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Für eine andere Entwicklungspolitik!

Beitrag vom 25.06.2012

FAZ

Die Geburt einer Diktatur

Vor neun Monaten wurde Michael Sata zum Präsidenten von Sambia gewählt. Die Wahl war frei, die Machtübergabe von Präsident Rupiah Banda an seinen Nachfolger lief geordnet ab. Sata hatte im Wahlkampf versprochen, gegen Korruption vorzugehen. Was daraus geworden ist, macht schaudern..

Von Thomas Scheen

LUSAKA, im Juni.
Inambao arbeitet als Anwalt in der sambischen Hauptstadt Lusaka, ist nebenher Generalsekretär der Oppositionspartei "Alliance for Democracy and Development" und deshalb von Natur aus nicht gut zu sprechen auf die gegenwärtig in Sambia regierende "Patriotic Front" (PF) von Präsident Michael Sata. Der war im September vergangenen Jahres unter anderem mit dem Versprechen gewählt worden, die Korruption in Sambia zu bekämpfen, was natürlich immer gut klingt. "Wenn es nur so wäre", stöhnt der Anwalt Inambao: "Was wir hier erleben, ist eine Hexenjagd getarnt als Korruptionsbekämpfung, die nur darauf abzielt, Satas politische Gegner mundtot zu machen", sagt er. Sambia, glaubt Inambao, sei dabei, sich zu einem "zweiten Zimbabwe" zu entwickeln.

Neun Monate ist Michael Sata, der wegen seiner häufig verletzenden Verbalattacken "Kobra" genannt wird und als enger Freund von Robert Mugabe gilt, nun im Amt. Im Wahlkampf hatte er ein Ende der hohen Jugendarbeitslosigkeit versprochen und angekündigt, dass jeder Sambier "innerhalb von 90 Tagen" mehr Geld in der Tasche haben werde. Er hatte den Einfluss der traditionell stark in Sambia engagierten Chinesen als schädlich bezeichnet und angekündigt, "aufzuräumen mit der Korruption". Diese Botschaft hatte das Volk offenbar überzeugt, die Wahlen im September vergangenen Jahres waren frei und fair verlaufen und das "Movement for Multiparty Democracy" (MMD), das Sambia nahezu 20 Jahre lang regiert hatte, hatte seine Niederlage umstandslos eingeräumt. Präsident Rupiah Banda hatte seinem Nachfolger viel Glück gewünscht und eine geordnete Machtübergabe veranlasst.

Neun Monate später aber stellt eine zusehends verwunderte Öffentlichkeit fest, wie Sata das gemeint hat mit der Korruptionsbekämpfung. Alleine seine Personalpolitik macht schaudern: Das Finanzministerium wird von seinem Onkel geleitet, dessen Stellvertreter ist ein Neffe Satas, während sein Schwager zum Schatzmeister aufstieg. Zum Handelsminister ernannte Sata den Vater seiner Schwiegertochter und das Verteidigungsministerium wird von einem anderen Neffen geleitet. Und wie das so geht in einem Familienunternehmen, schanzt sich die Familie Aufträge zu: Der Verteidigungsminister ist nebenher Chef einer Firma, die sich gerade einen lukrativen Vertrag für die Versorgung der Streitkräfte mit Lebensmitteln gesichert hat. Die Firma des Finanzministers ihrerseits darf den Regierungssitz für umgerechnet knapp 100.000 Euro renovieren. Eine Ausschreibung für diesen Auftrag hat es nie gegeben. Doch das scheint Methoden zu haben: Großzügige Gönner der PF werden wirtschaftlich bevorteilt und vor juristischen Nachstellungen verschont. Wer aber der Politik Satas öffentlich widerspricht, findet sich ganz schnell vor einem der Antikorruptionsausschüsse wider.

Das alles ist nachzulesen in einem offenen Brief der sambischen Opposition, der der Europäischen Union übergeben wurde. Die Liste der Vorwürfe ist lang und vor allem: Es sind keine leeren Anschuldigungen, sondern aktenkundige Vorgänge. Es geht dabei um viel Geld, um Gefälligkeiten für politische Weggefährten, um einen selbstherrlichen Führungsstil und nicht zuletzt um ein seltsames Verständnis von demokratischen Gepflogenheiten. Wie das "System Sata" funktioniert, wurde im Oktober vergangenen Jahres nur zehn Tage nach seiner Amtseinführung offenbar, als eine zuvor wegen erwiesenen Betrugs beschlagnahmte und zwangsverkaufte Bank ihrem ursprünglichen Besitzer wieder überantwortet wurde. "Finance Bank" heißt dieses Institut, dem nicht nur in Sambia, sondern auch in Malawi die Lizenz entzogen worden war, eil dem Eigentümer Rajan Mathani zahlreiche Verstoße gegen das Bankengesetz nachgewiesen worden waren. Da Mathani aber ein großer Gönner der PF ist, wurden der neue Besitzer der Bank, die südafrikanische "First National Bank", vor vollendete Tatsachen gestellt und enteignet. Zwei noch laufende Verfahren gegen Mathani wegen des Verdachts auf Unterschlagung und Betrug wurden ohne Angaben von Gründen eingestellt.

