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Beitrag vom 27.07.2025

SZ

Präsidentschaftswahl in Kamerun

„Dieses Land braucht einen Neuanfang“

Als Korruptionsbekämpfer hat Akere Muna sich international einen Namen gemacht, nun will er das scheinbar Unmögliche schaffen: Kameruns seit 1982 herrschenden Präsidenten von der Macht verdrängen. Hat er eine Chance? Ein Besuch in Jaunde.

Von Paul Munzinger, Jaunde

Für Akere Muna ist es nicht unheikel, das Alter seines Kontrahenten zum Wahlkampfthema zu machen. Schließlich ist er selbst schon 72. In den meisten Ländern ginge er damit kaum als Nachwuchshoffnung durch, als Garant eines Neubeginns. Doch in Kamerun könnte es gehen. Präsident Paul Biya – der Mann, den Muna von der Macht verdrängen möchte – regiert das Land seit 1982. Mit 92 Jahren ist er das älteste Staatsoberhaupt der Erde.

„Alter ist kein Hindernis“, sagt Muna. „Aber wenn es im Fernsehen als Großereignis gefeiert wird, dass der Präsident selbständig geht oder aus eigener Kraft die Hand hebt, dann haben wir ein Problem.“

Ob Biya bei der Präsidentschaftswahl am 12. Oktober tatsächlich wieder antreten würde, war die große Frage in Kamerun. Bis der Dauerpräsident am 13. Juli seine erneute Kandidatur verkündete. Seine achte. Falls er gewinnt und so lange durchhält, wäre er am Ende der Amtszeit 99. „Das Beste liegt noch vor uns“, schrieb Biya auf X. Für viele Kameruner klang das wie eine Drohung.

Die Chancen, den seit 43 Jahren regierenden Präsidenten abzulösen, standen laut Akere Manu nie besser
Im Land gibt es nun eine neue große Frage: Ist es vorstellbar, dass Biya die Wahl verliert? Dass der Mann, der den kamerunischen Staat 43 Jahre lang auf seinen Machterhalt getrimmt hat, gestürzt wird?

Akere Muna sagt: „Die Chancen standen nie besser.“ Er empfängt in seinem Haus in der Hauptstadt Jaunde, mit Slippern an den Füßen und Hornbrille auf der Nase, und strahlt ein Selbstbewusstsein aus, wie man es wohl nur als Sprössling einer der ersten Familien des Landes besitzt. Sein Vater Solomon Muna war von 1968 bis 1972 Premierminister des damals autonomen Landesteils West-Kamerun und für zwei Jahre Kameruns Vizepräsident. Akere Muna ist sein siebter Sohn.

Im Hauseingang hängen Bilder, die ihn mit Politprominenz aus aller Welt zeigen, von Frankreichs Ex-Präsident François Hollande bis zur Friedensnobelpreisträgerin Ellen Johnson Sirleaf aus Liberia. Eingang in diese Kreise fand Muna nicht als Politiker, sondern durch eine Tätigkeit, die ihn in Kamerun zum Gegner vieler Politiker macht: als Korruptionsbekämpfer. Von Haus aus Rechtsanwalt baute Muna von 2000 an die kamerunische Sektion von Transparency International auf. Danach war er neun Jahre lange Vizechef der Organisation, die sich gegen Korruption einsetzt und ein jährliches Länderranking herausgibt. Kamerun belegt dort aktuell Rang 140 von 180.

Die Wechselstimmung ist groß, doch die Opposition ist uneins wie noch nie

In die Politik kam Muna als Quereinsteiger. 2018, bei der letzten Präsidentschaftswahl, kandidierte er erstmals, zog aber am Ende zugunsten des aussichtsreicheren Herausforderers Maurice Kamto zurück. Der kam auf 14 Prozent der Stimmen, Amtsinhaber Biya auf 71 Prozent. Zumindest laut offiziellem Ergebnis. Nun will Muna es wieder probieren, als Kandidat eines Bündnisses kleiner Oppositionsparteien.

83 Bewerber haben ihre Unterlagen bei Kameruns Wahlbehörde eingereicht, dreimal so viele wie 2018. Es ist eine Rekordzahl, die zwei Deutungen zulässt. Die erste, die Muna vertritt, lautet: Noch nie war die Wechselstimmung so groß. Die zweite: Noch nie war die Opposition so uneins. Für Außenseiter wie Muna steckt in dieser Deutung auch der Vorwurf, dass ihre Kandidatur am Ende nur dem Präsidenten helfe.

Muna ficht das nicht an. Er sei der richtige Mann, sagt er, um die zwei drängendsten Probleme des Landes zu lösen. Erstens die Korruption. Kamerun habe unter Biya alle Phasen aus dem Lehrbuch durchlaufen, die alltägliche, die endemische, die systemische Korruption. Heute befinde sich das Land in der Phase des State Capture, des Ausverkaufs an den Meistbietenden. Als Beleg nennt Muna den Skandal um eine Tochter des Schweizer Rohstoffgiganten Glencore, die über Jahre Amtsträger bestochen hatte, um ihren Zugriff auf Kameruns Erdöl zu sichern.

