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Beitrag vom 26.05.2013

Neue Zürcher Zeitung

50 Jahre Afrikanische Union

Jubiläum einer fiktiven Union

Markus M. Haefliger

Wenn es um die Afrikanische Union (AU) geht, die am Samstag an ihrem Gipfeltreffen in Addis Abeba das fünfzigjährige Bestehen des afrikanischen Einheitsgedankens gefeiert hat, muss man als Erstes festhalten, was sie nicht ist: Sie ist keine Union. Der Name ist ein Etikettenschwindel aus dem Jahr 2002, als sich die vorausgegangene Organisation für die Einheit Afrikas (OAU) neu organisierte und die Europäische Union in Afrika unzweifelhaft als Erfolgsmodell galt. Zur Nomenklatur gehörten fortan auch eine Afrikanische Kommission und ein Panafrikanisches Parlament. Aber beide Institutionen verfügen im Unterschied zu den europäischen Vorbildern über keine eigenen Kompetenzen; die Kommission ist bloss ein Sekretariat zwischen den halbjährlichen AU-Gipfeln. Die Folge davon ist, dass der AU ein Mechanismus fehlt, der im dialektischen Prozess zwischen Gemeinschaftsinteresse und nationalen Interessen eine fortschreitende wirtschaftliche und politische Integration gewährleisten würde.

Hohle Appelle für Demokratie

Die AU ist stark an Worten und schwach an Taten. Das notorische Missverhältnis ist noch gewachsen, seit Nkosazana Dlamini-Zuma, eine forsche südafrikanische Politikerin, Anfang dieses Jahres Jean Ping als Kommissionspräsidenten ablöste, einen gabonesischen Diplomaten, der sich selber lieber im Hintergrund gehalten hatte. Selbst wo Integration kostenlos zu haben wäre, geschieht fast nichts. Afrikaner benötigen für zwei Drittel der afrikanischen Staaten Einreisebewilligungen; Visa können nur in einer Handvoll von Ländern bei der Einreise am Flughafen beschafft werden. Bürokratische Hürden gehören zu den häufigsten Klagen transnationaler afrikanischer Investoren. Der Zustand widerspricht eklatant dem seit einigen Jahren auch in Afrika gebetsmühlenhaft wiederholten Grundsatz, nachhaltiges Wirtschaftswachstum müsse vom Privatsektor ausgehen. Soweit es sie gibt, findet Wirtschaftsintegration auf regionaler, nicht auf kontinentaler Ebene statt, am erfolgreichsten in der ostafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft. Die AU hat damit nichts zu tun.

Einen Erfolg kann die Union am ehesten bei ihrer Friedens- und Sicherheitspolitik vorweisen. Im letzten Jahrzehnt schloss sie acht Mitgliedsstaaten aus, weil sich deren Führungen an die Macht geputscht oder sich, wie der ivoirische Präsident Gbagbo 2010, mit Gewalt gegen ihre Abwahl zur Wehr gesetzt hatten. Die Massnahme hatte jeweils Signalwirkung und zog, wie in den letzten Jahren in Côte d'Ivoire, Mali, Guinea-Bissau und jüngst in der Republik Zentralafrika, Wirtschaftssanktionen der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft nach sich, die entscheidend wirkten. Aber das Kriterium für regelkonforme Regierungsführung ist viel zu sehr darauf beschränkt, dass in den Mitgliedsstaaten Volkswahlen der Form nach abgehalten werden. Gegenüber Machthabern, die ihre autokratische Regierung unter einem Deckmäntelchen der Demokratie zu verbergen wissen, ist die AU schier endlos nachsichtig. Appelle der AU für Demokratie und gute Regierungsführung sind nur so stark wie die Bürgerbewegungen in den betroffenen Staaten; wo diese fehlen oder geknebelt werden, verkommen sie zu Worthülsen.

Chefferie des 21. Jahrhunderts

Es ist etwas grundsätzlich schief mit der Afrikanischen Union. In der europäischen Geschichte entstanden zuerst die Nationalstaaten, danach Staatenorganisationen wie die EU. In Afrika ist es umgekehrt: Afrikanische Politiker spielen sich an Gipfeln der AU als Internationalisten auf, dabei sind sie zu Hause noch nicht einmal Nationalisten im patriotischen Sinn, die sich als Diener ihres Volkes verstehen würden. Die AU ist ein durchwegs elitärer Verein, ein Klub von Staatschefs, die in den Mitgliedsstaaten nach der Regierungsform ihrer Vorliebe walten, einer omnipotenten Exekutivpräsidentschaft. Die Union taugt, wenn überhaupt, nur während der Gipfeltreffen etwas, wenn die Chefferie des 21. Jahrhunderts Präsenz demonstriert. Die Staatschefs lassen dabei selten eine Gelegenheit aus, die Empfehlungen ihrer Fachkommissionen hingebungsvoll vom Tisch zu fegen. Erst recht empfinden sie aufmüpfige Bürger als lästig. Die Arroganz der Macht nimmt nicht einmal ab, sondern eher noch zu. Während an AU-Gipfeln der vergangenen Jahre afrikanische Bürgerinitiativen, wie Menschenrechts- und Umweltbewegungen, in Anlehnung an die Gepflogenheiten der Uno als Teilnehmer zugelassen waren, wurden sie ausgerechnet vom Jubiläumsgipfel ausgeschlossen.