Ähnlich freihändig verfuhr die neue Regierung bei der Klage der staatlichen" Development Bank of Zambia" gegen zwei Geschäftsleute, die der PF ebenfalls nahestehen. Der eine, Fred M'membe, ist Eigentümer der Tageszeitung "The Post", die sich von einem unabhängigen Blatt zur Sata-treuen Prawda Sambias entwickelt hat. Der andere heißt Mutembo Nchito und ist der neue Generalstaatsanwalt. Streitwert in dem Verfahren sind 2,2 Millionen Euro, die M'membe und Nchito einst als Kredit für die inzwischen bankrotte Fluggesellschaft Zambian Airways aufgenommen hatten und seither zu tilgen vergessen haben. Präsident Sata befand, den treuen Verbündeten werde ein "unfairer" Prozess gemacht und das Verfahren gehöre eingestellt. Drei Richter aber sahen das anders, woraufhin sie kurzerhand abgelöst und durch linientreue Juristen ersetzt wurden. Der Justizminister fand die rabiate Missachtung der verfassungsmäßigen Rechte der Judikative durch die Exekutive völlig in Ordnung, weil ansonsten "eine Diktatur der Justiz und damit Anarchie" drohe. "Das alte Afrika feiert in Sambia seine Wiederauferstehung", sagt Anwalt Inambao dazu.

In dem Maße, in dem Sata Günstlinge Vorteile verschafft werden, geht die neue Regierung andererseits auf ihre politischen Gegner los. In den staatlichen Medien sind die kritischen Journalisten längst entlassen worden. Die wenigen privaten Medien, die sich noch eine andere Meinung als die der PF leisten, werden mit Diffamierungsklagen überzogen, deren Streitwert mehrere hunderttausend Dollar beträgt. Die Opposition wird systematisch daran gehindert, Versammlungen abzuhalten, wenn sie nicht gleich physisch eingeschüchtert wird. "Wir erleben gerade das Entstehen einer Diktatur", sagt Hakainde Hichilema, der Vorsitzende der drittgrößten Partei des Landes, der "United Party for National Development" (UPND). Hichilema hatte Sata unlängst als "Hyäne" bezeichnet, womit im lokalen Sprachgebrauch allerdings nicht das Raubtier gemeint ist. "Hyäne" ist vielmehr eine Umschreibung für einen Blender. Prompt wurde Hichilema festgenommen und wegen "Falschinformation der Öffentlichkeit" angeklagt. Das amüsiert ihn. "Die haben wirklich nichts zu bieten außer der eigenen Lächerlichkeit", sagt er im Gespräch mit dieser Zeitung. Dann erzählt er von der unlängst unterschriebenen Absichtserklärung zwischen der Regierung des sudanesischen Präsidenten Omar al Bashir und Sambia, sich gegenseitig im "Kampf gegen innere und äußere Feinde" zu unterstützen. "Welche inneren Feinde hat Sata denn außer uns, der Opposition? Will er gegen uns Methoden anwenden, wie man sie aus Darfur kennt?"
Neo Simutanyi beschäftigt sich schon lange mit dem Politiker Michael Sata. Wundern kann er sich nicht über dessen Verhalten als Staatsoberhaupt. "Der Mann war immer autoritär und intolerant", sagt der Direktor des in Lusaka beheimateten "Center for Policy Dialogue". Und ihm schwant nichts Gutes für die Zukunft. "Diese Freundschaft mit Mugabe, diese Begeisterung für dessen Politik, das ist uns Sambiern so peinlich", sagt er. Neo Simutanyi hat sich mit wissenschaftlichem Interesse den insgesamt acht Ausschüssen zur Ermittlung von Korruptionsfällen genähert, die sich zusehends zu einem Instrument der Einschüchterung von Andersdenkenden entwickelt haben. Sein Befund ist niederschmetternd: "Keine Beweise, keine Fakten, die pure Geldverschwendung". Natürlich sagt Simutanyi nicht, es habe unter der Vorgängerregierung keine Korruption gegeben. "Aber Sata behauptet, Banda und seine Regierung hätten das Land regelrecht geplündert, was nachweislich nicht stimmt. Jetzt steht er da mit seinen großen Worten und hat keinerlei Beweise".

