Beitrag vom 04.02.2022
FAZ
Macrons Niederlage in Afrika
Die französische Afrika-Politik scheitert auch an Russlands Einmischung.
Von Michaela Wiegel
Erlebt Frankreich in Mali sein „Afghanistan“? Das Scheitern der voller guter Absichten Anfang 2013 begonnenen Militäroperation ist kaum mehr zu leugnen. Obwohl Frankreich sich den Kampf gegen den Terrorismus in der Wüste mehr als acht Milliarden Euro hat kosten lassen und einen hohen Blutzoll zahlte, sind „Fortschritte“ nicht zu erkennen. Im Epizentrum der Terrorbedrohung, in Mali, sind die erklärten Ziele Frieden und politische Stabilität in weite Ferne gerückt. Nach zwei Staatsstreichen hat die Militärjunta Wahlen frühestens in „vier bis fünf Jahren“ in Aussicht gestellt. Söldner der russischen Wagner-Gruppe, die mit russischen Militärflugzeugen aus Libyen und Syrien eingeflogen wurden, haben laut französischen Informationen seit Dezember im Land Aufstellung genommen. Der hoch verschuldete malische Staat lässt sich die Söldnerdienste 1,5 Millionen Euro im Monat kosten. Hinzu kommen Konzessionen in den malischen Goldminen.
Der Einzug der Söldner wird begleitet von einer antifranzösischen Propaganda- und Desinformationskampagne, die nach Einschätzung des Elysée aus dem Kreml gesteuert wird. In Paris hat man die diplomatische Zurückhaltung aufgegeben, wenn es um die Wagner-Gruppe geht. Als die Söldner in der Zentralafrikanischen Republik eingesetzt wurden, spielte man in Paris noch die Verbindung nach Moskau herunter. Doch jetzt hat Außenminister Jean-Yves Le Drian öffentlich die „Fiktion“ bestritten, wonach es sich um eine private Sicherheitsfirma handele, die unabhängig vom Kreml agiere. Auch im Elysée-Palast wird darauf hingewiesen, dass die Söldner sich auf die Logistik der russischen Armee stützen, von Waffen über Aufklärung bis hin zu den Transportmitteln. Die Wagner-Milizen seien vielmehr Teil der hybriden Kriegsführung, auf die der russische Präsident immer mehr setze: Cyberangriffe, Desinformation und Milizen, die über ihre Uniformen nicht klar als Russen zu identifizieren seien.
Das russische Machtspiel reicht aber über die Unterstützung der Wagner-Milizen hinaus. Als ständiges UN-Sicherheitsratsmitglied weist Frankreich darauf hin, dass Moskau den jahrzehntelangen Konsens zu Schwarzafrika aufgekündigt hat. Bislang galt in der Gruppe der fünf ständigen Sicherheitsratsmitglieder das stillschweigende Einverständnis, Afrika nicht wie im Kalten Krieg in Einflusszonen aufzuteilen und entsprechende UN-Resolutionen zu blockieren. Doch jetzt wird in Paris befürchtet, dass Moskau fortan auch den afrikanischen Kontinent in seine Strategie des Bruchs mit dem Status quo einbezieht.
Paris: Nicht in Kalten Krieg hinziehen lassen
Die Zukunft der UN-Mission MINUSMA wird als Test betrachtet. Anders als der auf einer bilateralen Vereinbarung zwischen Mali und Frankreich beruhende Einsatz Barkhane gründet der MINUSMA-Einsatz auf einer auch von Moskau gebilligten UN-Resolution. Diese bildet die juristische Grundlage für sogenannte Rückversicherungseinsätze („reassurance“) der französischen Streitkräfte in Mali zugunsten der MINUSMA-Soldaten, darunter auch bis zu 1100 Bundeswehr-Soldaten. Dies gilt für Luftfahrt-Missionen der französischen Barkhane-Soldaten als Hilfestellung für die oft schlechter ausgerüsteten MINUSMA-Truppen sowie für medizinische Hilfseinsätze der französischen Armee. Auch die Luftaufklärung durch Drohnen ist betroffen. Die malische Militärjunta hat diese Einsätze in den vergangenen Wochen behindert oder ganz unterbunden. Deshalb steht aus französischer Sicht nicht nur der Barkhane-Einsatz, sondern auch MINUSMA auf dem Prüfstand. Die Putschisten-Regierung in Bamako hat am 20. Januar einem A400M-Transportflugzeug der Bundeswehr die Überflugrechte verweigert. Zuvor wurde einem französischen Kampfflugzeug der Überflug verboten.
Der Alternative Rückzug oder Kräftemessen mit einer von Moskau unterstützten Militärjunta will Frankreich sich nicht stellen. Im Elysée-Palast betont man, dass Paris nicht plane, in alte Kolonialmethoden zurückzufallen. Auch wolle man sich vom Kreml nicht in einen Kalten Krieg um afrikanische Einflusszonen hineinziehen lassen. Ein vollständiger Rückzug aus dem Sahel-Gebiet sei aufgrund der erhöhten Terrorbedrohung nicht möglich. Die Strategie der Terrororganisationen Al-Qaida und „Islamischer Staat“ (IS) sei es fortan, ihr Einflussgebiet auf ganz Westafrika zu erweitern. Um dies zu verhindern, müsse der Kampf gegen den Terrorismus „in anderer Form“ fortgeführt werden.
Europäische Eingreiftruppe steht vor Auflösung
Anders als die Amerikaner in Afghanistan will Frankreich mit den EU-Partnern, aber auch mit afrikanischen Partnern und NATO-Verbündeten über diese neuen Einsatzformen beraten. Beim EU-Afrika-Gipfel am 17./18. Februar in Brüssel werden erste Ergebnisse dieses „reset“ erwartet. Schon jetzt gibt man in Paris zu erkennen, dass die ad hoc zusammengestellte europäische Eingreiftruppe Takuba vor der Auflösung steht. Die malische Militärjunta hat vergangene Woche die dänischen Elitesoldaten des Landes verwiesen. Norwegen hat daraufhin seine Beteiligung an Takuba abgesagt. Auch Schweden will sein Kontingent nicht erneuern. Frankreich steht nicht nur ohne Botschafter in Bamako da. Auch seine Glaubwürdigkeit als europäische Führungsmacht im Sahel-Gebiet ist angekratzt. Die Ausbildungsmission EUTM, an der sich die Bundeswehr beteiligt, steht fortan im Verdacht, Offiziere für eine Militärjunta auszubilden.
Innenpolitisch droht die Schmach der Niederlage in Mali die positiven Versuche Präsident Macrons zu überschatten, das Verhältnis zu Afrika zu erneuern. Dazu zählen die Versöhnungsschritte gegenüber Ruanda, die Restitution von Kulturgütern, die Reform der Währung Franc CFA sowie das Experiment beim Gipfel in Montpellier, die afrikanische Zivilgesellschaft ernst zu nehmen. Jetzt muss Macron unter Druck die militärische Präsenz im Sahel-Gebiet neu definieren. Deutschland sollte dabei seine Vorstellungen klar äußern.