Sollte er Präsident werden, sagt Muna, werde es keine Toleranz gegenüber Korruption geben. „Wer erwischt wird, fliegt.“

Seit Jahrzehnten schwelt ein Konflikt zwischen dem früheren West-Kamerun und dem Zentralstaat
Das zweite große ungelöste Problem ist die sogenannte anglophone Krise. Kamerun besteht, ein Erbe der Kolonialzeit, aus einem großen französischsprachigen und einem kleinen englischsprachigen Teil: dem früheren West-Kamerun, dessen Premierminister Munas Vater war, ehe es in die Provinzen Nordwest und Südwest geteilt und dem Zentralstaat einverleibt wurde. Es war der Beginn eines über Jahrzehnte schwelenden Konflikts, der 2016 zu einem Krieg zwischen Separatisten und Armee eskalierte. Tausende wurden seitdem getötet, Hunderttausende vertrieben.

Präsident Biya ist es nicht gelungen, die Gewalt zu beenden. Er würde es schaffen, sagt Muna. Er kenne die Ursachen des Konflikts und verfüge als Anglophoner und als Sohn seines Vaters über die Autorität, um einen Dialog einzuleiten. Der einzige Ausweg bestehe darin, die zentralistische Ordnung durch eine föderale zu ersetzen und etwa die Gouverneure der anglophonen Provinzen wählen zu lassen. Bisher werden sie von der Regierung in Jaunde ernannt.

Fraglich ist allerdings, ob ein anglophoner Kandidat in Kamerun auch nur theoretische Aussichten auf eine Mehrheit hätte. Zumal nicht mal klar ist, ob er auf die Stimmen der Provinzen Nordwest und Südwest zählen könnte. 2018 konnte dort wegen des Konflikts kaum jemand wählen.

Medien werden gegängelt, Oppositionelle behindert, Klagen wegen Wahlfälschung abgeschmettert
Praktisch kommt die Frage hinzu, ob überhaupt ein anderer Wahlsieger als Paul Biya denkbar ist. Der Präsident hat sich den Staat in den vergangenen Jahrzehnten untertan gemacht. Medien werden gegängelt, Oppositionelle behindert, Klagen wegen Wahlfälschung von den Gerichten routiniert abgeschmettert. Muna sieht trotzdem eine Chance, Biya zu schlagen. Nicht obwohl, sondern weil er schon so lange an der Macht ist.

Als der Präsident vergangenes Jahr für Wochen verschwand, machten Gerüchte über seinen Tod die Runde. Die erwiesen sich als falsch, doch das wacklige Bild, das Biya bei seinen wenigen öffentlichen Auftritten abgibt, lässt die Spekulationen über seine Gesundheit nicht abreißen. Viele Kameruner sind überzeugt, dass Biya nur noch dem Namen nach herrscht – und längst die zweite Reihe die Regierung führt. Schon seit Jahren verbringt Biya einen Großteil des Jahres nicht in Jaunde, sondern in seinem Heimatdorf oder in der Schweiz.

Innerhalb dieser zweiten Reihe ist der Kampf um Biyas Nachfolge längst entbrannt, sagt Muna. Tatsächlich sind Risse im System unübersehbar. In der Regierungspartei, eigentlich zum Abnickverein degradiert, regt sich plötzlich Unmut. Zwei frühere Weggefährten Biyas wollen bei der Wahl gegen ihn antreten.

Manche Beobachter sehen darin ein Sicherheitsrisiko für Kamerun, gar einen drohenden Bürgerkrieg. Muna sieht eine Chance. Ein Machtwechsel sei möglich, sagt er, wenn die Menschen das Gefühl bekämen, dass die Dinge ins Rutschen geraten – Biyas Wähler ebenso wie seine Gefolgsleute. „Man sollte nicht davon ausgehen, dass Menschen, die für die Regierung arbeiten, automatisch glücklich sind“, sagt Muna.

Die Ära Biya werde im Oktober enden, prophezeit er. An der Urne – oder hinterher, durch einen Nachwahl-Putsch, wie er 2023 die fünfzigjährige Herrschaft des Bongo-Clans in Gabun beendete. Er sei gegen Putsche, sagt Muna. Doch wenn eine unfähige und korrupte Regierung durch Wahlen nicht loszuwerden sei: „Was soll man tun?“

Wenn es tatsächlich einen Putsch gibt, „würden die Menschen auf der Straße tanzen“, glaubt Muna. Und sollten die Putschisten ihm die Führung einer Übergangsregierung anbieten, würde er nicht ausschließen, dass er annimmt. „Dieses Land“, sagt er, „braucht einen Neuanfang.“