bei uns
gilt es nicht als falsch, wirtschaftliche
Interessen bei entwicklungspolitischen
Entscheidungen zu berücksichtigen.

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VOLKER SEITZ war von 1965 bis 2008
in verschiedenen Funktionen für das
Auswärtige Amt tätig, u.a. in Äquatorialguinea,
Japan, Brüssel/EU, Benin,
Armenien und Kamerun – in den letztgenannten
drei Ländern als Botschafter.
Er gehört zum Initiativ-Kreis des Bonner
Aufrufs zur Reform der Entwicklungshilfe
und ist Autor des Bestsellers „Afrika
wird armregiert“. Er publiziert regelmäßig
zum Thema Entwicklungszusammenarbeit
mit Afrika und hält Vorträge.