Beitrag vom 01.09.2008
Experten fordern radikale Neuausrichtung der Entwicklungshilfe
Bonn (KNA) Experten haben in einem «Bonner Aufruf» einen radikalen Umbau der Entwicklungshilfe gefordert. Das von dem Cap-Anamur-Gründer und «Grünhelme»-Vorsitzenden Rupert Neudeck am
Montag vorgestellte Positionspapier spricht von einem Versagen bisheriger staatlicher Entwicklungshilfe für Afrika. Ausländische Helfer hätten zu viel Verantwortung an sich gezogen und die Eigeninitiative gelähmt. Die Gleichung «mehr Geld = mehr Entwicklung» gehe nicht auf, heißt es in der Erklärung «Eine andere Entwicklungspolitik».
Neben Neudeck gehören unter anderen der frühere entwicklungspolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Winfried Pinger (CDU), Ex-Botschafter Volker Seitz und der WDR-Journalist Kurt Gerhardt dem Initiativkreis für den Aufruf an. Weitere Unterstützer sind etwa der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Werner Hoyer, der frühere Parlamentarische Staatssekretär im Entwicklungsministerium Volkmar Köhler (CDU) und der ehemalige Staatsminister im Außenamt Ludger Volmer (Grüne).
Pinger betonte, eine effiziente Entwicklungshilfe sei im gegenwärtigen System nicht möglich. 80 Prozent der Mittel würden über die staatliche Bürokratie verteilt. Wegen deren Ineffizienz und
aufgrund von Korruption komme von den Geldern bei den Armen «fast nichts an». Stattdessen seien Selbsthilfegruppen, Nichtregierungsorganisationen und Mikrofinanzsysteme vor Ort zu fördern. Die Entscheidungsbefugnisse sollten auf die deutschen Botschaften übertragen werden.
Neudeck sprach von einem «völlig überzogenen Apparat» des Entwicklungsministeriums und forderte dessen schrittweise Auflösung zugunsten des Auswärtigen Amtes. Gleiches gelte für die Deutsche
Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) und die Entwicklungsbank KfW.
Neudeck betonte, mit schlechten Regierungen in Afrika sei keine Entwicklung zu erreichen. Millionen Migranten aus Afrika bewiesen mit ihren Füßen die schlechte Wirksamkeit bisheriger
Entwicklungshilfe. Dabei gehe es nicht um Schuldzuweisungen; auch er selbst sei «in dem System mitgefangen». Nun müsse man aber über einen effizienteren Mitteleinsatz nachdenken.
Seitz forderte die Einrichtung eines unabhängigen Kontrollorgans im Bundestag oder Bundesrechnungshof, das die Effizienz von Entwicklungspolitik überprüft. Er nannte es «skandalös», dass inzwischen Tausende Menschen in Deutschland von der Entwicklungshilfe leben und damit das Prinzip «Hilfe zur Selbsthilfe» verkehrt werde.
Seitz und Neudeck lobten die kirchlichen Entwicklungsprojekte; deren Unterstützung kleiner Partner vor Ort sei vorbildlich. Allerdings seien die kirchlichen Hilfswerke selbst abhängig von
Regierungsgeldern geworden.