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Für eine andere Entwicklungspolitik!

Beitrag vom 09.01.2022

FAS

Raus aus Mali?

Von Peter Carstens

Die Bundeswehr steht seit Jahren in Mali. Die Lage wird schlechter. Verteidigungsministerin Lambrecht lässt sich trotzdem Zeit mit einem Truppen-Besuch.

Im fernen Mali steht die Bundeswehr seit Jahren mit Hunderten Soldaten in einem Land, das von fortwährenden Putschen, Korruption und Terror gepeinigt ist. Die Soldaten sind Teil der verlustreichsten Friedensmissionen in der jüngeren Geschichte der Vereinten Nationen. Mehr als 250 Soldaten der Weltgemeinschaft sind bei Angriffen ums Leben gekommen. Im vergangenen Juni gerieten deutsche Soldaten in eine solche Attacke, ein Autobomber durchbrach ihre Wagenburg. Zwölf Bundeswehrangehörige wurden verletzt, einige werden fürs Leben schwer gezeichnet bleiben.

Außerdem soll die Bundeswehr im Zuge einer Mission der Europäischen Union die malische Armee ausbilden, aus deren Reihen zuletzt der jeweils nächste Staatsstreich vorbereitet wurde. Mangels eigener Kompetenz könnten sich die malischen Putschisten nun sogar russische Söldner ins Haus holen. Da der afrikanische Staat sowieso schon intensiv von Entwicklungs- und Rüstungshilfe gestützt wird, finanzieren europäische Steuerzahler diese Eskapaden des Regimes zumindest auf Umwegen mit. Andererseits hätte auch Deutschland ein Interesse daran, islamistische Terroristen und Rebellen, die sich im Sahel festgesetzt haben, zu bekämpfen. Macht es aber nicht. Wenn das weiter unterbleibt, verlassen die Einheimischen den Kontinent, und der Terror breitet sich weiter aus.

Im Koalitionsvertrag der Ampelregierung ist vereinbart, die Situation zu analysieren und das Bundestagsmandat, das Ende Mai ausläuft, zu ändern oder den Einsatz zu beenden. Das ist eine Folge des Scheiterns in Afghanistan. Viele Fehler, die dort zwanzig Jahre lang gemacht wurden, wiederholen sich seit einem halben Jahrzehnt in Mali. In beiden Einsätzen hat sich Deutschland von sicherheitspolitisch größeren Geschwistern abhängig gemacht – von den Vereinigten Staaten am Hindukusch, von Frankreich in Westafrika. Ein eigenes Konzept, eigene politische Interessen oder militärische Ziele: Fehlanzeige. Als es dann Hals über Kopf raus aus Kabul ging, ließ man zu Tausenden ausgerechnet diejenigen zurück, die loyal und treu geholfen hatten.

Zu den Hindernissen bei der politischen Beurteilung des Bundeswehr-Einsatzes gehört die restriktive Besuchspolitik des Verteidigungsministeriums, den Angaben nach wegen Corona. Kaum ein Abgeordneter hat seit 2019 die Soldaten besuchen und befragen können, Journalisten durften die frühere Ministerin auf ihren spärlichen Reisen nicht begleiten. Selbst der Wehrbeauftragten des Bundestages verwehrte es das Ministerium anderthalb Jahre lang, sich in Mali einen Eindruck zu verschaffen. Als Eva Högl kürzlich erstmals dorthin reisen durfte, brachte sie niederschmetternde Eindrücke mit. Da wohl niemand auf ihre internen Berichte reagierte, machte Högl ihre Bedenken öffentlich. Sie setze „ein großes Fragezeichen“ hinter den UN-Einsatz, sehe aber eine Zukunft für die Trainingsmission, so Högl, insbesondere in Niger. Nun ist die Wehrbeauftragte zwar die Ombudsfrau der Männer und Frauen in Uniform, aber weder Außenpolitikerin noch militärische Strategin. Umso mehr verwundert es doch, wie viel Zeit sich die neue Bundesregierung lässt, ehe sie sich um Mali und den fragwürdigen Bundeswehr-Einsatz kümmert. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht, wohlbehalten zurück aus dem Weihnachtsurlaub, plant aber nun, demnächst eine Afrika-Reise zu unternehmen.