Abiy Ahmed lässt sich einen milliardenteuren Palast bauen
Äthiopien
NZZ
Das Prestigeprojekt des äthiopischen Regierungschefs belastet die Staatskasse schwer
Samuel Misteli, Nairobi
Das Projekt war eigentlich geheim, doch seine Dimensionen sind etwas zu gross, als dass das lange so bleiben konnte. Äthiopiens Ministerpräsident Abiy Ahmed plant in den Hügeln oberhalb der Hauptstadt Addis Abeba einen neuen Regierungspalast auf einem Gelände von 503 Hektaren – das ist «grösser als Windsor, das Weisse Haus, der Kreml und Chinas Verbotene Stadt zusammen», wie das Magazin «Africa Confidential» schreibt. Zum Projekt gehören auch drei künstliche Seen, ein Wasserfall, eine Seilbahn, ein Zoo und Luxusvillen.
Abiy äusserte sich erstmals im November 2022 zu seinen Plänen, als diese längst Stadtgespräch waren. Im Parlament sagte er: «Man hört in der Stadt, der Ministerpräsident baue einen Palast für 49 Milliarden Birr (rund 912 Millionen Dollar). Tatsächlich wird er 400 oder 500 Milliarden Birr kosten.» Also bis zu 10 Milliarden Dollar. Manche rechnen gar damit, dass das Projekt gegen 15 Milliarden Dollar kosten könnte – so hoch ist Äthiopiens Staatsbudget. Laut Abiy wird der Palast ohne staatliche Mittel finanziert, durch Geldgeber aus dem In- und Ausland. Einen grossen Teil bezahlen vermutlich die Vereinigten Arabischen Emirate, enge Verbündete des Ministerpräsidenten.
Amtssitz wie ein Luxushotel
Der Regierungskomplex in den Yeka-Hügeln ist das bisher ehrgeizigste Projekt eines jungen Ministerpräsidenten, der seit seinem Amtsantritt 2018 viele ehrgeizige Projekte gestartet hat. Abiy hat in Addis Abeba unter anderem mehrere Parks, Museen, Regierungsgebäude, einen Zoo, einen Kunsthandwerk-Markt und eine Bibliothek gebaut. Journalisten von der britischen «Financial Times», die zu Besuch waren, beschrieben Abiys Amtssitz als «blendend weisse Luxushotel-Angelegenheit, voll mit wandfüllenden Videobildschirmen, moderner Kunst und eleganten weissen Räumen für Kabinettssitzungen und Besucherdelegationen.» Abiy sagte ihnen: «Ich will, dass diese Büros futuristisch sind. Viele Äthiopier sehen das Gestern. Ich sehe das Morgen. Dieser Ort wurde von der Hölle zum Paradies.»
An Sendungsbewusstsein hat es dem inzwischen 46-jährigen Abiy nie gefehlt. Als er Regierungschef wurde, erzählte er, seine Mutter habe ihm schon am Morgen seines ersten Schultags ins Ohr geflüstert, er sei einzigartig und werde eines Tages in den Palast einziehen. Nach seinem Amtsantritt 2018 erschien Abiy tatsächlich als messiasähnliche Gestalt. Er befreite Zehntausende politische Gefangene, liess zuvor verbotene oppositionelle Organisationen wieder zu und besetzte die Hälfte seines Kabinetts mit Frauen. Vor allem schloss er Frieden mit dem Nachbarland Eritrea und beendete so einen Konflikt, der zwei Jahrzehnte gedauert und Zehntausende Menschenleben gekostet hatte. Dafür erhielt Abiy Ahmed den Friedensnobelpreis. Sein Stern schien so hell, dass er blendete.
Millionen leiden Hunger
Doch dann verblasste er. Im November 2020 fing Abiy einen Krieg mit der Regionalregierung der nördlichen Provinz Tigray an. Dieser kostete in den darauffolgenden zwei Jahren Hunderttausende Menschenleben, nicht nur durch Kampfhandlungen, sondern auch durch Hunger und das Fehlen medizinischer Versorgung. Seit acht Monaten schweigen die Waffen, doch vergangene Woche meldete die Uno, im Norden Äthiopiens seien noch immer fast neun Millionen Menschen auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen. Auch sonst steht es nicht gut um Äthiopiens Wirtschaft – die grösste in Ostafrika, die in den ersten beiden Jahrzehnten des 21. Jahrhunderts oft das höchste Wachstum auf dem Kontinent aufwies. Die Währung verliert laufend an Wert, die Inflation liegt bei 35 Prozent. Die Kosten des Wiederaufbaus nach dem Tigray-Krieg könnten sich auf 20 Milliarden Dollar belaufen.
Doch das bricht Abiys Ehrgeiz nicht. Er besucht angeblich regelmässig die Baustelle des neuen Regierungspalastes in den Hügeln am Stadtrand. Das Projekt sei sein «wichtigstes Anliegen», zitierte die Zeitung «Le Monde» ein Kadermitglied von Abiys Partei. Den Journalisten der «Financial Times» sagte Abiy, seine Umgebung zu verbessern, sei eine Metapher für die Verwandlung Äthiopiens. «Wenn du das ändern kannst», sagte er mit Blick auf die Umgebung vor seinem Büro, «kannst du Addis Abeba verändern. Und wenn du Addis Abeba verändern kannst, kannst du Äthiopien verändern.»