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Beitrag vom 02.11.2021

zeit.de

Äthiopien

Regierung wirft Rebellengruppe Massaker an Jugendlichen vor

Die TPLF soll bei der Einnahme einer Stadt mehr als 100 Jugendliche getötet haben. In der Hauptstadt Addis Abeba werden Menschen aus der Tigray-Provinz verhaftet.

Quelle: ZEIT ONLINE, dpa, AFP, Reuters

Die äthiopische Regierung hat der Rebellengruppe TPLF ein Massaker in der im Norden gelegenen Region Amhara vorgeworfen. Kämpfer der TPLF hätten über hundert junge Einwohner der strategisch wichtigen Stadt Kombolcha regelrecht hingerichtet, teilte die Regierung in Addis Abeba mit, ohne weitere Details zu nennen. Die TPLF reagierte zunächst nicht auf Bitten um eine Stellungnahme. Ob es sich bei den Getöteten um Kämpfer oder Zivilisten handelt, ist unklar.

Die Rebellengruppe aus der an Amhara angrenzenden Konfliktregion Tigray hat am Wochenende die Einnahme von Kombolcha und der nahe gelegenen Stadt Dessie gemeldet. Sollten sich ihre Angaben bestätigen, wäre dies ein schwerer Schlag für die Regierung von Ministerpräsident Abiy Ahmed. Die Regierung erklärte am Sonntag, in beiden Städten werde noch gekämpft.

Kriegerische Handlungen seit fast einem Jahr

Einwohner aus Kombolcha berichteten von heftigen nächtlichen Gefechten an der Stadtgrenze, die bis in den frühen Montagmorgen andauerten. Einwohner von Dessie waren nicht zu erreichen. Von unabhängiger Seite lassen sich die Angaben von Rebellen und Regierung kaum überprüfen, da die Kommunikation in weiten Teilen unterbrochen und das Gebiet für Journalisten nicht zugänglich ist. Die Verwaltung von Amhara wies am Sonntag alle Regierungsbehörden an, ihre reguläre Arbeit einzustellen und alle Energie und Gelder in den von Regierungschef Abiy geforderten Kampf zu stecken.

Der Konflikt zwischen Abiys Regierung und der TPLF, die Äthiopien 25 Jahre lang dominierte, dauert seit fast einem Jahr an. Äthiopische Regierungstruppen haben im November 2020 die in Tigray regierende TPLF angegriffen, nach Regierungsangaben als Reaktion auf Attacken der TPLF auf Armeestellungen. Führende Mitglieder des Militärs liefen nach Abiys Machtantritt zur TPLF über, wodurch die Rebellen sehr schnell große Erfolge erzielen konnten. Die teils heftigen Kämpfe haben sich mittlerweile auch auf benachbarte Regionen wie Amhara ausgedehnt.

Verhaftungen von Menschen aus Tigray in Addis Abeba

Dessie liegt rund 400 Kilometer nördlich der Hauptstadt Addis Abeba. In der Stadt leben Tausende Binnenflüchtlinge aus Tigray. Kombolcha liegt etwas weiter südlich. Die jüngste Offensive der Rebellen hat für Spekulationen gesorgt, die TPLF marschiere auf Addis Abeba. Dies wurde von einem TPLF-Sprecher zurückgewiesen. Die Einnahme der beiden Städte gibt den Rebellen Zugang zu einer der wichtigsten Autobahnen in die Hauptstadt Addis Abeba. Ein Sprecher der mit der TPLF verbündeten Oromo Liberation Army (OLA) sprach auf Twitter zudem von der Übernahme zweier weiterer Städte, Kamise und Sanbate, die an der gleichen Autobahn liegen.

In der Hauptstadt zeigen die Behörden jedoch Nervosität. Dort nahmen Sicherheitskräfte zahlreiche Menschen aus Tigray fest. Ministerpräsident Abiy Ahmed bezichtigte am Montagabend auch nicht näher benannte Ausländer, die Volksbefreiungsfront TPLF zu unterstützen. Vor allem in der Wollo-Region hätten sie sich zunehmend ins Kampfgeschehen eingebracht. Abiy forderte in einer Rede an Regierungsmitglieder dazu auf, "zurückzukämpfen".

Durch die Kämpfe wurden bislang fast zwei Millionen Menschen vertrieben. Es gibt immer wieder Berichte über Gräueltaten, darunter Massaker und Massenvergewaltigungen. Tigray ist weitgehend vom Rest der Welt abgeschnitten. Die Versorgungslage gilt als katastrophal, nach UN-Angaben leiden allein in Tigray 400.000 Menschen an Hunger.