Beitrag vom 31.07.2023
FAZ
SAHEL-KRISE
Junta in Niger verbittet sich Intervention
Westafrikanische Staaten drohen auf einem Krisentreffen mit dem „Einsatz von Gewalt“. Die nigrischen Putschisten geben sich selbstbewusst.
Chaotische Szenen haben sich am Sonntag in der nigrischen Hauptstadt Niamey abgespielt. Wie auf Videos in den sozialen Medien zu sehen ist, randalierten Demonstranten vor allem vor der französischen Botschaft und warfen Brandsätze. Ungefähr zur gleichen Zeit kündigten die Staats- und Regierungschefs der Wirtschaftsgemeinschaft westafrikanischer Staaten (ECOWAS) auf einem Krisentreffen im benachbarten Nigeria den „Einsatz von Gewalt“ an, sollten sich die Putschisten nicht zurückziehen und die vorige gewählte Regierung wieder einsetzen.
Vor dem Treffen hatten die neuen Machthaber schon Widerstand gegen eine „militärische Intervention“ angekündigt und zu Protesten aufgerufen. Ziel des Krisentreffens der Wirtschaftsgemeinschaft westafrikanischer Staaten (ECOWAS) sei es, einen „Aggressionsplan“ gegen Niger zu genehmigen, sagte ein Sprecher der Junta. An einer militärischen Intervention sollen demnach auch Nichtmitglieder von ECOWAS und „bestimmte westliche Länder“ beteiligt sein. „Wir möchten ECOWAS und andere Abenteurer noch einmal daran erinnern, dass wir fest entschlossen sind, unser Heimatland zu verteidigen“, hieß es weiter.
ECOWAS, der 15 Staaten angehören, kündigte die Isolierung Nigers an, Handels- und Finanzbeziehungen würden ausgesetzt. Ähnlich hatte ECOWAS auf die Putsche in Mali und Burkina Faso reagiert. Dort sind allerdings weiterhin Militärregierungen an der Macht. Die Afrikanische Union setzte den Putschisten ebenfalls ein Ultimatum. Die Soldaten hätten 15 Tage Zeit, um in die Kasernen zurückzukehren und die verfassungsmäßige Ordnung im Land wiederherzustellen.
Am Freitag hatte sich der Chef der Präsidentengarde, General Omar Tchiani, selbst zum neuen Staatslenker erklärt. Zuvor war der westafrikanische Staat faktisch zwei Tage lang führungslos gewesen, nachdem am Mittwoch Teile der Präsidentengarde den Eingang zum Präsidentenpalast blockiert und Präsident Mohamed Bazoum festgenommen hatten. Später schlossen sich das nationale Militär und alle Sicherheitseinheiten den Putschisten an. Sie erklärten die Verfassung für ungültig, schlossen die Grenzen und führten eine nächtliche Ausgangssperre ein.
Niger galt als der große Hoffnungsträger in der Sahel-Region
Zahlreiche westliche Nationen und die Vereinten Nationen verurteilten den Umsturz scharf. Nach Frankreich teilte auch die Europäische Union mit, den selbst ernannten Machthaber in Niger nicht anzuerkennen. Präsident Mohamed Bazoum sei demokratisch gewählt. „Er ist und bleibt der einzige rechtmäßige Präsident des Niger“, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Wochenende. Auch die Vereinigten Staaten dringen auf eine Wiederherstellung der Demokratie. Der amerikanische Außenminister Antony Blinken habe mit Bazoum telefoniert und „unerschütterliche“ Unterstützung angeboten, teilte das Außenministerium mit.
Niger galt für die westlichen Regierungen als der große Hoffnungsträger in der Sahel-Region, nachdem Frankreich seine Truppen aus Mali und Burkina Faso abziehen musste und weil die Friedensmission der Vereinten Nationen, MINUSMA, auf Druck der malischen Übergangsregierung bis Ende dieses Jahres beendet wird. Außerdem ist der Putsch ein Rückschlag für die Demokratiebemühungen in Westafrika. Der Amtsantritt von Bazoum nach der Wahl 2021 war der erste friedliche und demokratische Machtwechsel in dem bitterarmen Land seit der Unabhängigkeit von Frankreich 1960. Schon kurz vor seinem Antritt hatte es allerdings einen Putschversuch des Militärs gegeben.
Zwischen dem Chef der Präsidentengarde und Bazoum sollen sich die Spannungen jüngst verstärkt haben. Mehrere Quellen berichteten, der Präsident habe Tchiani absetzen wollen. Das Militär in Niger versuchte in der Vergangenheit, eine aktive Rolle als staatliche Institution über die Verteidigung und die Sicherheit hinaus zu spielen, zeitweise präsentierte es sich sogar als Verfechter der Demokratie, indem es zunehmend autokratisch regierende Staatslenker absetzte. Am Sonntag wurde der nigrische Präsident weiterhin von seiner Leibgarde festgehalten. Öffentlich hat er sich seit Donnerstagmorgen nicht gemeldet.
Quelle: clb.