Beitrag vom 02.04.2024
NZZ
Eritrea-Fest in Gerlafingen gerät ausser Kontrolle
180 Eritreer gehen mit Stöcken und Steinen bewaffnet auf eine Gruppe Landsleute los
vof.?/pop. · In Gerlafingen im Kanton Solothurn sind am Sonntagabend zwei Gruppen von Eritreern aneinandergeraten. Zuerst berichtete die «Solothurner Zeitung», am Ostermontag bestätigte die Kantonspolizei Solothurn in einer Medienmitteilung den Vorfall.
Rund 350 Anhängerinnen und Anhänger des eritreischen Diktators Isaias Afewerki hatten sich laut der Polizei zu einem Fest versammelt. Dabei wurden sie von einer Gruppe von 180 regimekritischen Eritreern gestört, die mit Stöcken und Steinen bewaffnet angereist waren. «An einer Deeskalation waren beide Seiten nicht interessiert», schreibt die Polizei.
Die Polizei habe eingegriffen und unter anderem Wasserwerfer, Schutzhunde und Tränengas gegen die Demonstrierenden eingesetzt. Gegen 20 Uhr habe sich die Lage beruhigt, nachdem die Feiernden die Veranstaltung nach einer Aufforderung der Polizei früher als geplant beendet hatten und in Reisebussen abgereist waren.
Zwei Personen leicht verletzt
Eine Polizistin sei beim Einsatz durch einen Steinwurf leicht verletzt worden. Auch eine Eritreerin wurde offenbar leicht verletzt. Mehrere Personen wurden kontrolliert, zu vorläufigen Festnahmen sei es jedoch nicht gekommen. Im Einsatz standen rund 60 Polizistinnen und Polizisten der Kantonspolizeien Solothurn und Bern.
Ausschreitungen zwischen Eritreern sind in den letzten Monaten in der Schweiz und in Europa immer wieder vorgekommen. Auf der einen Seite stehen die Anhänger des Diktators Isaias Afewerki. Bei den Pro-Regime-Eritreern handelt es sich meist um Personen, die bereits während des Befreiungskrieges in den 1980er Jahren geflüchtet waren. Das ostafrikanische Land hatte sich seine Unabhängigkeit von Äthiopien mit einem blutigen Bürgerkrieg erkämpft, wodurch Afewerki 1991 an die Macht kam.
Allerdings gilt Afewerki unterdessen als Diktator, der das Land ähnlich rabiat führt wie Kim Jong Un Nordkorea. Unter anderem können Eritreer für einen unbefristeten Militärdienst zwangsverpflichtet werden, den die Uno mit Sklaverei verglichen hat.
Auf der anderen Seite dieses Konflikts stehen darum diejenigen, die vor Afewerkis Politik geflüchtet sind. Hunderttausende Eritreer haben ihrem Land den Rücken gekehrt, rund 30 000 leben derzeit in der Schweiz. Sie werfen Afewerkis Anhängern vor, Feiern wie in Gerlafingen für Propagandazwecke zu nutzen und dabei Geld einzutreiben, mit dem das Regime finanziert werde.
Im vergangenen Jahr gab es in der Schweiz unter anderem in Opfikon im Kanton Zürich und in Rüfenacht bei Bern Ausschreitungen mit Verletzten. In der Politik wird darüber gestritten, ob den Anhängern Afewerkis der Schutzstatus entzogen werden soll, wodurch sie ihr Asylrecht verlören.
Rückführungen kaum möglich
Dass überhaupt regimefreundliche Eritreer in der Schweiz Asyl erhalten haben, erklärt der Bund damit, dass sie in den 1980er Jahren an der Seite der heutigen Regierung für die Unabhängigkeit ihres Landes kämpften und damals vor den äthiopischen Besatzern flüchten mussten. Heute seien sie eingebürgert oder hätten den Aufenthaltsstatus C.
Um ihren Schutzstatus aufzuheben, müssen laut dem Bundesrat zudem einige Bedingungen erfüllt sein, die über eine Teilnahme an solchen Festivals hinausgehen. Eine Rückführung wäre aber auch dann kaum möglich: Das eritreische Regime lässt seit Jahren grundsätzlich keine Zwangsrückführungen aus westlichen Staaten zu.
Deshalb brachte die FDP-Ständerätin Petra Gössi kürzlich eine neue Variante ins Spiel. Sie verlangt, dass abgewiesene Eritreer in ein Drittland ausgewiesen werden können. Dazu soll der Bundesrat ein sogenanntes Transitabkommen mit einem geeigneten Staat abschliessen. Gössis Forderung erhielt im Ständerat eine Mehrheit; der Nationalrat hat noch nicht darüber befunden.