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Beitrag vom 22.04.2025

FAZ

Kabilas nächster Zug

Von Claudia Bröll

Der frühere Präsident ist nach Kongo zurückgekehrt. Er will für Frieden in Ostkongo sorgen. Doch die Regierung in Kinshasa sieht dahinter Machtgelüste.

Joseph Kabila ist zurück in Kongo. Berichten zufolge ist der frühere kongolesische Präsident am Freitag in Goma im Osten des Landes angekommen. Angeblich will er für „Friedensbemühungen“ in der konfliktgeschüttelten Region sorgen, die in weiten Teilen von der Rebellengruppe M23 kontrolliert wird. Das verrieten enge Mitarbeiter Kabilas und ein hochrangiges Mitglied der M23. Kabila selbst hat sich bis Montagmittag nicht geäußert. Auch öffentlich aufgetreten ist er bisher nicht. Die Ankunft allein aber wirkte in der Hauptstadt Kinshasa wie ein Paukenschlag. Unverzüglich suspendierte die Regierung Kabilas Partei, die Volkspartei für Wiederaufbau und Demokratie (PPRD). Seine Vermögenswerte wurden beschlagnahmt, weil er mutmaßlich mit der M23 verbunden ist. Die Miliz hat in einer schnellen Offensive größere Gebiete einschließlich der beiden Provinzhauptstädte Goma und Bukavu erobert. Viele sind überzeugt, dass sie von Ruanda unterstützt wird. Kigali dementiert das.

Über die Motive, die hinter Kabilas Rückkehr stecken, gibt es viele Spekulationen, wobei sich schon seit geraumer Zeit Hinweise mehrten, er wolle sich wieder politisch engagieren und womöglich wieder nach der Macht greifen. Zumal in einer Zeit, in der Kongos Präsident Félix Tshisekedi wegen des Debakels in Ostkongo politisch so geschwächt ist wie nie zuvor. Tshisekedi hatte seinem Vorgänger schon im vergangenen Jahr unterstellt, einen „Aufstand“ zu planen.

Nach seinem Rücktritt im Dezember 2018 war Kabila aus der Öffentlichkeit verschwunden. In Kinshasa war bekannt, dass er gerne Zeit in seinem mit Wildtieren bestückten Naturreservat Kingakati verbrachte oder auf seiner Farm bei Lubumbashi. Er schrieb außerdem an einer südafrikanischen Universität eine Masterarbeit. Seit 2023 hielt er sich dann angeblich im südlichen Afrika auf, um an einer Dissertation über die Beziehungen zwischen China und Kongo zu arbeiten.

„Jede Form von politischer Opposition zum Schweigen gebracht“

Seit Beginn der Offensive der M23 zu Jahresbeginn tauchte sein Name jedoch hier und da wieder auf. Er führte Gespräche mit Oppositionspolitikern über Kongos Zukunft, kritisierte scharf die Vorgehensweise seines Nachfolgers in Ostkongo und dessen Amtsführung. Für einiges Aufsehen sorgte dann Anfang März ein Meinungsbeitrag in der südafrikanischen „Sunday Times“, in dem er die kongolesische Regierung als „tyrannisches Regime“ bezeichnete, mit dem sich Südafrika nicht einlassen sollte. Südafrika führte eine mittlerweile beendete Friedensmission der Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrika (SADC) in Ostkongo. Außerdem warf Kabila Tshisekedi vor, eine Vereinbarung nach dem Machtwechsel – es war der erste friedliche in der Geschichte des Landes – „in Stücke gerissen“ zu haben.

„Seitdem hat sich die Lage in Kongo verschlimmert bis zu einem Punkt, an dem das Land kurz vor der Implosion steht wegen eines Bürgerkriegs“, schrieb er. Die Krise sei nicht nur den Aktionen der M23 geschuldet und den Meinungsverschiedenheiten zwischen Kongo und Ruanda, sondern auch der schlechten Regierungsführung in Kinshasa, die einen „Rückschritt für die Demokratie“ darstelle. „Das derzeitige Regime hat jede Form von politischer Opposition zum Schweigen gebracht. Einschüchterung, willkürliche Verhaftungen, Hinrichtungen sowie die Verbannung von Politikern, Journalisten und Meinungsführern, einschließlich Geistlichen, gehören zu den Hauptmerkmalen von Tshisekedis Regierung.“

Bemerkenswert ist, dass es ähnliche Vorwürfe auch gegen Kabilas eigene Präsidentschaft in den späteren Jahren gegeben hatte. Nach der Ermordung seines Vaters Laurent-Désiré, der 1997 den Langzeitdiktator Mobutu Sese Seko gestürzt hatte, übernahm der damals 29 Jahre alte Kabila 2001 inmitten des Zweiten Kongokrieges die Staatsführung. Zunächst sollte er nur ein Übergangspräsident sein, den Krieg beenden und dann den Platz für einen Neuanfang frei machen. Tatsächlich wurde der Krieg 2003 nach Friedensverhandlungen beendet, doch Kabila blieb. Die erste freie Wahl 2006 gewann er deutlich gegen Jean-Pierre­ Bemba. Bei der zweiten, chaotisch verlaufenen Wahl 2011 war sein Stern jedoch schon verblasst. Als seine zweite Amtszeit im Dezember 2016 endete, sagte er kurzerhand die Wahlen ab. Erst eineinhalb Jahre später gab er nach Protesten gegen das Festhalten an der Macht nach und kandidierte in der Wahl 2018 nicht mehr.

Kritik am Nachbarland vermieden

Kabila wittere jetzt vermutlich eine Chance, sagt Stephanie Wolters, Analystin am South African Institute for International Affairs (SAIIA) der F.A.Z. Tshisekedis militärische Strategie in Ostkongo, die eigenen Streitkräfte mit ausländischen Söldnern, einer Freiwilligenmiliz und der SADC-Mission zu verstärken, sei gescheitert. Zugleich habe der Präsident an Rückhalt in den eigenen Reihen verloren und die Opposition noch mehr gegen sich aufgebracht, als er unlängst eine Verfassungsänderung ins Gespräch brachte, um sich eine dritte Amtszeit zu ermöglichen. Zur Bewältigung der Krisen versucht Tshisekedi derzeit eine „Regierung der Nationalen Einheit“ aufzustellen.

Kabila ist allerdings bekannt dafür, sich nicht in die Karten schauen zu lassen. Es sei ein politisch riskanter und provozierender Schachzug, in Goma und nicht zuerst in Kinshasa anzukommen, sagt Wolters. Er bestärke Spekulationen über eine Verbindung mit der M23. Der Großteil der Bevölkerung außerhalb Ostkongos ist über die Besatzung durch die M23 entrüstet und feindselig gegenüber Ruanda gestimmt. Trotzdem hatte Kabila in dem Meinungsbeitrag jegliche Kritik an dem Nachbarland vermieden und Behauptungen, die M23 sei eine „Stellvertreterarmee eines fremden Staates“, als „irreführend“ bezeichnet. Er selbst hatte bei der Ankündigung der Rückkehr nur gesagt, er wolle mit dem östlichen Teil beginnen, „weil dort Gefahr im Verzug ist“.

Wie aus seiner Entourage am Montag verlautete, will Kabila vor den Bewohnern von Goma sprechen. Einige Menschen zeigten sich hoffnungsvoll über den prominenten Besuch. Ein Termin wurde nicht genannt. Unklar ist auch, wie lange sich der schwer durchschaubare frühere Staatslenker dort aufhalten und wohin er als Nächstes reisen will.