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Beitrag vom 01.12.2023

Finanz und Wirtschaft

Afrikas Energiekonsum ist niedrig – Folge wie auch Grund der Armut

Auf dem Weltklimagipfel in Dubai sind Szenarien für eine grüne Wende in Afrika im Gespräch. Die natürlichen Aussichten dafür sind gut, die ökonomischen weniger.

Wolfgang Drechsler

Nichts hat sich für die Staaten Afrikas seit der Entlassung in die Souveränität als verhängnisvoller erwiesen als die starke Abhängigkeit von seinen Rohstoffen. Fast nirgendwo auf dem Kontinent hat ihre Nutzung zu breiterem Wohlstand oder zum Aufbau einer Energieversorgung geführt, die diesen Namen verdient. Umso grösser ist nun auf dem Weltklimagipfel in Dubai die Hoffnung, dass sich dies durch den Übergang Afrikas zu mehr sauberer Energie drastisch verändern könnte.

Denn seine Schätze lagern nicht nur im Boden: Nach Angaben der Internationalen Energieagentur (IEA) ist der Kontinent Heimat von 60% der besten Standorte für Sonnenenergie. Dennoch verfügt Afrika nur über ein Prozent der weltweit installierten Photovoltaikanlagen. Dank der hier sehr häufig scheinenden Sonne sowie günstiger Windverhältnisse stammt in 22 der 48 Länder südlich der Sahara dennoch schon jetzt der überwiegende Teil der Primärenergie aus erneuerbaren Energiequellen – allerdings in noch viel zu geringem Masse, um dem Kontinent den dringend benötigten Wachstumsschub zu verleihen.

Um die Energiewende im Süden der Welt voranzutreiben und gleichzeitig zu verhindern, dass Afrika dabei durch das massive Verbrennen fossiler Energie den gleichen Wachstumspfad wie zuvor die Industrieländer beschreitet, haben die EU, Grossbritannien und die USA im vergangenen Jahr den Aufbau von Energiepartnerschaften mit ausgewählten Schwellenländern beschlossen. Südafrika soll dabei als Leuchtturmprojekt fungieren: 8,5 Mrd. $ werden dem Land bis 2027 zur Verfügung gestellt, um die dort dominante Kohle verstärkt durch Windturbinen und Solaranlagen zu ersetzen. Die Initiative, die unter dem Namen «Just Energy Transition Partnership» firmiert, hofft, das Projekt im Anschluss auf weitere Schwellenländer wie Indonesien oder Vietnam auszudehnen.

Zwiespältige Haltung Europas

Allerdings steht der grünen Vision des Westens eine oft völlig andere lokale Realität gegenüber: Ausgerechnet Europas Stromproduzenten zählen gegenwärtig zu den Topkunden südafrikanischer Kohleförderer. Seit die Erdgaspreise im Zuge des Ukrainekriegs stark gestiegen sind, bemühen sich westliche Regierungen verstärkt auch um Kohle aus Südafrika, deren Abbau sie dort eigentlich stoppen wollen.

In Südafrika selbst wird die ambivalente Haltung der Europäer mit Verblüffung registriert. Auf der einen Seite importiert Europa fossile Energieträger wie Kohle, Gas und Öl für den Eigenbedarf aus Afrika oder Nahost, auf der anderen Seite will man fortan jedoch die öffentliche Finanzierung afrikanischer Energieprojekte beschränken, selbst wenn sie, wie bei Gas oder Kohle, für den Eigenbedarf bestimmt sind. Wenig dürfte die Europäer auf der Weltklimakonferenz mehr in Erklärungsnöte bringen als dieser Widerspruch.

Auch ist die Ausgangslage in Afrika eine gänzlich andere als in Europa: Während der Nachdruck im Westen darauf liegt, die eigene Energieversorgung sauberer zu gestalten, ist Afrika derzeit vor allem darum bemüht, überhaupt erst einmal ausreichend Energie für sein Wachstum zu erzeugen. Sein derzeit extrem niedriger Energieverbrauch ist eine Folge der grossen Armut – aber gleichzeitig auch ein zentraler Grund dafür. Ohne den Sonderfall Südafrika verbraucht ein Afrikaner im Schnitt derzeit 185 Kilowattstunden pro Jahr – verglichen mit 6500 in Europa und 12’700 in Nordamerika.

«Öko-Kolonialismus»

Entsprechend gering ist auch Afrikas Beitrag zum globalen Treibhausgasausstoss. Gegenwärtig beträgt er kaum 4% – bei einem weltweiten Bevölkerungsanteil von 18%. Wenn Afrika wachsen will, wird es aber viel mehr Energie brauchen, gerade auch durch fossile Brennstoffe wie Gas. Doch genau dies versuchen die Industriestaaten zu verhindern: Einerseits importieren sie fossile Energieträger für den Eigenbedarf aus Afrika oder Asien, andererseits verwehren sie die öffentliche Finanzierung afrikanischer Gasprojekte für den Gebrauch auf dem Kontinent selbst. Eine Art von Öko-Kolonialismus, wie es in Afrika heisst.

«Ausgerechnet Europas Stromproduzenten zählen gegenwärtig zu den Topkunden südafrikanischer Kohleförderer.»

Dabei strebt Afrika seinerseits nur einen besseren Energiemix an, zumal die Erneuerbaren schon jetzt vielerorts in Afrika durchaus mit Gas und Öl konkurrieren. Allerdings sind sich die meisten Experten darin einig, dass die Erneuerbaren wegen ihrer fehlenden Speichermöglichkeiten und der damit verbundenen unzuverlässigen Verfügbarkeit für sich allein nicht ausreichen werden, um Afrikas gigantische Energielücke zu schliessen. Ohne fossile Brennstoffe wird der Kontinent nie aus seiner Wachstumsmisere herauskommen, zumal mit 600 Mio. fast genau die Hälfte seiner Bewohner überhaupt keinen Strom haben – und sich deshalb um dessen Sauberkeit auch keine Gedanken machen.

Kapital kostet

Hinzu kommen die hohen Kosten für den Ausbau der Energieversorgung inmitten einer afrikanischen Schuldenkrise. Kohle- und Gasanlagen sind vergleichsweise billig zu bauen, während Solar- und Windkraftparks zwar billig zu betreiben, doch teuer zu errichten sind. Just die hohen Kosten für die Kapitalaufnahme schlagen in Afrika besonders stark zu Buche, warnt die IEA. Sie sorgten zum Beispiel dafür, dass die Kapitalkosten dort ein Mehrfaches dessen betragen, was ein ähnliches Projekt in Amerika oder Europa kosten würde.

Einfach wird der grüne Umbau in Afrika schon deshalb nicht werden, weil das enorme Bevölkerungswachstum den Regierungen die politischen Vorgaben diktieren dürfte, besonders weil es in Afrika hauptsächlich um Arbeitsplätze und ein Dach über dem Kopf geht. Saubere Luft rangiert dabei auf der Skala politischer Prioritäten weit unten.