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Beitrag vom 01.03.2023

FAZ

Macrons Afrika-Reise

Endgültiger Abschied von der Kolonialzeit

Frankreichs Präsident will die Militärpräsenz in Afrika deutlich reduzieren. Damit einhergehen soll eine neue, partnerschaftliche Politik.

Von Michaela Wiegel

Emmanuel Macron ist der erste französische Präsident, der nach der Entkolonisierung geboren wurde. Mit dem postkolonialen Erbe, das er im Elysée vorgefunden hat, will er nun endgültig brechen. Das hat er in einer Rede über „Unsere Zukunft: die Partnerschaft Afrika – Frankreich“ im Elysée-Palast am Montagabend angekündigt, mit der er symbolisch einen Schlusspunkt unter den langen Ablösungsprozess setzen will. Macrons Ambition betrifft vor allem das militärische Engagement in Afrika, das als Überbleibsel der kolonialen Ordnungsmacht immer mehr auf Feindseligkeit in den Bevölkerungen stößt. Frankreich werde seine Militärpräsenz auf dem afrikanischen Kontinent „sichtbar reduzieren“, kündigte Macron an. Er bricht an diesem Mittwoch zu einer Rundreise nach Gabun, Angola, Kongo und in die Demokratische Republik Kongo auf.

Es ist die 17. Afrikareise seit seinem Amtsantritt 2017. Die militärischen Stützpunkte in Westafrika, in Dakar, Abidjan und Libreville, sollen nicht komplett geschlossen, aber künftig gemeinschaftlich mit den Armeen des Gastlandes genutzt werden. Sie sollten teils in Militärakademien umgewandelt werden. Betroffen sind nicht nur die Elfenbeinküste, Senegal und Gabun, auch im Tschad und in Niger soll die Sichtbarkeit der französischen Soldaten verringert werden. Der Stützpunkt in Dschibuti am Horn von Afrika sei ausgenommen. Insgesamt soll die Zahl der französischen Soldaten stark reduziert werden. Zahlen nannte Macron keine. „Die Militärstützpunkte sind ein Überbleibsel der Vergangenheit“, sagte Macron. Er wolle mit dieser Kolonialvergangenheit abschließen und keine Angriffsfläche mehr für den Verdacht der politisch-militärischen Einmischung bieten.

„Es ist nicht die Rolle unserer Soldaten, politische Antworten zu geben“

Mali nannte er eine „Falle“: „Frankreich ist dabei, zum idealen Sündenbock zu werden.“ „Natürlich sind viele von Frankreich enttäuscht“, sagte Macron. Das hänge aber auch mit überzogenen Erwartungen zusammen. „Es ist nicht die Rolle unserer Soldaten, politische Antworten zu geben“, sagte Macron. Das Ziel des Anfang 2013 begonnenen Militäreinsatzes, das Land politisch zu stabilisieren, ist nicht erreicht worden. Frankreich hat seine Truppen auf Druck der Militärjunta abziehen müssen, die künftig eng mit Russland zusammenarbeitet und Wagner-Milizen einsetzt. Auch Burkina Faso lässt sich von Moskau beraten und hat einen Rückzug der französischen Spezialkräfte erwirkt. Bei der jüngsten Abstimmung in der UN-Generalversammlung stimmte Mali erstmals mit Russland gegen einen russischen Rückzug aus der Ukraine. Drei der Länder (Gabun, Angola, Kongo), die Macron auf seiner Reise besucht, enthielten sich der Stimme.

Frankreich strebe eine neue „aus­geglichene, verantwortungsvolle und gegenseitige“ Partnerschaft mit Afrika an. „Den afrikanischen Hinterhof gibt es nicht mehr“, sagte Macron. „Bescheidenheit“ und „Zuhören“ bezeichnete der französische Präsident als neue Leitsätze seiner Afrikapolitik. Er kündigte an, von einer „Hilfslogik“ zu einer „Investitionslogik“ gelangen zu wollen. Der als „Kolonialwährung“ diffamierte Franc CFA, den 14 afrikanische Länder nutzen, soll weiter von Paris entkoppelt werden. Bislang haben acht Länder in Westafrika eine neue Verwaltungsstruktur durchgesetzt, in der Frankreichs Rolle reduziert wurde. Macron hat nun angeboten, dass die Währung als die einer afrikanischen Währungszone selbständig werde und sich auch einen neuen Namen gebe.

Eingreiftruppe wurde ihrer Rolle nicht gerecht

Macron verabschiedet sich nach seinen Worten von der „Konzentration auf militärisch-sicherheitspolitische Unterstützung“ . Er vollzog damit eine Kehrtwende, hatte er zu Beginn seiner ersten Amtszeit in Anwesenheit der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel doch eine neue G-5-Eingreiftruppe für das Sahel-Gebiet ins Leben gerufen. Aber von den beteiligten Ländern (Mali, Burkina Faso, Niger, Tschad, Mauretanien) haben sich zwei von Frankreich abgewandt; ohnehin hat die Eingreiftruppe nicht die ihr zugeschriebene Rolle beim Schutz der Zivilbevölkerungen vor Terrorismus erfüllt. Macron versprach, in Afrika künftig stärker europäisch vorgehen zu wollen. EU-Kommissar Thierry Breton wird ihn bei seiner Afrikareise begleiten. Als Beispiel nannte er den neuen Fonds zur Provenienzforschung von afrikanischen Kulturgütern, der gemeinsame Projekte deutscher und französischer Einrichtungen fördern soll. Eine dreijährige Pilotphase soll Anfang 2024 beginnen.

Frankreich habe eine einzigartige Verbindung zu Afrika, aber auch „viele Schwierigkeiten geerbt“. Er lehne es ab, in einen Wettbewerb um die Machtstellung einzutreten mit „Mächten, die mit ihren Söldnern“ ankämen, sagte er in Anspielung auf Russland. Auch China erwähnte er nicht namentlich, ließ aber durchblicken, dass er den Wettstreit um Afrika für „anachronistisch“ halte. Macron will Anfang April in China Xi Jinping besuchen. Der Franzose verspricht sich von dem chinesischen Präsidenten eine entscheidende Rolle, um Frieden in der Ukraine zu erreichen. Macron sagte, im „globalen Süden“ dürfe nicht der Eindruck eines doppelten Standards des Westens angesichts der Ukraine entstehen. Ein afrikanischer Journalist wies ihn darauf hin, dass Frankreich keine Sanktionen bei den Vereinten Nationen wegen Grenzverletzungen der Zentralafrikanischen Republik verlangt habe.