Einer dieser Korruptions-Schauprozesse ist der um den Mobilfunkanbieter Zamtel. Die ursprünglich staatliche Firma war vor einiger Zeit für 257 Millionen Dollar an eine Gruppe libyscher Investoren verkauft worden und ist seither rasant gewachsen. Unter Sata wurde Zamtel wieder verstaatlicht und der Chefideologe de PF, Wynter Kabima, als Direktor eingesetzt. Glaubt man der Regierung Sata, war der Verkauf von Zamtel an die Libyer von Korruption durchzogen, an der auch der Sohn von Präsident Banda, Henry Banda, verdient haben soll. "Das ist völlig aus der Luft gegriffen", sagt dazu Muhabi Lungu, der viele Jahre lang maßgeblich für die Privatisierung von Staatsbetrieben verantwortlich war. "Ich war bei jeder Verhandlung mit den Libyern dabei, der Deal war sauber und Henry nicht einmal von weitem beteiligt". Henry Banda, der inzwischen im südafrikanischen Johannesburg lebt, bestreitet diese Vorwürfe genauso energisch. "Diese Leute wollen den Ruf meines Vaters beschädigen, weil er ihnen politisch gefährlich werden kann. Also gehen sie auf seinen Sohn los", sagte Henry Banda dieser Zeitung. Wynter Kabima war trotz vieler Versuche, ihn in Lusaka zu den Vorwürfen zu befragen, für diese Zeitung nicht zu erreichen.

Rupiah Banda ist ein gemütlich wirkender älterer Herr, der in Windjacke und Arbeitsschuhen empfängt. "Ich muss heute noch zwei Obstbäume pflanzen", erklärt er lachend seine Aufmachung. Banda war von 2008 bis 2011 Präsident Sambias, und in dieser Zeit erzielte das Land ein jährliches Wirtschaftswachstum von sechs bis sieben Prozent. Nach Einschätzung der Weltbank fällt Sambia angesichts seines steten Wachstums nicht mehr in die Kategorie der Entwicklungsländer, sondern in die der "Länder mit mittlerem Einkommen". Entsprechend kühl kontert Banda die Vorwürfe seines Nachfolgers: "Als ich aus dem Amt geschieden bin, verfügte Sambia über 2,8 Milliarden Dollar Devisenreserven. Das deckt das Aushandelsvolumen für 40 Tage. Von welcher Plünderung spricht der eigentlich?". Angesichts der zahlreichen Anschuldigungen hat Banda sich des Beistands des bekannten sambischen Anwalts Sakwiba Sikota sowie des kanadischen Staranwalts Robert Amsterdam versichert. Amsterdam ist Spezialist für schwierige Fälle: Er hat den russischen Unternehmer und Oppositionellen Mikhail Khodorkovsky verteidigt, den früheren thailändischen Ministerpräsidenten Thaksin Shinawatra und den Oppositionspolitiker Chee Soon Juan aus Singapur. Die sambische Regierung aber hat Amsterdam Einreiseverbot erteilt und in Fred M'membes Zeitung "The Post" wird er als "Söldner" verunglimpft. "Das ist der neue Stil in Sambia", sagt Banda, der zwar den Namen Robert Mugabe nicht in den Mund nimmt, aber genau diesen meint, wenn er von der Notwendigkeit spricht, den "Anfängen zu wehren" - "Sehen sie: Alle wichtigen Posten in der Verwaltung und im politischen Betrieb bis hin zum Außenministerium sind unter Sata neu besetzt worden. 70 Prozent der Neuen sind Angehörige seiner Ethnie, der Bemba. Ethnische Bevorzugung ist in Afrika ein Spiel mit dem Feuer, das weiß jeder".

Von den politischen Verwerfungen einmal abgesehen, droht Sambia angesichts der klaren Absicht der Sata-Mannschaft, wichtige Industriebereiche wieder zu nationalisieren, ein wirtschaftlicher Abschwung. Die Verstaatlichung von Zamtel und der angeordnete Rauswurf der niederländischen Rabobank aus der größten Bank des Landes, Zanaco, hat die Ratingagentur Fitch veranlasst, die Einstufung Sambias zwei Mal in Folge zu senken. Die Landeswährung Kwacha hat 20 Prozent gegenüber dem Dollar verloren, womit die für dieses Jahr vorgesehene Begebung eines Eurobonds über 700 Millionen Euro angesichts der zu erwartenden Zinsen als gescheitert betrachtet werden darf. Dabei ist der Bonds fest im Budget eingeplant, weil Sata das Geld braucht, um seine Wahlversprechungen wenigstens zum Teil einzulösen. "Es ist wirklich unglaublich", sagt der Ökonom Lunga: "Wir haben nahezu 15 Jahre gebraucht, um ein negatives Wachstum in ein positives umzudrehen, weil wir mehr als 200 unprofitable Staatsbetriebe privatisieren mussten. Dann kommt Sata daher, lobt Verstaatlichung und brandmarkt ausländische Investoren als Geier. Der führt uns geradewegs zurück in die Steinzeit."