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Beitrag vom 15.11.2021

FAZ

BMZ

Bittere Entwicklungsgeschichte

Von Manfred Schäfers

Das Entwicklungsministerium feiert runden Geburtstag – und muss sich wieder einmal die Frage nach seiner Existenzberechtigung gefallen lassen. Das Debakel in Afghanistan wirkt nach. Nirgendwo ist so lange so viel Geld in den Aufbau investiert worden, ohne nachhaltigen Erfolg. Natürlich ist in den zwanzig Jahren mit westlicher Präsenz viel passiert: Kinder besuchten die Schule, Frauen nahmen am wirtschaftlichen Leben teil, Geld floss in die Infrastruktur des Landes. Doch mit der Machtübernahme durch die Taliban droht ein verheerender Rückschritt. Das Debakel erfordert eine Aufarbeitung. Doch die ist nicht in Sicht.

Mitte November 1961 ist der FDP-Politiker Walter Scheel zum ersten Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit ernannt worden. Sein später Nachfolger Gerd Müller, der schon länger seinen Rückzug angekündigt hatte, warnt vor einer Zerschlagung des Hauses. Ein Klein-Klein in mehreren Ministerien wäre nach seinen Worten ein Desaster. Zugleich zeichnet der CSU-Politiker zum Jubiläum ein rosiges Bild, was alles erreicht worden sei. Seit 1990 sei die Zahl der Hungernden von mehr als einer Milliarde Menschen auf 615 Millionen gesunken, die Zahl der extrem Armen um fast zwei Drittel gefallen. Die Armutsrate ging nach seinen Angaben von 36 auf 9 Prozent zurück. Was er nicht sagt: Viel wurde in Asien erreicht, wenig in Afrika, wo besonders viele Entwicklungsexperten unterwegs waren und sind.

Deutschland ist heute zweitgrößter Geber in der Welt. Der Anteil der Entwicklungshilfe an der Wirtschaftsleistung entspricht mit 0,7 Prozent dem internationalen Ziel. Doch das ist Tonnenideologie. Es reicht nicht, Brunnen zu bohren, Straßen zu planen und Ausbildungszentren aufzubauen. Wenn sich die lokale Elite nicht selbst mit Haut und Haaren der Entwicklung des eigenen Landes verschreibt, sondern Politik für die Familie oder den Stamm betreibt, vielleicht noch Geld abzwackt, um es in einer anonymen Briefkastenfirma jenseits der Grenzen anzulegen, müssen die Geber konsequent den Hahn zudrehen. Nur dann ist Entwicklung möglich, nur dann kann ein Ministerium in diesem Sinne Erfolgsgeschichte schreiben.