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Beitrag vom 04.05.2023

Die Welt

In Äthiopien erwartet Olaf Scholz eine schwierige Mission

Von Christian Putsch
Korrespondent in Kapstadt

Bundeskanzler Olaf Scholz wird seine dreitägigen Ostafrika-Reise in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba starten. In Äthiopien will Scholz mit Ministerpräsident Abiy Ahmed über den Friedensprozess im Land nach dem Bürgerkrieg sprechen.

Die Kämpfe im Sudan zeigen, wie fragil die Sicherheitslage in Afrika ist. Bei seinem Besuch in Addis Abeba will der Bundeskanzler versuchen, das Land als Stabilitätsanker zu gewinnen. Das wird nicht leicht – denn Russland festigt in der Region seinen Einfluss.
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Sieben Jahre ist es her, da pries die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel Äthiopien als „Stabilitätsanker“, lobte das beachtliche Wirtschaftswachstum des ostafrikanischen Landes. Es war der übliche Refrain, mit dem Äthiopien damals vom Westen besungen wurde, mit dem Crescendo des Friedensnobelpreises für Premierminister Abiy Ahmed im Jahr 2019.

Davon ist vor der Äthiopien-Reise von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Donnerstag zumindest offiziell nicht die Rede. Zu frisch und zu wackelig ist der Frieden in der Tigray-Region im Norden des Landes, die sich bis vor einem halben Jahr einen Sezessionskrieg mit Äthiopiens Regierung geliefert hatte, bei dem Zehntausende, vielleicht sogar Hunderttausende starben. Der Krieg mitsamt des Pakts von Abiy mit Eritrea, dem autoritärsten Regime Afrikas, hat so manch überhöhte Erwartung beseitigt.

Und doch zählt Äthiopien nach wie vor zu den wichtigsten sicherheitspolitischen Ansprechpartnern auf dem Kontinent, und das nicht nur wegen seiner Rolle als langjähriger Alliierter der USA im Kampf gegen die Al-Shabaab-Terroristen in Somalia. Beim Scholz-Besuch werden „regionale und internationale Sicherheitsthemen, insbesondere die Situation im Sudan, im Mittelpunkt stehen“, heißt es in der Verlautbarung der Bundesregierung, aus der eine gewisse Sehnsucht nach Äthiopiens alter Rolle durchklingt.

Da sieht man es dem 120-Millionen-Einwohner-Land am Horn von Afrika nach, dass es sich nach den Verwerfungen mit dem Westen zumindest zeitweise Russland annäherte, das Waffen lieferte und dafür bis heute äthiopische Stimmenthaltungen bei UN-Resolutionen zum Ukrainekrieg erntet.

Denn in Berlin hofft man auf eine schlichtende Rolle Äthiopiens im Kampf der sudanesischen Generäle. Mohamed Hamdan Dagalo, der Anführer der aufständischen RSF-Miliz im Sudan, hatte über Jahre hinweg die Nähe zu Äthiopien gesucht – wohlwissend, dass sein Kriegsgegner, Sudans Armee, von Ägypten unterstützt wird. Und Ägypten ist wiederum Äthiopiens größter Rivale in Afrika.

Es ist nicht zu erwarten, dass sich Äthiopien in diesen Konflikt ziehen lässt, schon allein, weil die Staatskassen nach dem Tigray-Konflikt so leer sind, dass man dringend auf einen Milliardenkredit des Internationalen Währungsfonds angewiesen ist. Und weil man weiterhin mit sich selbst zu tun hat. Die Amhara, die zweitgrößte Volksgruppe, fühlen sich marginalisiert, es gibt große Widerstände gegen die Entwaffnung ihrer regionalen Streitkräfte durch die Armee. Vor einigen Tagen erst verhaftete die von Oromo dominierte Regierung 47 Amharas, denen sie Pläne für einen Umsturz vorwerfen. Auch derartige innere Probleme schwächt die lange äußerst aktive Rolle des Landes in Afrika, wo die Zahl der Konflikte im vergangenen Jahrzehnt deutlich gestiegen ist.

Äthiopien wird von den Vereinten Nationen weiter als „eines der Top-truppenstellenden Länder“ gepriesen. Bei Friedensmissionen der UN und Afrikanischen Union (AU) seien mehr als 12.000 äthiopische Soldaten involviert, kein Land stelle mehr für Einsätze in Afrika. Und natürlich hat die AU ihren Sitz in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba. Die AU konzentriert sich in erster Linie auf Sicherheitspolitik, wohl nicht zuletzt, weil Initiativen zur überfälligen wirtschaftlichen Verzahnung des Kontinents, wie aktuell das Freihandelsabkommens AfCFTA, nur quälend langsam vorankommen.

Doch auch die AU konnte es nicht verhindern, dass die Zahl der erfolgreichen Staatsstreiche in Westafrika während der vergangenen Jahre deutlich stieg. Und dass radikal-islamische Terror-Gruppen in der Sahelzone Jahr für Jahr mehr Tote fordern. Während aus Mali und Burkina Faso die Truppen Frankreichs mehr oder weniger verjagten, zieht auch die Bundeswehr nach zahlreichen Schikanen bis Mai 2024 entnervt aus Mali ab. Schon in den vergangenen Wochen wurde die Truppenstärke reduziert.

Während der Einfluss des Westens in Afrika nachlässt, hat Russland im vergangenen Jahrzehnt knapp 20 Militärabkommen auf dem Kontinent abgeschlossen. In den fragilsten Ländern greift man auch deshalb auf russische Wagner-Söldner zurück, weil von der AU bei Sicherheitskrise keine Hilfe zu erwarten ist. Seit dem Jahr 2003 verspricht sie die Einsetzung einer schnellen Eingreiftruppe, der „African Standby Force“ (ASF).

Deren erster offizieller Einsatz steht weiter aus, Kooperationen einzelner Staaten, wie im Kampf gegen Boko Haram, Terroristen in Mosambik oder Milizen in Ostkongo entsprachen nicht dem ASF-Mandat. Federführend ist der kontinentale Staatenbund auch da ohnehin nur in wenigen Fällen.

Kenia ist die neue Hoffnung

Während Äthiopien als Impulsgeber für Afrikas Sicherheitskrisen zuletzt schwächelte, ließ das zweite Ziel von Scholz` Afrika-Reise in dieser Hinsicht aufhorchen: Kenia. Dort soll es bei Gesprächen am Freitag in erster Linie um erneuerbare Energiequellen gehen, aus denen das Land 90 Prozent seines Stroms generiert, heißt es in der Vorankündigung der deutschen Regierung.

Doch das ostafrikanische Land erweist sich auch auf sicherheitspolitischer Ebene als neuer Hoffnungsträger. Präsident William Ruto gehört zu den offiziellen AU-Vermittlern im Sudan-Krieg, sein Land veranstaltete in den vergangenen Jahren Friedenskonferenzen für Konfliktparteien im Südsudan. Und im vergangenen November wurde der äthiopische Tigray-Konflikt offiziell in Nairobi beendet.