Beitrag vom 18.07.2009
Badische Neueste Nachrichten
Interview mit Volker Seitz, Autor des Buches "Afrika wird armregiert" dtv, Juli 2009
BNN - Herr Seitz, warum ist Afrika arm?
Viele Länder Afrikas sind nicht arm, sie werden armregiert. Die Machteliten nehmen ihre Verantwortung nicht wahr. Sie fragen nicht, warum ihr rohstoffreiches Land deutlich geringere Wachstumsraten hat als viele rohstoffärmere Länder. Es gibt auch keine öffentlichen Debatten darüber, wie sich das Land entwickeln soll. Ich war 17 Jahre in sechs afrikanischen Ländern tätig. Nie hatte ich das Gefühl, dass die Regierungen die Interessen ihrer Bürger vertreten. Ohne unabhängige Justiz, ein Parlament, das die Regierung kontrollieren darf, und ein gerechtes Steuersystem wird sich ein Land nicht entwickeln. Dazu braucht es aber einen politischen Willen, Pflichtbewusstsein und Leistungsbereitschaft.
BNN - …was viele afrikanische Staatschefs nicht haben. Stattdessen bereichern sie sich skrupellos. Warum eigentlich?
Sie können skrupellos sein, weil weder Justiz noch Parlament sie kontrollieren können.
BNN - Warum ist die derzeitige Entwicklungspolitik Ihrer Meinung nach nicht die Lösung des Problems?
Wir haben den Drang, unbedingt helfen zu wollen. Aber ein Übermaß an Hilfe lähmt die Betroffenen, statt Ihnen zu helfen. Der stetige Zuwachs an Mitteln ist zu einem Zwangskorsett geworden. Ich kenne kaum eine afrikanische Regierung, die für Probleme eigene Lösungen erarbeitet. Warum auch? Die Geber stehen Schlange um helfen zu dürfen. Dass die Entwicklungshilfe gescheitert ist, bestreitet kaum jemand, der nicht von der Hilfe lebt. Helfen sollten wir nur noch Ländern, die sich zu Reformen verpflichten, und dies sollte auch unabhängig überprüft werden.
BNN - Wie wirkt sich die Finanzkrise auf die Entwicklungsländer aus?
Die afrikanischen Länder haben weniger entwickelte Finanzmärkte. Durch das Einstürzen der Märkte hat sich für sie wenig geändert. Größere Auswirkungen haben hingegen die fallenden Rohstoffpreise. Rohstoffe wie Erdöl oder Kupfer werden dadurch tangiert. Krisen bieten aber auch Chancen. In diesem Sinne kann die Finanzkrise sehr nützlich sein. Die Geber müssen die unmittelbaren Berührungsängste verlieren und den Zusammenhang zwischen Korruption und aktueller wirtschaftlicher Lage aufzeigen. Erfreulicherweise hat dies US Präsident Obama vor ein Tagen in Accra getan.
BNN - Was halten Sie von Prominenten, die sich gerne mit afrikanischen Waisen auf dem Arm fotografieren lassen, und gleichzeitig lautstark fordern, es müssen unbedingt noch mehr Geld nach Afrika fließen?
Alle, die das "Weiter so" vertreten, also die Entwicklungshilfeindustrie oder auch Popbarden wie Bob Geldof oder Bono, sollten endlich für die Ärmsten Partei ergreifen. Sie sollten aufhören, die Korruption kleinzureden und die afrikanischen Herrscher, die sich nicht um das Wohl Ihrer Länder kümmern, als Demokraten preisen.
BNN - Welche Form von Entwicklungshilfe wäre angemessen?
Der Bonner Aufruf ist eine Initiative zu einer gründlichen Reform der Entwicklungspolitik. Dort fordern wir, dass nur noch Erziehung, Bildung, Ausbildung, Aufbau demokratischer Institutionen, Kleinkredite sowie arbeitsintensive Beschäftigungsprogramme unterstützt werden. Hiermit könnten wir den Armen wirklich helfen, aber die Betonung liegt auf unterstützen. Die Initiative und der Hauptanteil müssen bei den Regierenden selbst liegen.
BNN - Wie kann man Frauen in Afrika unterstützen?
Es gilt, die starken Frauen Afrikas als Partnerinnen zu gewinnen. Wir könnten eindeutig mehr für sie tun. Sie sind -auch gegen viele Widerstände - oft das Rückgrad der afrikanischen Wirtschaft, sowohl in der landwirtschaftlichen Produktion als auch im Handel und in der Einzelvermarktung. Ich habe in Afrika regelmäßig dynamische Frauen eingeladen und von ihnen sehr viel über Afrika gelernt. So habe ich zum Beispiel in Benin erfahren, dass die meisten Fischerboote den Frauen gehören. In Kamerun werden die Bereiche Transport und Druckereien von Frauen dominiert. Starke Frauen finden sich auch in ganz Westafrika im Tuchhandel. Da sie sich die entsprechenden Fahrzeuge leisten können, haben sie den Spitznamen "Mama Benz".
BNN - Wo sehen Sie Afrika in 50 Jahren?
Diese Prognose wage ich nicht abzugeben. Ich habe aber Hoffnung. Obama hat als erster westlicher Staatschef die afrikanischen Grund-Übel angeprangert. Das Potential Afrikas kann sich nicht entfalten, wenn afrikanische Eliten nicht begreifen, dass Korruption, schlechte Regierungsführung und fehlende demokratische Strukturen die Entwicklung des Kontinents gefährden. Vielleicht hilft die überraschend offenen Rede Obamas, die Absurdität und den Irrwitz des "Weiter so" abzustellen.
BNN - Gibt es afrikanische Länder, die bereits auf dem richtigen Weg sind?
Botswana, Mauritius, Benin, Ghana und Mali. Nehmen wir Botswana. Die dortigen Eliten haben gezeigt, wie es geht. Die Einnahmen aus dem Diamantenexport fließen zum Teil in einen Fonds, der für künftige Generationen eingefroren wird. Schulen und Medikamente sind kostenlos, Krankenhausgebühren niedrig. Laut Transparency International sind demokratische Strukturen in allen Bereichen des Landes zu finden. Journalisten und Opposition werden nicht bedroht. Außerdem - und das ist einmalig in Afrika: Politische Gegner haben niemals im Gefängnis gesessen.